Pflichten des Unternehmers bei Verträgen über digitale Produkte

Pflichten des Unternehmers bei Verträgen über digitale Produkte

Bei Verträgen über digitale Produkte gibt es drei grundlegende Pflichten des Unternehmers: Er muss (i) die digitalen Produkte bereitstellen (§ 327b BGB), (ii) die digitalen Produkte müssen frei von Produkt- und Rechtsmängeln, also „vertragsmäßig“ sein (§ 327d BGB) und (iii) er darf die digitalen Produkte bei einer dauerhaften Bereitstellung nur unter Beachtung der Vorgaben in § 327r BGB verändern. Verletzt der Unternehmer eine dieser Pflichten, knüpft das Gesetz daran unterschiedliche Rechtsfolgen.

Bereitstellung der digitalen Produkte

Die §§ 327 ff. BGB betreffen nach § 327 I 1 BGB Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung digitaler Produkte (digitale Inhalte oder Dienstleistungen) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben. Die vertragliche Hauptleistungspflicht des Unternehmers besteht in diesen Fällen also in der Bereitstellung digitaler Produkte. § 327b BGB konkretisiert diese Leistungspflicht des Unternehmers zur Bereitstellung des digitalen Produkts hinsichtlich der Leistungszeit sowie der Art und Weise der Bereitstellung (vgl. § 327b I BGB).

§ 327b II BGB betrifft den Zeitpunkt für die Erfüllung der Bereitstellungspflicht,1 § 327b III – V BGB die Art und Weise, in der die Bereitstellung vorzunehmen ist, und § 327b VI BGB – abweichend insbesondere von § 363 BGB – die Beweislast dafür, dass eine ordnungsgemäße Bereitstellung erfolgt ist.

Bleibt die Bereitstellung aus, liegt eine Pflichtverletzung des Unternehmers in Gestalt einer Nichtleistung vor. Der § 327c BGB befasst sich mit den Rechten des Verbrauchers bei unterbliebener Bereitstellung. Die Norm legt zwei Rechte des Verbrauchers fest, wenn die vom Unternehmer geschuldete Bereitstellung des digitalen Produkts ausbleibt: Das Recht zur Vertragsbeendigung nach Maßgabe von § 327c I BGB2 und den Anspruch auf Schadens- oder Aufwendungsersatz nach Maßgabe von § 327c II BGB.3

§ 327c BGB betrifft die Nichtleistung im Unterschied zur nicht vertragsgemäßen bzw. mangelhaften Leistung (Schlechtleistung), die in den §§ 327d ff. BGB geregelt ist. Erfasst sind von dieser Vorschrift somit allein solche Fälle, in denen die Bereitstellung zum Zeitpunkt der Fälligkeit vollständig unterblieben ist. Hat der Unternehmer eine Teilleistung bewirkt, liegt eine mangelhafte Leistung vor, deren Rechtsfolgen nicht § 327c BGB, sondern die §§ 327d ff. BGB festlegen.4

Vertragsmäßigkeit der digitalen Produkte

Ist der Unternehmer durch einen Verbrauchervertrag gemäß § 327 oder § 327a BGB zur Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet, so hat er das digitale Produkt vertragsgemäß, d. h. frei von Produkt- und Rechtsmängeln bereitzustellen (§ 327d BGB).

Der Begriff „Vertragsmäßigkeit“ in der Überschrift des § 327d BGB entspricht der Terminologie der DIRL.5 In Anlehnung an die Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmängeln im Kaufrecht (§§ 434, 435 BGB) konkretisiert das BGB den Begriff der Vertragsmäßigkeit für die digitalen Produkte durch die Formel „frei von Produkt- und Rechtsmängeln“.6

Der Produktmangel ist in § 327e BGB geregelt.

Nach § 327e I 1 BGB ist das digitale Produkt frei von Produktmängeln, wenn es zur maßgeblichen Zeit (dazu § 327e I 2, 3 BGB) den subjektiven Anforderungen (dazu § 327e II BGB), den objektiven Anforderungen (dazu § 327e III BGB) und den Anforderungen an die Integration (dazu § 327e IV BGB) entspricht. Einem Produktmangel steht es gleich, wenn der Unternehmer ein anderes digitales Produkt als das vertraglich geschuldete digitale Produkt bereitstellt (§ 327e V BGB). Ist das digitale Produkt nicht mangelfrei und haben die Parteien auch keine negative Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 327h BGB getroffen,7 stehen dem Verbraucher die Mängelrechte nach §§ 327i ff. BGB zu.8

§ 327f BGB enthält eine Aktualisierungspflicht des Unternehmers. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so kann ein zunächst vertragsmäßiges digitales Produkt nachträglich seine Vertragsgemäßheit verlieren.

Der Unternehmer muss sicherstellen, dass dem Verbraucher während des maßgeblichen Zeitraums (vgl. dazu § 327f I 3 BGB) Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind, bereitgestellt werden und der Verbraucher über die Aktualisierungen informiert wird (§ 327f I 1 BGB). Der Begriff der „Aktualisierungen“ umfasst dabei als Oberbegriff sowohl „Updates“ als auch „Upgrades“.9 Zu den erforderlichen Aktualisierungen gehören auch Sicherheitsaktualisierungen (§ 327f I 2 BGB). Unterlässt es der Verbraucher, eine ihm bereitgestellte Aktualisierung innerhalb einer angemessenen Frist10 zu installieren, so haftet der Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 327f II BGB nicht für einen Produktmangel, der allein auf das Fehlen dieser Aktualisierung zurückzuführen ist.

Rechtsmängel** sind in § 327g BGB geregelt.

Das digitale Produkt ist frei von Rechtsmängeln, wenn der Verbraucher es gemäß den subjektiven oder objektiven Anforderungen nach § 327e II, III BGB nutzen kann, ohne Rechte Dritter zu verletzen (§ 327g BGB). Die Vorschrift betrifft vor allem den Schutz des Verbrauchers vor Einschränkungen, die aus Immaterialgüterrechten (Urheberrechte und sonstige Schutzrechte) Dritter für die Nutzung des digitalen Produkts entstehen können.11 Als Rechtsfolge eines Rechtsmangels stehen dem Verbraucher – wie bei einem Produktmangel und ebenfalls vorbehaltlich einer nach § 327h BGB wirksamen negativen Beschaffenheitsvereinbarung – die Mängelrechte gemäß §§ 327i ff. BGB zu.

Ist das digitale Produkt mangelhaft, so kann der Verbraucher gemäß § 327i BGB

Nacherfüllung verlangen (Nr. 1),

Die Einzelheiten des auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands und zur Tragung der zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen gerichteten Nacherfüllungsanspruchs sind in § 327l BGB geregelt. Grundsätzlich steht dem Unternehmer ein „Recht zur zweiten Andienung“ zu.12 Auch Verträge über digitale Produkte kennen ein „Primat der Nacherfüllung“.13 Diese „Hierarchie der Rechtsbehelfe“ ergibt sich allerdings nicht bereits aus § 327i BGB, sondern erst aus den folgenden Vorschriften (insbesondere aus § 327m I, III BGB).14

den Vertrag beenden oder den Preis mindern (Nr. 2)

Die Einzelheiten zur Vertragsbeendigung finden sich in § 327m I, II, IV, V BGB. Die §§ 327o, 327p BGB behandeln die Ausübung des Beendigungsrechts sowie die Rechtsfolgen der Vertragsbeendigung.15 Die „Vertragsbeendigung“ erfasst sowohl den einmaligen Leistungsaustausch als auch Dauerschuldverhältnisse, dient also insofern als Oberbegriff für die Sachlagen des Rücktritts (§§ 323 ff. BGB) und der Kündigung (§ 314 BGB).16 Mit der Minderung des Preises befasst sich § 327n BGB; sie dient der Anpassung des vom Verbraucher zu zahlenden Preises (auf den verminderten Wert des mangelhaften digitalen Produkts.

und Schadensersatz oder Aufwendungsersatz verlangen (Nr. 3).

Nach § 327i Nr. 3 BGB kann der Verbraucher Schadensersatz nach § 280 I BGB und § 327m III BGB oder den Ersatz vergeblicher Aufwendungen nach § 284 BGB verlangen. Der Unternehmer haftet nur auf Schadensersatz, wenn er die Mangelhaftigkeit des digitalen Produkts nach dem Maßstab der §§ 276 ff. BGB zu vertreten hat; dies wird aber gemäß § 280 I 2 BGB vermutet, so dass der Unternehmer zu beweisen hat, dass er die Mangelhaftigkeit nicht zu vertreten hat.17

Nach den allgemeinen Grundsätzen (insbesondere § 363 BGB) müsste an sich der Verbraucher, der eines der in 327i BGB aufgeführten Rechte bei Produkt- oder Rechtsmängeln geltend macht, die dafür maßgeblichen Tatsachen beweisen.18 Davon abweichend legt § 327k BGB eine Umkehr der Beweislast bei Mängeln eines digitalen Produkts zugunsten des Verbrauchers fest.

Zeigt sich bei einem digitalen Produkt innerhalb eines Jahres seit seiner Bereitstellung ein von den Anforderungen nach § 327e oder § 327g BGB abweichender Zustand, so wird vermutet, dass das digitale Produkt bereits bei Bereitstellung mangelhaft war (§ 327k I BGB). Diese Vermutung gilt für Verträge über eine einmalige Bereitstellung. Demgegenüber stellt § 327k II BGB für Verträge über eine dauerhafte Bereitstellung die entsprechende Vermutung auf, dass das Produkt während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft war. § 327k III BGB enthält Ausnahmen von der Beweislastumkehr und § 327k IV BGB einige Einschränkungen dieser Ausnahmen (Rückausnahmen).

§ 327j BGB enthält eine spezielle Regelung zur Verjährung.

Der Verjährung unterliegen nur Ansprüche (§ 194 I BGB). Demgemäß ordnet § 327j I BGB nur für die in § 327i Nr. 1 und 3 BGB bezeichneten Ansprüche des Verbrauchers gegen den Unternehmer auf Nacherfüllung, Schadensersatz und Aufwendungsersatz eine Verjährung innerhalb von zwei Jahren ab der Bereitstellung an. Im Falle der dauerhaften Bereitstellung verjähren diese Ansprüche nach § 327j II BGB allerdings nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums. Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht gemäß § 327f BGB verjähren nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des für die Aktualisierungspflicht maßgeblichen Zeitraums (§ 327j III BGB). Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat (§ 327j IV BGB). Für die in § 327i Nr. 2 BGB bezeichneten Rechte (Vertragsbeendigung und Minderung) gilt nach § 327j V BGB die Regelung in § 218 BGB entsprechend: Sind die Nacherfüllungs-, Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche verjährt und erhebt der Unternehmer die Verjährungseinrede (vgl. § 214 I BGB), kann der Verbraucher sein Vertragsbeendigungsrecht (§ 327m I, II, IV, V BGB) und sein Minderungsrecht (§ 327n BGB) nicht mehr wirksam ausüben.19

Änderungen an digitalen Produkten

Für Verträge über die dauerhafte Bereitstellung digitaler Produkte treten die Rechte nach § 327r BGB bei Änderungen an digitalen Produkten in Erscheinung.20 In Abgrenzung zu den im Rahmen der Vertragsmäßigkeit geschuldeten Aktualisierungen (§ 327f BGB) behandelt § 327r BGB Änderungen des digitalen Produkts, welche über das erforderliche Maß hinausgehen (vgl. § 327r I BGB), z. B. weil sie das digitale Produkt ganz verändern oder sogar den Leistungsumfang einschränken. Es geht also bei § 327r BGB um einen Sonderfall der (nachträglichen) Schlechtleistung. Solche Änderungen darf der Unternehmer nach § 327r I BGB nur dann vornehmen, wenn (i) der Vertrag diese Möglichkeit vorsieht und einen triftigen Grund dafür enthält, (ii) dem Verbraucher durch die Änderung keine zusätzlichen Kosten entstehen und (iii) der Verbraucher klar und verständlich über die Änderung informiert wird.

Eine Änderung des digitalen Produkts, die die Zugriffsmöglichkeit des Verbrauchers auf das digitale Produkt oder welche die Nutzbarkeit des digitalen Produkts für den Verbraucher nicht nur unerheblich (§ 327r II 3 BGB) beeinträchtigt, darf der Unternehmer nur vornehmen, wenn er den Verbraucher darüber hinaus innerhalb einer angemessenen Frist vor dem Zeitpunkt der Änderung mittels eines dauerhaften Datenträgers informiert (§ 327r II 1 BGB); dabei muss die Information die in § 327r II 2 BGB genannten Angaben enthalten. Sofern die Beeinträchtigung nicht nur unerheblich ist, kann der Verbraucher den Vertrag innerhalb von 30 Tagen unentgeltlich beenden (§ 327r III 1 BGB), sofern die Beendigung des Vertrags nicht nach Maßgabe des § 327r IV BGB ausgeschlossen ist. Für die Rechtsfolgen einer Vertragsbeendigung nach § 327r III BGB verweist § 327r V BGB auf das Rechtsfolgenregime der §§ 327o II – V, 327p BGB.


  1. Es handelt sich um eine den § 271 BGB verdrängende Spezialregelung (Wendehorst, NJW 2021, 2913, 2916).
  2. Die Vertragsbeendigung nach § 327c I BGB entspricht funktional dem Rücktritt wegen nicht erbrachter Leistung gemäß § 323 I BGB, unterscheidet sich von diesem aber hinsichtlich der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen und ist deshalb auch terminologisch vom Rücktritt abzugrenzen (Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327c Rn. 2).
  3. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327c Rn. 1.
  4. BT-Drucks. 19/27653, S. 50.
  5. Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen.
  6. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327d Rn. 1.
  7. § 327h BGB ist anwendbar auf Abweichungen von den objektiven Anforderungen hinsichtlich der Produktmängel gemäß § 327e III 1 Nr. 1 – 5 und S. 2, hinsichtlich der Aktualisierungen gemäß § 327f I BGB und hinsichtlich der Rechtsmängel gemäß § 327g BGB; nicht erfasst sind die subjektiven Anforderungen gemäß §§ 327e II, 327g BGB sowie die Bereitstellung der neuesten Version, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verfügbar ist gemäß § 327e III 1 Nr. 6 BGB (Hk-BGB/ Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327h Rn. 1).
  8. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327e Rn. 1.
  9. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327f Rn. 4.
  10. Die angemessene Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls u. a. im Hinblick auf Risiken für die digitale Umgebung des Verbrauchers bei Ausbleiben der Aktualisierung und sonstige Auswirkungen auf andere Hard- und Software sowie den Zeitaufwand für die Installation zu bestimmen (Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327f Rn. 12).
  11. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327g Rn. 1.
  12. Wendehorst, NJW 2021, 2913, 2918.
  13. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327l Rn. 1 und § 327m Rn. 2.
  14. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327i Rn. 1.
  15. Wendehorst, NJW 2021, 2913, 2918.
  16. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327m Rn. 1.
  17. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327m Rn. 13.

  18. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327k Rn. 1.
  19. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327j Rn. 6.
  20. Hier und zum Folgenden: Wendehorst, NJW 2021, 2913, 2919.