Pflichten aus dem Schuldverhältnis
Pflichten aus dem Schuldverhältnis
Jedes Schuldverhältnis i.w.S. enthält mindestens eine Pflicht des Schuldners. Dem kann ein Forderungsrecht des Gläubigers entsprechen.1
Pflichten des Schuldners
Das Schuldverhältnis i.w.S. kann dem Schuldner eine Reihe von Pflichten auferlegen.2
Als Leistungspflichten bezeichnet man diejenigen Pflichten des Schuldners, denen ein Forderungsrecht des Gläubigers entspricht (vgl. § 241 I 1 BGB). Sie sind selbständig einklagbar. Die Leistung kann in einem Tun oder in einem Unterlassen bestehen (§ 241 I 2 BGB).
Hauptleistungspflichten heißen diejenigen Leistungspflichten, die für das konkrete Schuldverhältnis wesentlich sind, ihm sein Gepräge geben.
Beispiel: Beim Kauf ist der Verkäufer zur Übereignung und Übergabe der Sache in mangelfreiem Zustand verpflichtet (§ 433 I 1, 2 BGB); der Käufer schuldet im Gegenzug die Zahlung des Kaufpreises (§ 433 II BGB).
Als Nebenleistungspflichten werden alle anderen selbständig einklagbaren Pflichten bezeichnet.
Beispiel: Pflicht des Verkäufers zur Versendung der Kaufsache.
Leistungspflichten stehen Schutzpflichten gegenüber (§ 241 II BGB). Schutzpflichten sind im Gegensatz zu Leistungspflichten (vgl. § 241 I 1 BGB: „Gläubiger berechtigt … zu fordern“) nicht selbständig einklagbar, weil der Begünstigte keinen Anspruch auf ihre Beobachtung hat (vgl. § 241 II BGB: „kann jeden Teil … verpflichten“). Werden Schutzpflichten verletzt, kann aber – ebenso wie bei der Verletzung von Leistungspflichten – ein Schadensersatzanspruch (§§ 280 I, 282 BGB) und/oder ein Rücktrittsrecht (§ 324 BGB) bestehen.
Schutzpflichten i.S.v. § 241 II BGB dienen dem Integritätsinteresse des anderen Teils. Er soll vor Schäden bewahrt werden, die ihm aus der Durchführung des Schuldverhältnisses erwachsen können. Inhalt und Umfang der Schutzpflichten richten sich nach dem konkreten Schuldverhältnis i.w.S. (vgl. § 241 II BGB: „Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt … verpflichten.“).
Von den vorstehenden Primärpflichten sind die Sekundärpflichten zu unterscheiden. Sie ergeben sich nicht unmittelbar aus dem Schuldverhältnis, sondern können allein als Folge der Störung primärer Leistungs- oder Schutzpflichten entstehen. Sie treten neben die Primärpflicht oder an ihre Stelle.
Von den Pflichten des Schuldners abzugrenzen sind die Obliegenheiten. Bei ihnen handelt es sich um „Pflichten gegen sich selbst“.3 Die andere Partei kann sie nicht einklagen und ihr erwachsen im Falle ihrer Verletzung auch keine Sekundäransprüche. Derjenige, den sie treffen, muss allerdings Rechtsnachteile in Kauf nehmen, wenn er sie nicht beachtet.
Beispiele: Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 I, II 1 BGB), Mahnung beim Schuldnerverzug (§ 286 I 1 BGB), Untersuchungs- und Rügeobliegenheit (§ 377 HGB).
Forderungsrecht des Gläubigers
Aufgrund des Schuldverhältnisses kann der Gläubiger ein Forderungsrecht gegen den Schuldner haben (§ 241 I 1 BGB).4 Da dieses Forderungsrecht des Gläubigers nur gegen den Schuldner besteht, handelt es sich um ein relatives Recht.
Im Gegensatz dazu geben Sachenrechte dem Inhaber ein absolutes Recht, das sich gegen jedermann richtet. Beispiel: Das Eigentum ist ein absolutes, gegenüber jedermann wirkendes Recht. Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen (§ 903 S. 1 BGB). Dementsprechend kann der Eigentümer etwa von dem unrechtmäßigen Besitzer die Herausgabe der Sache (§§ 985, 986 BGB) und von dem Störer die Beseitigung und Unterlassung einer Störung, die er nicht zu dulden hat (§ 1004 BGB), verlangen.
Sein Forderungsrecht gegen den Schuldner kann der Gläubiger mit Hilfe des Staates durchsetzen, in dem er seine Forderung gegen den Schuldner einklagt und aus einem stattgebenden Urteil sodann gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung betreibt.
- Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, Vor § 241 Rn. 23.
- Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 2 Rn. 17 – 18.
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 2 Rn. 4.
- Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 2 Rn. 5 – 16.