Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern

Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern

An einem Schuldverhältnis müssen mindestens zwei Personen beteiligt sein. Es können aber auch sowohl auf der Gläubiger- als auch auf der Schuldnerseite mehrere Personen beteiligt sein. Geregelt sind solche Gläubiger- und Schuldnermehrheiten vornehmlich in den §§ 420 – 432 BGB. Das Gesetz kennt jeweils drei korrespondierende Arten solcher Personenmehrheit auf der Gläubiger- und Schuldnerseite:

  • Teilgläubiger- und Teilschuldnerschaft;
  • Gesamtgläubiger- und Gesamtschuldnerschaft;
  • Gläubiger- und Schuldnergemeinschaft.

Teilgläubiger- und Teilschuldnerschaft

Schulden mehrere eine teilbare Leistung oder haben mehrere eine teilbare Leistung zu fordern, so ist im Zweifel jeder Schuldner zu einem gleichen Anteil verpflichtet, jeder Gläubiger nur zu einem gleichen Anteil berechtigt (§ 420 BGB).1 Die Durchsetzung seiner Forderung ist dem Gläubiger in diesen Fällen erschwert, weil er gegen alle Teilschuldner einzeln vorgehen muss. Deshalb kommen Teilschulden nur ausnahmsweise in Betracht; sie müssen von den Parteien besonders vereinbart werden.

Beispiel:2 A und B wollen auf einem Grundstück ein Doppelhaus errichten, das aus zwei nebeneinander liegenden Wohneinheiten besteht. Sie erteilen dem Unternehmer U den Auftrag zur Errichtung des Doppelhauses zu einem Gesamtpreis von 500.000 €. In diesem Fall einer sog. Bauherrengemeinschaft liegt eine Teilschuld vor.3 U kann von A und B jeweils nur den auf ihre jeweilige Haushälfte entfallenden Teil der Gesamtvergütung verlangen. Die Teilschulden sind voneinander unabhängig.

Eine solche Vereinbarung kommt zudem nur bei teilbaren Leistungen in Betracht. Eine Leistung ist teilbar, wenn sie ohne Wertverlust in mehrere gleichartige Teile zerlegt werden kann, sodass jeder Leistungsteil proportional im Verhältnis zur Gesamtleistung steht.4

Beispiele: Vertretbare Sachen (§ 91 BGB), Geld.

Teilgläubigerschaft ist gegeben, wenn jeder von mehreren Gläubigern vom Schuldner nur einen Teil der Leistung zu fordern berechtigt ist. Es steht dann jedem Gläubiger ein eigenes Forderungsrecht zu, über das er unabhängig von den sonstigen Gläubigern verfügen kann.

Die Gläubiger können aber nur gemeinsam die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben (§ 320 I 2 BGB) und nur gemeinsam vom Vertrag zurücktreten (§ 351 BGB)

Teilschuldnerschaft liegt vor, wenn jeder Schuldner nur zu einem Teil der Leistung verpflichtet ist. Diese Teilschulden müssen allerdings auf einem einheitlichen Schuldverhältnis beruhen.

Deshalb kann ein Rücktritt von einem gegenseitigen Vertrag nur von allen oder gegenüber allen erklärt werden (§ 351 BGB).

Gesamtgläubiger- und Gesamtschuldnerschaft

Bei einer Gesamtgläubigerschaft kann jeder Gläubiger vom Schuldner die ganze Leistung fordern; der Schuldner braucht aber nur einmal zu leisten (§ 428 S. 1 BGB).5

Gesetzlich vorgesehen ist die Gesamtgläubigerschaft in den §§ 2151 III, 2194 BGB. Im Übrigen muss sie vertraglich vereinbart werden. Dies kommt nur selten vor, zumal bei unteilbaren Leistungen ohnehin regelmäßig eine Gemeinschaftsforderung vorliegt.

Das Außenverhältnis der Gesamtgläubiger zum Schuldner ist in den §§ 428, 429 BGB geregelt.

Mit der Leistung an einen Gläubiger wird der Schuldner von seiner Schuld befreit (§§ 428 S. 1; 429 III 1 i.V.m. § 422 I 1 BGB). Der Schuldner hat die Wahl, an welchen Gläubiger er mit befreiender Wirkung leisten will (§ 428 S. 1 BGB), selbst dann, wenn ein Gläubiger bereits Klage gegen ihn erhoben hat (§ 428 S. 2 BGB). Bei der Befriedigung eines Gläubigers durch Erfüllung, Leistung an Erfüllungs statt, Hinterlegung oder Aufrechnung erlöschen auch die Forderungsrechte der anderen (§§ 429 III 1 i.V.m. § 422 I BGB). Die gleiche Wirkung tritt bei Abschluss eines Erlassvertrages (§ 397 I BGB) ein, sofern der Gläubiger eine entsprechende Verfügungsbefugnis über das gesamte Schuldverhältnis hat.6 Die Gesamtforderungen aller Gläubiger erlöschen auch dann, wenn sich Forderung und Schuld in einer Person vereinigen (§ 429 II BGB, Konfusion). Der Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) nur eines Gläubigers wirkt auch gegen die übrigen (§ 429 I BGB), weil die Annahme die Erfüllung bewirkt hätte. Alle anderen in der Person eines Gläubigers eintretenden Tatsachen wirken nur im Verhältnis zwischen ihm und dem Schuldner (§ 429 III 1 i.V.m. § 425 BGB; Einzelwirkung).7

Das Innenverhältnis der Gesamtgläubiger ist in § 430 BGB geregelt. Danach sind die Gesamtgläubiger im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen berechtigt, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.

§ 430 BGB ist eine eigene Anspruchsgrundlage 8 und begründet für den Leistungsempfänger eine Ausgleichspflicht gegenüber seinen Mitgläubigern. Mit der Leistung des Schuldners entsteht unter den Gläubigern eine Ausgleichspflicht, und zwar zu gleichen Teilen, sofern die Gläubiger den Innenausgleich nicht abweichend vereinbart haben.

Eine Gesamtschuldnerschaft liegt vor, wenn mehrere Schuldner eine Leistung in der Weise zu bewirken haben, dass der Gläubiger sie nach seinem Belieben von jedem Schuldner ganz oder teilweise, insgesamt aber nur einmal fordern kann (§ 421 S. 1 BGB).

Es handelt sich um die bei weitem häufigste Form einer Schuldnermehrheit; sie soll deshalb vertieft betrachtet werden

Gläubiger- und Schuldnergemeinschaft

Bei einer Gläubigergemeinschaft steht die Forderung den Gläubigern nur gemeinsam zu.9 Die Leistung kann nur an alle Gläubiger gemeinsam erbracht werden.

Eine gemeinschaftliche Forderungsberechtigung gibt es bei Gesamthandsgemeinschaften 10, bei der Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) und bei Schuldverhältnissen, die auf eine unteilbare Leistung gerichtet sind (§ 432 BGB). Gehört die Forderung zu einem gesamthänderisch gebundenen Sondervermögen, das gegenüber den Privatvermögen der Gesamthänder verselbständigt ist, kann sie regelmäßig nur von allen gemeinsam (vgl. § 709 I BGB) oder von einem besonders bestellten Verwalter oder Geschäftsführer geltend gemacht werden. Bei einer Bruchteilsgemeinschaft steht jedem Gläubiger eines einzelnen Rechts nur ein ideeller Bruchteil zu11 Anders als bei der der Teilgläubigerschaft ist der Gegenstand, auf den sich die Gemeinschaft bezieht, nicht real geteilt; jeder Gläubiger hat nur ein durch die Mitberechtigung der übrigen Gläubiger beschränktes (ideelles) Recht an dem (real) ungeteilten Gegenstand. Über seinen ideellen Anteil an dem Gegenstand kann aber jeder Gläubiger – anders als Gesamthänder einer Gesamthandsgemeinschaft – selbständig verfügen (§ 747 S. 1 BGB). Eine gemeinschaftliche Berechtigung mehrerer Gläubiger entsteht schließlich dann, wenn die Forderung auf eine unteilbare Leistung gerichtet ist und keine Gesamtgläubigerschaft vorliegt (§ 432 I BGB). Da in diesem Fall die Gläubiger nur gemeinsam empfangsberechtigt sind, befreit die Leistung an nur einen von ihnen den Schuldner nicht. Eine entsprechende Anwendung der §§ 422, 423 BGB kommt nicht in Betracht. Tatsachen, die nur in der Person eines Gläubigers eintreten, wirken nicht für und gegen die übrigen Gläubiger (§ 432 II BGB). Das Innenverhältnis der Gemeinschaftsgläubiger richtet sich nach den §§ 741 ff. BGB, soweit nicht andere gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Regelungen eingreifen.

Eine Schuldnergemeinschaft liegt vor, wenn sich eine Forderung gegen mehrere Personen gemeinsam richtet, die Leistung also nur von allen gemeinsam zu erbringen ist.

Im Gesetz ist sie nur für Gesamthandsgemeinschaften vorgesehen. Für eine Gesamthandsschuld haben alle Gesamthänder gemeinsam mit dem gesamthänderisch gebundenen Sondervermögen einzustehen. Beispiel: V verkauft an K einen Gegenstand, stirbt aber vor der Erfüllung des Vertrags und wird durch E1 und E2 beerbt. E1 und E2 bilden eine Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB) und schulden dem K gemeinsam die Übergabe und Übereignung des Gegenstandes (§ 2059 II BGB).


  1. Zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 36 Rn. 1 – 5.
  2. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 1108.
  3. BGH, Urt. v. 18.06.1979 – VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26 ff.
  4. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 1106.
  5. Zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 37 Rn. 32 – 36.
  6. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 1111.
  7. Beispiel: Die Verjährung läuft gegen jeden Gläubiger gesondert.
  8. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 1111.
  9. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 38 Rn. 1 – 13.
  10. Dies sind die GbR (§ 705 BGB), die Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) und die Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB).
  11. Der praktisch wichtigste Fall einer Bruchteilsgemeinschaft ist das Miteigentum nach Bruchteilen (§§ 1008 ff. BGB).