Materiell-rechtliches Gutachten

Überblick - Materiell-rechtliches Gutachten

In diesem Exkurs wird das materiell-rechtliche Gutachten der Anklageklausur detailliert dargestellt.

I. Grundsätzlich

Das materiell-rechtliche Gutachten ist in der Staatsanwaltsklausur der mit Abstand wichtigste Teil. Grundsätzlich ist hinsichtlich des materiell-rechtlichen Gutachtens an das erste Examen zu erinnern. Hierzu gibt es starke Parallelen, jedoch auch Besonderheiten.

II. Besonderheiten

1. Hinreichender Tatverdacht

Im materiell-rechtlichen Gutachten der Anklageklausur wird nicht mehr von der Strafbarkeit der Beteiligten gesprochen, sondern vom hinreichenden Tatverdacht. Der hinreichende Tatverdacht ist gegeben, wenn eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht, vgl. §§ 170 I, 203 StPO.

2. BGH/OLG zugrunde legen

Zudem werden den Erwägungen keine Auffassungen der Literatur mehr zugrunde gelegt. Vielmehr folgt der Verfasser ausschließlich der höchstrichterlichen Rechtssprechung, also dem Bundesgerichtshof oder den jeweiligen letztinstanzlich agierenden Oberlandesgerichten. Davon ist eine Ausnahme nur dann vorstellbar, wenn es zu dem Thema seit Jahrzehnten keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt oder der Bundesgerichtshof geneigt ist, seine Rechtsprechung aufzugeben.

3. Feststellungsstil

Ferner wird der Gutachtenstill nur im Ausnahmefall bei Problematischem angewendet. Bestimmend ist aufgrund der Zeitnot hingegen der Feststellungsstil.

4. Beweiswürdigung/Beweisverwertungsverbote

Darüber hinaus existiert im Gegensatz zum ersten Examen kein festgestellter Sachverhalt, sodass die Beweiswürdigung vorzunehmen ist. Eventuell ist auch über Beweisverwertungsverbote nachzudenken. Einzelheiten zu den Beweisverwertungsverboten können einem gesonderten Exkurs entnommen werden.

5. Konkurrenzen

Im zweiten Examen spielen des Weiteren die Konkurrenzen eine deutlich wichtigere Rolle, da diese für die Einstellungen, den abstrakten Anklagesatz, die Strafzumessung und damit auch für die Zuständigkeit des Gerichts relevant sind.

6. Verfahrensvoraussetzungen

Die Verfahrensvoraussetzungen, üblicherweise erörtert unter dem Punkt „Strafe“, können im zweiten Examen vor dem Tatbestand geprüft werden. Beispiele: Fehlender Strafantrag oder Strafklageverbrauch. Details zu den Verfahrensvoraussetzungen werden in einem gesonderten Exkurs erläutert.

7. "Springen" erlaubt

Zuletzt ist zu beachten, dass der Verfasser Tatbestandsmerkmale offen lassen darf. Sollte es beispielsweise beim Diebstahl im Rahmen der Wegnahme einen Streit geben sollte, muss der nicht zwingend geführt werden, wenn offensichtlich der Vorsatz nicht besteht.

 

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