Leistungsort und Leistungszeit

Leistungsort und Leistungszeit

Der Schuldner muss die Leistung am richtigen Ort und zur richtigen Zeit erbringen.

Leistungsort

Der Schuldner muss die Leistung auch am richtigen Ort erbringen.1 Nur die Leistung am richtigen Ort befreit den Schuldner von seiner Verbindlichkeit.

Eine Leistung am falschen Ort berechtigt den Gläubiger zur Ablehnung; der Gläubiger kommt nicht in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB), der Schuldner jedoch in Schuldnerverzug (§ 286 BGB).2

Unter dem Leistungsort versteht man den Ort, an dem Schuldner die Leistungshandlung vorzunehmen hat. Davon zu unterscheiden ist der Erfolgsort, an dem der Leistungserfolg eintreten muss.

Teilweise spricht das Gesetz von dem Erfüllungsort.3 Obgleich die Erfüllung (§ 362 BGB) den Eintritt des Leistungserfolges voraussetzt, ist damit aber nicht der Erfolgsort, sondern der Leistungsort gemeint.4

Leistungsort und Erfolgsort können zusammentreffen (Holschuld, Bringschuld), aber auch auseinanderfallen (Schickschuld).

Bei der Holschuld muss der Gläubiger die Leistung beim Schuldner abholen. Leistungs- und Erfolgsort liegen beim Schuldner.

Bei der Bringschuld muss der Schuldner die Leistungshandlung beim Gläubiger vornehmen und dort auch den Leistungserfolg herbeiführen. Leistungs- und Erfolgsort liegen beim Gläubiger.

Bei der Schickschuld muss der Schuldner dem Gläubiger die Sache zusenden. Der Leistungsort liegt beim Schuldner. Er nimmt die Leistungshandlung vor, indem er die Sache an eine geeignete Transportperson übergibt. Der Erfolgsort liegt jedoch beim Gläubiger. Beispiel: Versendungskauf (§ 447 BGB).

Gibt es keine Sonderregelung, die den Leistungsort bestimmt,5 ist zur Klärung die Frage, welche Schuldform im Einzelfall vorliegt, die Vorschrift des § 269 BGB heranzuziehen.

Nach § 269 I BGB kommt es primär auf die Parteivereinbarung an, die ausdrücklich oder konkludent geschlossen werden kann.6 Die Abrede, dass der Schuldner die Kosten der Versendung übernimmt, spricht allein noch nicht dafür, dass der Leistungsort beim Gläubiger sein soll und eine Bringschuld vorliegt (§ 269 III BGB). Fehlt eine Parteivereinbarung, ist der Leistungsort nach § 269 I BGB anhand der Umstände, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses zu entnehmen. Dabei sind die Verkehrssitte (§ 157 BGB) und bei Geschäften des Handelsverkehrs der Handelsbrauch zu berücksichtigen. Lässt sich danach noch immer nicht feststellen, wo sich der Leistungsort befindet, so greift die Regelung in § 269 I Hs. 2 BGB. Danach ist die Leistung an dem Ort zu erbringen, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz – bzw. bei gewerblichen Verpflichtungen seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 II BGB) – hatte. Daraus folgt aber nur, dass im Zweifel keine Bringschuld vorliegt.7 Ob eine Hol- oder eine Schickschuld vorliegt, ist damit noch nicht geklärt. § 269 BGB legt nämlich nur fest, wo der Leistungsort vorliegt. Zum Erfolgsort trifft die Vorschrift hingegen keine Aussage. Wo der Erfolgsort liegt, muss erneut durch Auslegung ermittelt werden.

Leistungszeit

Der Schuldner muss die Leistung zur richtigen Zeit erbringen.8 Bei der Leistungszeit ist zwischen der Fälligkeit und der Erfüllbarkeit zu unterscheiden. Fälligkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Gläubiger die Leistung verlangen kann, der Schuldner also spätestens leisten muss,9 Erfüllbarkeit hingegen der Zeitpunkt, in dem der Schuldner frühestens leisten darf.

Sobald die Leistung erfüllbar ist, kann der Schuldner den Gläubiger durch ein ordnungsgemäßes Angebot in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) versetzen. Die Fälligkeit ist hingegen Voraussetzung für die Erhebung der Leistungsklage (Ausnahme: §§ 257 ff. ZPO) und relevant für die Frage, ob der Schuldner bei Nichtleistung unter den Voraussetzungen des § 286 BGB im Schuldnerverzug ist.

Die Leistungszeit bestimmt sich primär nach der Parteivereinbarung.10 Für Termine und Fristen gelten die Regeln der §§ 187 – 193 BGB. Bei Vereinbarung durch AGB ist § 308 Nr. 1 BGB zu beachten.11 Ist im Vertrag eine Zeit bestimmt, ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Gläubiger die Leistung erst in diesem Zeitpunkt verlangen kann (Fälligkeit), der Schuldner aber bereits vorher leisten darf (Erfüllbarkeit), § 271 II BGB. Bei Vereinbarungen über Zahlungs-, Überprüfungs- und Abnahmefristen ist § 271a BGB zu beachten.

Durch eine Stundung wird die Fälligkeit der Forderung hinausgeschoben. Die Forderung bleibt für den Schuldner aber weiterhin erfüllbar.12

Von der Stundung zu unterscheiden ist eine Vereinbarung, die Forderung zeitweilig oder gar nicht geltend zu machen (pactum de non petendo). Sie gibt dem Schuldner zwar ebenfalls eine rechtshemmende Einrede im Prozess und hemmt die Verjährung der Forderung gemäß § 205 BGB; die Fälligkeit bleibt aber bis zur Erhebung der Einrede bestehen.13

Sofern sich anhand der Parteivereinbarung keine genaue Leistungszeit ermitteln lässt, können gesetzliche Sonderregelungen herangezogen werden.14

Sollten auch diese keinen Aufschluss geben, greift die allgemeine Vorschrift des § 271 BGB. Es ist zunächst auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Lässt sich auch durch diese keine Leistungszeit ermitteln, kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen (Fälligkeit), der Schuldner sie sofort bewirken (Erfüllbarkeit), § 271 I BGB. „Sofort“ bedeutet (anders als „unverzüglich“, § 121 I 1 BGB), dass der Schuldner die Leistungshandlung innerhalb eines Zeitraumes vornehmen muss, der nach objektiven Maßstäben, der Art der geschuldeten Leistung und den sonstigen Umständen für die Bewirkung der Leistung erforderlich ist.15

Für den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I BGB) gilt die modifizierende Sonderregelung des § 475 I BGB


  1. Zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 72 – 79.
  2. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 12 Rn. 11.
  3. Beispiele: §§ 447, 448, 644 II BGB, 29 ZPO.
  4. Die Begriffe Leistungsort und Erfüllungsort werden synonym verwandt (BGH, Versäumnisurt. v. 06.11.2013 – VIII ZR 353/12, Rn. 12).
  5. Beispiele: §§ 374, 604 I, 700 I, 811 BGB.
  6. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, Rn. 29 (zum Erfüllungsort der Nacherfüllung im Kaufrecht).
  7. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 79; a. A. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 12 Rn. 12: Holschuld als „gesetzlicher Regelfall).
  8. Zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 80 – 91.
  9. BGH, Urt. v. 11.12.2013 – IV ZR 46/13, Rn. 22; BGH, Urt. v. 01.02.2007 – III ZR 159/06, Rn. 16.
  10. Siehe hierzu den Fall: „Rücktritt wegen verspäteter Zahlung“.
  11. Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 271 Rn. 3.
  12. Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 271 Rn. 4.
  13. Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 271 Rn. 5.
  14. Beispiele: §§ 488 III, 556b, 608, 614, 641 I, 695, 721, 1361 IV 2, 1585 I 2, 1612 III 1, 2181 BGB, 798 ZPO.
  15. Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 271 Rn. 9.