Klagerücknahme
Exkurs ZPO I 12: Klagerücknahme, Klageänderung, Parteiänderung
Klagerücknahme
Als Ausfluss der Dispositionsmaxime kann der Kläger seine Klage auch wieder zurücknehmen. Damit entfällt ihre Rechtshängigkeit (§ 269 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es kommt also nicht zu einer rechtskräftigen Entscheidung, so dass der Kläger denselben Streitgegenstand später noch einmal mit einer Klage verfolgen könnte. Das ist beispielsweise denkbar, wenn er Grund zu der Annahme hat, fehlende Beweismittel später noch beschaffen zu können. Nach Rücknahme der Klage trägt er grundsätzlich die Kosten des Rechtsstreits (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Allerdings reduzieren sich die Gerichtsgebühren von 3,0 auf 1,0.
Allerdings bestimmt § 269 Abs. 1 ZPO, dass die Klagerücknahme mit dem Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten nur noch mit dessen Einwilligung wirksam ist. Die mündliche Verhandlung des Beklagten beginnt, wenn dieser im Termin seinen Antrag auf Klageabweisung gestellt hat. Der Beklagte kann die Einwilligung ausdrücklich erteilen. Tut er dies nicht, wird sie fingiert, wenn er auf den Schriftsatz, in dem die Rücknahme erklärt wird, binnen einer Notfrist von zwei Wochen seit Zustellung nicht widersprochen hat (§ 269 Abs. 2 ZPO). Willigt der Beklagte nicht ein, bleibt die Klage rechtshängig und wird im Zweifel abgewiesen, ggf. durch Verzichtsurteil (§ 306 ZPO).
Klageänderung
Eine Klageänderung setzt voraus, dass der Kläger den Streitgegenstand ändert, also seinen Antrag und/oder den Lebenssachverhalt.
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Ändert er nur den Antrag, indem er beispielsweise seine Klage von 5.000,00 auf 10.000,00 Euro erhöht, ist die Klageänderung stets zulässig (§ 264 Nr. 2, 3 ZPO).
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Ändert sich dagegen (auch) der Lebenssachverhalt, kommt es nach § 263 ZPO darauf an, ob der Beklagte in die Änderung einwilligt. Seine Einwilligung wird nach § 267 ZPO fingiert, wenn er sich auf die geänderte Klage eingelassen hat, ohne die Unzulässigkeit der Klageänderung zu rügen. Ohne die Einwilligung des Beklagten ist die Klageänderung zulässig, wenn das Gericht sie für sachdienlich hält. Sachdienlichkeit liegt vor, wenn der bisherige Prozessstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die Zulassung die endgültige Beilegung des Streits fördert und einen neuen Prozess vermeidet.
Eine Änderung des Lebenssachverhalts liegt auch dann vor, wenn der Kläger seine Klage zunächst auf einen eigenen Anspruch stützt, sodann aber aus abgetretenem Recht vorgeht, nachdem sich in der Beweisaufnahme herausgestellt hat, dass der Anspruch nicht ihm, sondern einem Dritten zusteht.
Reduziert der Kläger seinen Anspruch, liegt hierin sowohl eine stets zulässige Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO) als auch eine Teil-Rücknahme der Klage, die nach Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten dessen Einwilligung voraussetzt (§ 269 Abs. 1 ZPO). Dieser Konflikt lässt sich aus dem Gesetz heraus nicht lösen. Überwiegend wird nur § 269 Abs. 1 ZPO angewendet.
Parteiänderung
Neben einer Änderung des Streitgegenstandes kann es im Laufe des Prozesses auch zu einer Änderung der beteiligten Parteien kommen.
- Gesetzlicher Parteiwechsel
Die ZPO kennt benennt verschiedene Konstellationen, in denen es zu einem Parteiwechsel kraft Gesetzes kommt:
- Tod einer Partei (§§ 239 ZPO)
Stirbt eine Partei, wird das Verfahren unterbrochen, bis es durch den Rechtsnachfolger aufgenommen wird.
- Insolvenzeröffnung (§ 240 ZPO)
Wird über das Vermögen einer Partei das Insolvenzverfahren eröffnet, kommt es nur dann zur Unterbrechung, wenn das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft. Die Unterbrechung endet, wenn es vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger nach den Vorschriften der Insolvenzordnung aufgenommen wird.
- Wird der Gegenstand des Verfahrens nach Rechtshängigkeit veräußert oder abgetreten, hat dies zunächst keinen Einfluss auf die Parteistellung (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Rechtsnachfolger kann jedoch den Prozess an der Stelle seines Vorgängers aufnehmen, wenn der Gegner zustimmt (Satz 2).
- Gewillkürter Parteiänderung
Parteiänderungen, die allein auf dem Willen der Prozessparteien beruhen, sieht die ZPO nicht vor, sind jedoch allgemein anerkannt, wenn auch ihre Voraussetzungen nicht einheitlich bestimmt werden.
Die praktisch wichtigsten Fälle sind der Beklagtenwechsel und der Beitritt eines weiteren Beklagten.
- Gewillkürter Beklagtenwechsel
Stellt der Kläger, beispielsweise nach einer Beweisaufnahme fest, dass er den falschen Beklagten in Anspruch genommen hat, kann er die Klage zurücknehmen und gegen den richtigen Beklagten neu erheben. In Betracht kommt aber auch die Auswechslung des Beklagten.
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Nach der Rechtsprechung ist hierfür die Einwilligung des neuen Beklagten erforderlich, die entsprechend § 267 ZPO auch fingiert werden kann. Verweigert dieser die Einwilligung, wird er trotzdem in den Prozess gezogen, wenn das Gericht dies für sachdienlich hält (§ 263 ZPO analog).
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Dagegen wird teilweise eingewandt, dass es sich ein Beklagter auch sonst nicht aussuchen könne, ob er verklagt werden möchte. Diese Auffassung sieht im gewillkürten Beklagten ein Institut sui generis und wendet die Vorschriften zur Klageänderung nicht analog an.
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Einigkeit besteht jedoch darüber, dass der neue Beklagte ohne seine Einwilligung nicht an die bisherige Prozesslage gebunden wird. So müsste beispielsweise eine Beweisaufnahme wiederholt werden.
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Neben dem Eintritt des neuen Beklagten kommt es darauf an, ob der bisherige Beklagte wirksam aus dem Prozess ausgeschieden ist. Hierauf wird allgemein § 269 ZPO angewendet. Seine Einwilligung ist also erst dann erforderlich, wenn er bereits zur Hauptsache verhandelt hat (Abs. 1).
- Gewillkürter Beklagtenbeitritt
Statt einer Auswechslung des Beklagten kann es auch zum Beitritt eines neuen dem bisherigen Beklagten kommen. So kann der Kläger ein Interesse daran haben, seine Klage auf einen weiteren Gesamtschuldner zu erstrecken, der ihm erst im Laufe des Verfahrens bekannt geworden ist.
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Die Rechtsprechung wendet auch hierauf §§ 263, 267 ZPO analog an und verlangt deshalb die Einwilligung des neuen Beklagten bzw. die Sachdienlichkeit des Beitritts.< Auch hier wird dieses Erfordernis in der Literatur abgelehnt.
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Die Beklagten müssen (einfache) Streitgenossen sein.
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Der neue Beklagte wird ohne seine Einwilligung nicht an die bisherige Prozesslage gebunden.
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Es ist keine Einwilligung des bisherigen Beklagten erforderlich.
BGH VI ZR 219/98
BGH VIII ZR 19/04
Vgl. OLG Düsseldorf VI-U (Kart) 11/11 m.w.N.; in der Tendenz wohl auch BGH V ZR 48/89
BGH II ZR 202/60
BGH VII ZR 209/94