Irrtümer über Rechtfertigungsgründe

1. Examen/SR/AT 2

Prüfungsschema: Irrtümer über Rechtfertigungsgründe

 

I. Erlaubnisirrtümer

  • Sachverhalt wird richtig erfasst, aber falsch bewertet (Wertungsirrtum).

1. Erlaubnisexistenzirrtum  

  • Der Täter stellt sich vor, sein Verhalten sei durch einen in Wahrheit nicht existierenden Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt.
  • Beispiel: Täter denkt, es gäbe ein Züchtigungsrecht für Lehrer.
  • Rechtsfolge: § 17 StGB (ghM)

2. Erlaubnisgrenzirrtum

  • Der Täter überdehnt die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes.
  • Beispiel: Täter denkt, das Festnahmerecht gelte auch für Ordnungswidrigkeiten.
  • Rechtsfolge: § 17 StGB (ghM)

II. Erlaubnistatbestandsirrtum (ETI)

  • Der Täter nimmt irrig Umstände an, bei deren Vorliegen sein Handeln gerechtfertigt wäre.
  • Beispiel: A rettet die bewusstlose B aus einem See und versucht, sie wiederzubeleben. C denkt, A vergreift sich an der B und schlägt A daraufhin nieder.
  • Problem: Rechtsfolge des ETI
  • aA (Vorsatztheorie): Unrechtsbewusstsein ist Teil des Vorsatzes, sodass ein Tatbestandsirrtum vorliegt und der Tatbestandsvorsatz nach § 16 I 1 StGB entfällt.
  • aA (Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen): Rechtfertigungsvoraussetzungen sind negative Tatbestandsmerkmale. Die Vorstellung vom Fehlen dieser negativen Tatbestandsmerkmale ist wiederum Teil des Vorsatzes, sodass der Tatbestandsvorsatz beim ETI nach § 16 I 1 StGB entfällt.
  • aA (Lehre vom Ausschluss des Vorsatzunrechts): Unrechtsbewusstsein ist Teil des Vorsatzunrechts, sodass die Rechtswidrigkeit nach § 16 I 1 StGB analog entfällt.
  • hM (Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie): Unrechtsbewusstsein ist Teil der Vorsatzschuld, sodass derjenige, der irrig eine rechtfertigende Sachlage annimmt, nach § 16 I 1 StGB analog schuldlos handelt;
    Arg
    .: Sachverhaltsirrtum; Notwehrrecht und Teilnehmerstrafbarkeit bleiben erhalten.
  • aA (Strenge Schuldtheorie): Unrechtsbewusstsein ist selbständiges Schuldelement, sodass der ETI dem Verbotsirrtum gleichzustellen ist; Frage nach Vermeidbarkeit des Irrtums im Rahmen des § 17 StGB; Arg: Irrtum über Rechtfertigungsgrund.