Hinterlegung

Hinterlegung (§§ 372 ff. BGB)

Die Hinterlegung ermöglicht es dem Schuldner, sich von seiner Verbindlichkeit vorläufig (§ 379 I BGB, Einrede) oder endgültig (§ 378 BGB, Erfüllungssurrogat) zu befreien.1

Von der Hinterlegung als Erfüllungssurrogat i.S.v. §§ 372 ff. BGB zu unterscheiden sind die Hinterlegung zur Sicherheitsleistung gemäß §§ 232 ff. BGB oder gemäß §§ 707 I, 709 S. 2, 108 ff. ZPO sowie die Hinterlegung bei einem Treuhänder, insbesondere bei einem Notar gemäß § 23 BNotO. Die §§ 372 ff. BGB sind in diesen Fällen nicht anwendbar, auch nicht analog.

Die §§ 372 ff. BGB regeln nur die privatrechtlichen Wirkungen der Hinterlegung. Es wird ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis zwischen der Hinterlegungsstelle (Amtsgericht) und dem Hinterleger mit Drittwirkung zugunsten des Gläubigers begründet. Nähere Einzelheiten regeln die Hinterlegungsgesetze der einzelnen Bundesländer.2

Die dingliche Rechtslage an dem hinterlegten Gegenstand ändert sich nicht bereits durch die Hinterlegung. Der Schuldner bringt zwar durch die Hinterlegung i.d.R. das Angebot zur Übereignung zum Ausdruck, bleibt aber bis zu dessen Annahme durch den Gläubiger Eigentümer des hinterlegten Gegenstandes.

Der Schuldner ist nach den §§ 372 ff. BGB berechtigt,3 einen geschuldeten Gegenstand für den Gläubiger bei einer öffentlichen Stelle (Hinterlegungsstelle) zu hinterlegen, wenn die Sache hinterlegungsfähig ist und ein Hinterlegungsgrund besteht.4

Hinterlegungsfähiger Gegenstand

Hinterlegungsfähig sind nach § 372 S. 1 BGB grundsätzlich5 nur (auch ausländisches6) Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten. Die Sache muss sich stets zur Hinterlegung eignen.7

Kostbarkeiten sind bewegliche Sachen, die unverderblich und leicht aufzubewahren sind und deren Wert nach der Verkehrsauffassung im Verhältnis zur Größe und Gewicht verglichen mit anderen Sachen besonders hoch ist.8 Beispiele: Ring, Kette, Uhr, Edelstein, Kunstgegenstände.9

Hinterlegungsgrund

Ein Hinterlegungsgrund ist gegeben, wenn der Gläubiger im Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) ist (§ 372 S. 1 BGB) oder wenn der Schuldner aus einem anderen in der Person des Gläubigers liegenden Grund10 oder infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann (§ 372 S. 2 BGB). Im letzten Fall kann sich die Unsicherheit auch auf tatsächliche oder rechtliche Umstände (z. B. unsichere Erbfolge oder zweifelhaft wirksame bzw. mehrfache Abtretung) beziehen; es müssen aber bei einer Prüfung mit verkehrsüblicher Sorgfalt objektiv verständliche Zweifel über die Person des Gläubigers bestehen und für den Schuldner muss es aufgrund der Gesamtumstände nicht zumutbar sein, die Zweifel auf eigene Gefahr zu beseitigen.11

Rechtsfolgen

Die Rechtsfolgen der Hinterlegung im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger ergeben sich aus den §§ 373 ff. BGB. Entscheidend ist, ob der Schuldner noch ein Rücknahmerecht hat oder nicht.

Solange der Schuldner das Recht hat, die hinterlegte Sache zurückzunehmen (§ 376 I BGB), wird durch die Hinterlegung die Schuld nicht zum Erlöschen gebracht (arg. e § 378 BGB).12 Er kann den Gläubiger aber auf die hinterlegte Sache verweisen (§ 379 I BGB)13 und der Gläubiger trägt die Preisgefahr (§ 379 II BGB), d. h. er hat die Gegenleistung auch bei einer Verschlechterung oder dem Untergang der Sache während der Hinterlegung zu erbringen.14 Der Schuldner braucht auch keine Zinsen zu zahlen oder Ersatz für nicht gezogene Nutzungen zu leisten (§ 379 II BGB). Nimmt er die hinterlegte Sache jedoch zurück, gilt die Hinterlegung als nicht erfolgt (§ 379 III BGB); die Rechtsfolgen der Hinterlegung entfallen dann rückwirkend (ex tunc).15

Das Rücknahmerecht des Schuldner ist als Gestaltungsrecht nicht pfändbar (§ 377 I BGB).16 Damit ist es nach §§ 413, 400 BGB auch nicht abtretbar und fällt bei Insolvenz des Schuldners gemäß § 36 I InsO nicht in die Insolvenzmasse, sodass es auch nicht von der nach § 80 I InsO bestehenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters umfasst ist. Ergänzend ordnet § 377 II BGB an, dass das Rücknahmerecht während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht ohne Zustimmung des Gläubigers ausgeübt werden kann. Dadurch wird eine Ausübung allein durch den Schuldner verhindert. Unberührt bleibt allerdings die Möglichkeit, das Rücknahmerecht durch Verzicht des Schuldners oder durch die Annahme des Gläubigers auszuschließen (§ 376 II Nr. 1 u. 2 BGB).

Die Rücknahme ist gemäß § 376 II BGB ausgeschlossen, wenn der Schuldner gegenüber der Hinterlegungsstelle auf das Rücknahmerecht verzichtet (Nr. 1), wenn der Gläubiger der Hinterlegungsstelle die Annahme erklärt (Nr. 2) oder wenn der Hinterlegungsstelle ein zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner ergangenes17 rechtskräftiges Urteil vorgelegt wird, das die Hinterlegung für rechtmäßig erklärt (Nr. 3). Ist die Rücknahme ausgeschlossen, hat die rechtmäßige18 Hinterlegung schuldbefreiende Wirkung (§ 378 BGB; dann ist sie ein Erfüllungssurrogat).19 Die Forderung erlischt rückwirkend vom Zeitpunkt der Hinterlegung an; akzessorische Sicherheiten werden frei, Zinsen, Vertragsstrafen und andere Verzugsfolgen fallen weg.20

Selbsthilfeverkauf

Ist die geschuldete Sache nicht hinterlegungsfähig (vgl. § 372 S. 1 BGB), kommt für den Schuldner ein Selbsthilfeverkauf (§§ 383 ff. BGB) mit anschließender Hinterlegung des Erlöses in Betracht.

Es müssen mit Ausnahme der Hinterlegungsfähigkeit der geschuldeten Sache sämtliche Voraussetzungen vorliegen, die zur Hinterlegung berechtigen würden. Es gibt also auch hier drei Fälle: Annahmeverzug des Gläubigers, Unmöglichkeit der Erfüllung aus einem anderen in der Person des Gläubigers liegenden Grund oder Unmöglichkeit wegen entschuldbarer Ungewissheit über die Person des Gläubigers (vgl. § 383 I BGB). In den beiden letztgenannten Fällen muss zusätzlich der Verderb der Sache zu besorgen oder die Aufbewahrung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sein (§ 383 I 2 BGB). Außerdem ist grundsätzlich eine Androhung der Versteigerung erforderlich (§ 384 I, III BGB). Die Durchführung erfolgt durch öffentliche Versteigerung (§§ 383 I – III, 156, 450 f. BGB) oder durch freihändigen Verkauf (§ 385 BGB).


  1. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, Vor § 372 Rn. 1 – 3.
  2. Die Hinterlegungsordnung des Bundes ist am 01.12.2010 außer Kraft getreten.
  3. Eine Verpflichtung zur Hinterlegung kann sich ausnahmsweise aus einer Vereinbarung oder dem Gesetz (z. B. §§ 432 I 2, 660 II Hs. 2, 1077 I 2 Hs. 2, 1281 S. 2 Hs. 2, 2039 S. 2 BGB). Dann ist der Schuldner naturgemäß auch zur Hinterlegung berechtigt, d.h. es liegt ein Hinterlegungsgrund vor.
  4. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 15 Rn. 1; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 372 Rn. 1.
  5. Für den Handelskauf eröffnet § 373 HGB dem Verkäufer hingegen eine Hinterlegungsmöglichkeit für Waren aller Art.
  6. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 372 Rn. 2.
  7. Bei Tieren ist dies nicht der Fall (Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 15 Rn. 3).
  8. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 372 Rn. 2.
  9. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 15 Rn. 3.
  10. Beispiele: Geschäftsunfähigkeit oder beschränkte Geschäftsfähigkeit bei Fehlen eines gesetzlichen Vertreters, unbekannter Aufenthalt oder Verschollenheit (Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 372 Rn. 3).
  11. BGH, Urt. v. 12.02.2003 – XII ZR 23/00, NJW 2003, 1809, 1810; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 372 Rn. 3.
  12. Zum argumentum e contrario (Umkehrschluss) siehe Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 296.
  13. Hierbei handelt es sich um ein Leistungsverweigerungsrecht, das im Prozess als Einrede geltend gemacht werden muss (Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 286; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 379 Rn. 1).
  14. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 379 Rn. 2.
  15. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 15 Rn. 7; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 379 Rn. 3.
  16. Zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 377 Rn. 1.
  17. Das Urteil muss stets in einem Rechtsstreit zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger ergangen sein. Ein Urteil in einem Prätendentenstreit des wahren Rechtsinhabers gegen die anderen Prätendenten gemäß § 812 I 1 Alt. 2 BGB auf Einwilligung in die Freigabe der hinterlegten Sache (BGH, Urt. v. 30.01.2015 – V ZR 63/13, Rn. 8; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 284), reicht nicht aus (Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 376 Rn. 2 u. 4).
  18. § 378 BGB bezieht sich auf die rechtmäßige Hinterlegung unter den Voraussetzungen des § 372 BGB. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, tritt Erfüllungswirkung erst bei Annahme der Erfüllung durch den Gläubiger ein (Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 378 Rn. 1).
  19. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 15 Rn. 10; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 376 Rn. 3.
  20. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 378 Rn. 1.