Gutachten bei vollständiger einseitiger Erledigungserklärung
Aufbau der Prüfung - Vollständige einseitige Erledigungserklärung (Behandlung im Gutachten)
In diesem Exkurs wird das Gutachten bei der vollständigen einseitigen Erledigungserklärung dargestellt. Beispiel: A klagt gegenüber B 1.000 Euro ein. Die Klage wird dem B zugestellt, es tritt also Rechtshängigkeit ein. B entscheidet sich, den von A geforderten Betrag zu bezahlen. Damit tritt auf Klägerseite ein Problem ein, da die ursprünglich begründete Klage durch die Zahlung des B an A unbegründet wird. Denn durch die Zahlung des B an A ist Erfüllung gemäß § 362 BGB eingetreten. A wird sodann derart reagieren, dass er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. In diesem Fall kann der B sich auf zweierlei Weise verhalten: Er kann der Erledigungserklärung zustimmen oder ihr widersprechen. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass B der Erledigungserklärung des A widerspricht. Dies kann er ausdrücklich tun oder einfach Klageabweisung beantragen. Das Gutachten wird im Rahmen der vollständigen einseitigen Erledigungserklärung in vier Schritten geprüft: Auslegung der Erklärung als einseitige Erledigungserklärung, Zulässigkeit der Klageänderung, Zulässigkeit der Klage und Begründetheit der Klage.
I. Auslegung der Erklärung als einseitige Erledigungserklärung
Bei der Auslegung der Erklärung als einseitige Erledigungserklärung ist die einseitige Erledigungserklärung von der übereinstimmenden Erledigungserklärung abzugrenzen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass § 91a I ZPO am Ende eine Fiktion erhält. Wenn er Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht binnen zwei Wochen widerspricht und auf diese Folge auch hingewiesen worden ist, wird fingiert, dass er zustimmt. In der Klausur wird es in der Regel so sein, dass es an dem Hinweis mangelt. Daher ist sauber abzugrenzen, da sich der weitere Verlauf des Gutachtens an dieser Stelle entscheidet. Weiterhin ist es wichtig, darauf zu achten, ob die Erklärung wirksam ist. Bei den Prozesshandlungsvoraussetzungen gilt nach § 91a ZPO i.V.m. § 78 III ZPO, dass für die Abgabe der Erledigungserklärung kein Anwaltszwang vorgesehen ist. Denn § 78 III ZPO regelt, dass die Erledigungserklärung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden kann.
II. Zulässigkeit der Klageänderung
Sodann erfolgt die Prüfung der Zulässigkeit der Klageänderung. Eine einseitige Erledigungserklärung stellt eine Klageänderung in eine Feststellungsklage dar. Ursprünglich hat der Kläger eine Leistungsklage erhoben, gerichtet auf Zahlung von 1.000 Euro. Nachdem er den Rechtsstreit für erledigt erklärt hat, versteht der Richter dies als Feststellungsklage. Diese Klageänderung in eine Feststellungsklage ist nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässig. Hieran schließt sich die Prüfung der Zulässigkeit der Klage an. Aufgrund der Klageänderung ist an dieser Stelle nun die Zulässigkeit der Feststellungsklage zu erörtern.
III. Zulässigkeit der Klage (Feststellungsklage)
Die Zulässigkeit der Feststellungsklage gliedert sich in die allgemeinen und die besonderen Prozessvoraussetzungen. Besondere Prozessvoraussetzung ist das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO. Dieses liegt in diesem Fall im Kosteninteresse. Denn der Kläger möchte vermeiden die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Schließlich war die Klage ursprünglich zulässig und begründet. Nur weil der Beklagte die 1.000 Euro nach Zustellung der Klage bezahlt hat, ist die ursprünglich zulässige und begründete Klage unbegründet geworden. Handelte der Kläger nicht, würde er die Kosten des Rechtsstreits, also Gerichtsgebühren und Anwaltskosten, tragen.
IV. Begründetheit der Klage (Feststellungsklage)
Zuletzt wird die Begründetheit der Feststellungsklage geprüft. Die Begründetheit der Feststellungsklage bei der einseitigen Erledigungserklärung prüft man in vier Stufen: Zulässigkeit der ursprünglichen Klage, Begründetheit der ursprünglichen Klage, tatsächlich erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit, das zur nachträglichen Unzulässigkeit und/oder Unbegründetheit der ursprünglichen Klage führt.
1. Zulässigkeit der ursprünglichen Klage
Zunächst ist somit die Zulässigkeit der ursprünglichen Klage, also der Leistungsklage, nach dem üblichen Schema zu prüfen.
2. Begründetheit der ursprünglichen Klage
Daran schließt sich die Erörterung der Begründetheit der ursprünglichen Klage an. Da es sich hierbei um eine Leistungsklage gehandelt hat, ist zu prüfen, ob der Anspruch bestanden hat. Folglich ist die entsprechende Anspruchsgrundlage zu suchen und durchzuprüfen.
3. Tatsächlich erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit
Ferner muss ein tatsächlich erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit gegeben sein. Ein tatsächliches Ereignis ist bei einer Zahlungsklage die Zahlung, bei einer Herausgabeklage die Herausgabe etc. Dieses Ereignis muss zudem nach Rechtshängigkeit eingetreten sein, also zu dem Zeitpunkt, als die Klage dem Beklagten schon zugestellt war.
4. Unzulässigkeit und/oder Unbegründetheit der ursprünglichen Klage aufgrund des erledigenden Ereignisses
Dieses erledigende Ereignis muss dann zur Unzulässigkeit und/oder Unbegründetheit der ursprünglichen Klage geführt habe. Es kommt selten vor, dass eine Klage durch das erledigende Ereignis unzulässig wird. Üblicherweise wird die Klage dadurch unbegründet. Beispiel: Durch die Zahlung der 1.000 Euro ist die ursprüngliche Klage des A deshalb unbegründet geworden, weil nach § 362 BGB Erfüllung eingetreten ist. Mithin ist der Klageantrag erloschen. Liegen diese vier Voraussetzungen vor, ist die Feststellungsklage begründet, sodass ihr stattzugeben ist.