Grund- und Schlussurteil

22) Grund- und Schlussurteil

Ein Grundurteil erfasst nur den Grund eines Anspruchs (§ 304 ZPO). Damit kannst du in zwei Klausursituationen in Berührung kommen:

  • Du kommst zu dem Ergebnis, dass der Anspruch dem Grunde nach besteht, über die Höhe aber Beweis erhoben werden muss. In der Klausur-Akte befindet sich keine Beweisaufnahme. Hier geht es also um den Erlass eines Grundurteils.

  • In der Klausur-Akte befindet sich bereits ein Grundurteil. Hier entscheidest du nur noch über die Höhe des Anspruchs, und zwar durch Schlussurteil.

- Voraussetzungen des Grundurteils

Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind, und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH VII ZR 168/15 Rn. 21 juris).

  • Anspruch auf Zahlung oder Leistung vertretbarer Sachen

§ 304 ZPO soll das Verfahren vereinfachen und verbilligen, indem er eine Vorklärung des Anspruchs und deren Überprüfung im Instanzenzug ermöglicht und damit gegebenenfalls eine aufwendige Beweisaufnahme erspart. Dieser Funktion entsprechend setzt der Erlass eines Grundurteils voraus, dass eine Trennung in Grund- und Betragsverfahren möglich ist. Diese Voraussetzung erfüllt nur ein auf die Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer Sachen gerichteter Anspruch, der der Höhe nach summenmäßig bestimmt ist (BGH KZR 8/18 Rn. 17).

  • Anspruch nach Grund- und Höhe streitig

Der Anspruch muss nach Grund und Höhe streitig sein. Andernfalls kommt nur eine Endentscheidung in Betracht.

  • Anspruch besteht dem Grunde nach

Ein Grundurteil kommt nur in Betracht, wenn der Anspruch dem Grunde nach besteht. Ansonsten weist du die Klage mit einem Endurteil ab.

Das Gericht darf eine Klage nicht schon dann einschränkungslos für dem Grunde nach gerechtfertigt erklären, wenn und weil dem Kläger ein Anspruch in irgendeiner Höhe zusteht. Das Gericht muss im Rahmen eines Grundurteils vielmehr die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage bejahen, die die Klageforderung der Höhe nach vollständig decken würde (BGH I ZR 119/19 Rn. 23).

Im Verfahren über den Grund sind alle Einwendungen zu prüfen, welche sich gegen das Bestehen des Anspruchs als solchen richten. Nur ausnahmsweise darf die Entscheidung über Einwendungen und Einreden, welche an sich den Grund des Anspruchs betreffen, dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben, dann nämlich, wenn feststeht oder wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass diese Einwendungen oder Einreden jedenfalls einen Teil des geltend gemachten Anspruchs unberührt lassen (BGH X ZR 58/88).

  • Wahrscheinlichkeit zur Anspruchshöhe

Es muss wahrscheinlich sein, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht. Das ist dann der Fall, wenn der Vortrag des Klägers schlüssig ist.

- Abfassen des Grundurteils

  • Rubrum

Im Rubrum musst du das Urteil als Grundurteil bezeichnen.

  • Tenor

Der Tenor des Grundurteils lautet:

„Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz infolge des Unfalls am … ist dem Grunde nach gerechtfertigt.“

Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Wie beim Teilurteil tenorierst du aber:

„Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.“

Das Grundurteil hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, so dass du auch keine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit triffst.

  • Tatbestand

Für deinen Tatbestand gelten keine Besonderheiten. Du stellst den gesamten Rechtsstreit dar, hinsichtlich der Anspruchshöhe aber nur im Überblick.

  • Entscheidungsgründe

Auch in den Entscheidungsgründen musst du nichts weiter beachten. Ausführungen zur Höhe des Anspruchs erübrigen sich.

- Bindungswirkung des Grundurteils

Liegt schon ein Grundurteil vor, gilt wieder § 318 ZPO: Du bist bei deiner Entscheidung zur Anspruchshöhe an die Feststellungen im Grundurteil zum Anspruchsgrund gebunden. Das Grundurteil hat für das Betragsverfahren Bindungswirkung, soweit es den Klageanspruch bejaht hat und dessen Höhe durch den anerkannten Klagegrund gerechtfertigt ist. Es legt fest, auf welcher Grundlage das Betragsverfahren aufzubauen hat und welche Umstände bereits - für die Parteien bindend - abschließend im Grundverfahren geklärt sind (BGH VI ZR 559/14 Rn. 29).

Ausführungen, die ausschließlich die Höhe des Anspruchs betreffen, sind dagegen im Grundurteil unzulässig und binden für das Betragsverfahren nicht (BGH III ZR 325/15 Rn. 11).

Die Bindungswirkung wird in einigen Fällen durchbrochen:

  • Kommst du zu dem Ergebnis, dass das Grundurteil unzulässig war, entfällt die Bindungswirkung.

  • Bringt der Beklagte neue Verteidigungsmittel vor, die erst nach Rechtskraft des Grundurteils entstanden sind, wendest du § 767 Abs. 2 ZPO analog an. Du prüfst also, ob der Anspruch dennoch dem Grunde nach besteht.

  • Erweitert der Kläger seine Klage, musst du hinsichtlich der Erweiterung Anspruchsgrund und -höhe prüfen.

- Abfassen des Schlussurteils

  • Rubrum

Im Rubrum bezeichnest du das Urteil als Schlussurteil.

  • Tenor

Die Hauptsache tenorierst du so, als gäbe es das Grundurteil nicht:

„Der Beklagte wird verurteil, an den Kläger … zu zahlen.“

„Die Klage wird abgewiesen.“

Für die Kostenentscheidung und die vorläufige Vollstreckbarkeit gelten keine besonderen Regeln.

  • Tatbestand

Im Tatbestand gibst du das Grundurteil in der kurzen Prozessgeschichte vor den Anträgen wieder:

„Mit Grundurteil vom … hat das Gericht entschieden, dass der Anspruch des Klägers dem Grunde nach besteht.

Der Kläger beantragt,

(…)“

  • Entscheidungsgründe

In den Entscheidungsgründen stellst du den Umfang der Bindungswirkung des Grundurteils dar, ggf. mit den Ausnahmen.