Geld- und Zinsschuld
Geld- und Zinsschuld
Geldschuld
Häufigster Gegenstand eines Schuldverhältnisses ist die Verpflichtung zur Geldleistung.1 Ist ein bestimmter Geldbetrag geschuldet, so sind dem Gläubiger in gültiger Währung Zahlungsmittel in Höhe des Nennbetrags (Nominalbetrag) zu erbringen.
Auf die Kaufkraft des Nennbetrages kommt es dabei nicht an. Um dem Gläubiger der Nennbetragsschuld daraus resultierende Nachteile zu ersparen, können die Parteien eine Wertsicherung vereinbaren. Dabei darf der Betrag von Geldschulden allerdings grundsätzlich nicht durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind (§ 1 des Preisklauselgesetzes; Ausnahmen sind dort in den §§ 2 ff. geregelt).2
Eine Geldschuld kann grundsätzlich nicht unmöglich werden.3 Selbst wenn der Schuldner kein Geld mehr hat, wird er dadurch nicht von seiner Leistungspflicht befreit.
Es gilt der Merksatz: „Geld hat man zu haben“.4 Nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, das § 276 I 1 BGB zugrunde liegt und das im Übrigen auch aus dem Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht abzuleiten ist, hat jedermann ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen.5
Da Geld als Zahlungsmittel nur in Form eines Nennbetrags und nicht in guter, schlechter oder mittlerer Qualität i.S.v. § 243 I BGB geleistet werden kann, handelt es sich nicht um eine Sach- oder Gattungsschuld, sondern um eine Wertverschaffungsschuld.6
Daraus folgt, dass der Schuldner, der einen im Inland zahlbaren und in inländischer Währung ausgedrückten Geldbetrag schuldet, selbst bestimmen kann, mit welchen Geldscheinen und -münzen er seine Verpflichtung erfüllen will; der Gläubiger ist nicht berechtigt, eine andere Stückelung des Gesamtbetrages zu fordern.7
Für in anderer Währung als Euro ausgedrückte, im Inland zahlbare Geldschulden (Valutaschulden) gibt § 244 I BGB dem Schuldner das Recht, die „Fremdwährungsschuld“ auch in Euro zu zahlen, wenn die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben.8 Die Umrechnung erfolgt nach dem Kurswert, der zur Zeit der Zahlung für den Zahlungsort maßgeblich ist (§ 244 II BGB).
Häufig wird eine Geldschuld durch Zahlung in Buchgeld erfüllt.9 Sofern ein abweichender Parteiwille nicht ausnahmsweise feststellbar ist, ist der Schuldner regelmäßig befugt, eine Geldschuld durch Buchgeld zu erfüllen. Sobald die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers erfolgt, ist erfüllt, da der Gläubiger vom Zeitpunkt der Gutschrift an über den gutgeschriebenen Betrag verfügen kann. Das gilt auch bei einer vorbehaltlosen Gutschrift auf einem PayPal-Konto des Gläubigers.10
Weil eine Geldleistung nicht in mittlerer Art und Güte erbracht werden kann, kann es nicht zu einer Konkretisierung i.S.v. § 243 II BGB kommen.11 Auch eine analoge Anwendung des § 243 II BGB scheidet aus, weil der Übergang der Leistungsgefahr in § 270 BGB abweichend geregelt ist und deshalb keine planwidrige Regelungslücke besteht. Nach § 270 I BGB hat der Schuldner Geld im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln. Gemäß §§ 270 IV, 269 I BGB ist der Leistungsort im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners.
Damit läge bei Geldschulden an sich eine Schickschuld vor. Anders als bei einer normalen Schickschuld trägt bei einer Geldschuld aber der Schuldner sowohl die Verlustgefahr als auch die Verzögerungsgefahr. Obwohl der Schuldner mit dem Abschicken des Geldes das seinerseits Erforderliche getan hat, verbleiben sowohl die Leistungsgefahr als auch die Verzögerungsgefahr bei ihm. Deshalb handelt es sich bei Geldschuld nach zutreffender Ansicht um eine Bringschuld.12
Im Anwendungsbereich der Zahlungsverzugsrichtlinien 2000/35/EG vom 29.06.2000 und 2011/7/EU vom 16.02.2011 ist diese Einordnung zwingend, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen aber auch außerhalb dieses Bereiches vorzugswürdig.13
Befindet sich der Gläubiger im Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB), kann die Leistungsgefahr nicht nach § 300 II BGB auf den Gläubiger übergehen, weil diese Vorschrift für Gattungsschulden konzipiert ist. Die Vorschrift des § 300 II BGB gilt für Geldschulden jedoch analog.14
Beispiel: Hat der Schuldner dem Gläubiger einen Geldbetrag vergeblich angeboten und ihn dadurch in Annahmeverzug gesetzt, wird er von seiner Verbindlichkeit frei, wenn ihm das Geld auf dem Rückweg gestohlen wird.15
Zinsschuld
Zinsen sind die Vergütung für die Überlassung von Kapital, berechnet nach Bruchteilen des Kapitals und der Dauer der Überlassung.16 Das Kapital und der Zins bestehen regelmäßig in Geld; es kommen aber auch andere vertretbare Sachen (§ 91 BGB) in Betracht.
Zinsschulden können auf vertraglicher Vereinbarung oder auf gesetzlicher Anordnung beruhen.17 Sie setzen stets eine wirksame Kapitalschuld voraus.
Ist eine Zinsforderung einmal entstanden, tritt sie allerdings selbständig neben die Kapitalschuld. Sie kann selbständig verjähren (vgl. aber § 217 BGB), abgetreten und gepfändet werden.
Der rechtsgeschäftliche Zinssatz unterliegt über die Grenze des § 138 BGB hinaus keiner Beschränkung. Haben die Parteien keinen bestimmten Zinssatz vereinbart, gilt der gesetzliche Zinssatz. Dieser beträgt regelmäßig 4% p.a. (§ 246 BGB), bei beiderseitigen Handelsgeschäften 5% p.a. (§ 352 I 1 HGB). Die Parteien können nachträglich bestimmen, dass rückständige Zinsen wieder Zinsen bringen sollen; eine im Voraus getroffene Vereinbarung, dass fällige Zinsen wieder Zinsen tragen sollen, ist hingegen nichtig (§ 248 I BGB, Verbot der Zinseszinsen).18
Das Verbot der Zinseszinsen gilt nicht für Sparkassen, Banken, bestimmte Kreditanstalten (§ 248 II BGB) und den Kontokorrentverkehr (§ 355 HGB).
- Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 9 Rn. 1.
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 9 Rn. 3.
- Hier und zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 111.
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 9 Rn. 9; Medicus, AcP 188 (1988), 489 ff.
- BGH, Urt. v. 04.02.2015 – VIII ZR 175/14, Rn. 18.
- R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 111.
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 9 Rn. 6.
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 9 Rn. 7.
- Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 9 Rn. 8.
- BGH, Urt. v. 22.11.2017 – VIII ZR 83/16, Rn. 15 ff.
- Hier und zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 111.
- Erman/Artz, BGB, 15. Aufl. 2017, § 270 Rn. 9; Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 270 Rn. 1 u. 5; Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 270 Rn. 6; a. A. Schwab, NJW 2011, 2833 („qualifizierte Schickschuld“).
- Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 270 Rn. 6; vgl. auch Art. 57 UN-Kaufrecht.
- R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 111; Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 300 Rn. 6.
- R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 111.
- Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 9 Rn. 10.
- Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 9 Rn. 11 – 14.
- Auch für gesetzliche Verzugszinsen gilt das Zinseszinsverbot (§ 289 S. 1 BGB).