Fall: Rücktritt wegen verspäteter Zahlung

Fall: Rücktritt wegen verspäteter Zahlung

Sachverhalt:

Der V verkauft seinem Fußballmannschaftskollegen K am 1.3. sein gebrauchtes Smartphone zum Preis von 50 €. K zahlt 20 € in bar an und sagt dem V zu, die restlichen 30 € am 8.3. nach dem gemeinsamen Training zu zahlen. V ist einverstanden und übergibt dem K das Smartphone sofort, behält sich aber wegen der ausstehenden Restzahlung das Eigentum daran vor; dafür zeigt K Verständnis.

Am 8.3. erscheint K nicht zum Training. Auch zum Punktspiel am 10.3. erscheint K nicht. Als der K am 13.3. zum nächsten Training erscheint und dem V die noch ausstehenden 30 € in bar anbietet, lehnt V dies unter Hinweis auf die Verspätung ab, hält K einen 20 €-Schein hin und verlangt das Smartphone zurück.

Kann V von K die Rückgabe des Smartphones Zug um Zug gegen Rückzahlung der 20 € verlangen?

Gliederung:

I. Anspruch des V gegen K aus § 346 I BGB

1. Rücktrittsrecht

a) Vertragliches

b) Gesetzliches gemäß § 323 I BGB

aa) Gegenseitiger Vertrag

bb) Nichtleistung trotz fälliger und durchsetzbarer Leistungspflicht

cc) Fruchtloser Ablauf einer angemessenen Frist oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung

(1) § 323 II Nr. 1 BGB

(2) § 323 II Nr. 2 BGB

(3) § 323 II Nr. 3 BGB

c) Ergebnis zu 1.

2. Ergebnis zu I.

II. Anspruch des V gegen K aus §§ 280 I, III, 281 BGB

1. Wirksames Schuldverhältnis

2. Nichtleistung trotz fälligen und durchsetzbaren Anspruchs auf Leistung

3. Erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung

4. Ergebnis zu II.

III. Anspruch des V gegen K aus § 985 BGB

1. Eigentum des V

2. Besitz des K

3. Kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB

4. Ergebnis zu III.

IV. Anspruch des V gegen K aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB

1. Etwas erlangt

2. Durch Leistung

3. Ohne Rechtsgrund

4. Ergebnis zu IV.

Lösung:

I. Anspruch des V gegen K aus § 346 I BGB

V hätte gegen K einen Anspruch auf Rückgewähr des Smartphones – Zug um Zug gegen Rückzahlung der 20 € (vgl. § 348 BGB) –, wenn er wirksam vom Kaufvertrag mit K zurückgetreten ist. Dafür müsste V ein durch Vertrag oder Gesetz bestehendes Rücktrittsrecht durch Rücktrittserklärung ausgeübt haben. Das Rückgabeverlangen kann als (konkludente) Rücktrittserklärung des V i.S.v. § 349 BGB angesehen werden. Fraglich ist jedoch, ob V überhaupt zum Rücktritt berechtigt gewesen ist.

1. Rücktrittsrecht

Die Berechtigung zum Rücktritt kann sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben (vgl. § 346 I BGB).

a) Vertragliches

Der Wortlaut des § 346 I BGB („Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten“) lässt zunächst vermuten, dass die Begründung eines Rücktrittsrechts durch nur eine Vertragspartei möglich sei. Bei genauerem Hinsehen wird aber deutlich, dass sich die Vertragspartei den Rücktritt nur vertraglich vorbehalten kann. Es bedarf mithin einer vertraglichen Vereinbarung mit der anderen Vertragspartei. Das vertragliche Rücktrittsrecht wird dabei von den Parteien vereinbart, um dem Berechtigten die Möglichkeit zu geben, sich einseitig von dem Geschäft zu lösen. Ein solcher Rücktrittsvorbehalt1 kann ausdrücklich oder konkludent getroffen werden.2

Ausdrücklich haben V und K ein Rücktrittsrecht nicht vereinbart. Es könnte aber eine konkludente Vereinbarung vorliegen, weil V sich am 1.3. bei der Übergabe des Smartphones das Eigentum vorbehalten hat und K hiermit einverstanden war. Bei Abschluss des Kaufvertrages hatten V und K einen Eigentumsvorbehalt noch nicht vereinbart. Da sie sich hierüber jedoch später – bei der Übergabe des Smartphones – einig geworden sein, liegt eine Vertragsänderung (§ 311 I BGB) und damit eine nachträgliche Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts vor.3 V war dementsprechend nur dazu verpflichtet, dem K das Smartphone gemäß §§ 929 S. 1, 158 I BGB unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung zu übereignen.

Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen wird (Eigentumsvorbehalt, § 449 I BGB). Auf Grund eines solchen Eigentumsvorbehalts kann der Verkäufer die Sache nur herausverlangen, wenn er vom Vertrag zurückgetreten ist (§ 449 II BGB). Damit ist aber nicht gesagt, dass die Vertragsparteien immer dann, wenn sie einen Eigentumsvorbehalt verabreden, zugleich auch (konkludent) ein vertragliches Rücktrittsrecht zu Gunsten des Vorbehaltseigentümers vereinbaren. Die konkludente Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts ist nur dann zu bejahen, wenn die Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt.4 Die Vorgängerregelung zu § 449 BGB - § 455 BGB a.F. – enthielt in ihrem Absatz 1 eine Auslegungsregel, der zufolge der Vorbehaltsverkäufer im Zweifel ohne Fristsetzung zum Rücktritt berechtigt war. Diese Regelung wurden jedoch bewusst nicht in § 449 BGB übernommen, weil eine solche Privilegierung des Vorbehaltskäufers als ungerechtfertigt angesehen wurde, zumal insbesondere die in § 323 I BGB vorgesehene Fristsetzung den Vorbehaltsverkäufer nicht wesentlich belastet und unter den allgemein in § 323 II BGB geregelten Voraussetzungen auch entbehrlich ist.5 Ein entsprechender Parteiwille ist nach neuer Rechtslage demnach jedenfalls nicht zu vermuten.

Anhaltspunkte dafür, dass V und K ein vertragliches Rücktrittsrechts zu Gunsten des V begründen wollten, sind nicht ersichtlich. Ein Rücktrittsrecht wurde von den Parteien weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart.

b) Gesetzliches gemäß § 323 I BGB

In Betracht kommt jedoch ein gesetzliches Rücktrittsrecht des V nach § 323 I BGB. Danach kann der Gläubiger von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und der Gläubiger ihm erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat,

aa) Gegenseitiger Vertrag

Der zwischen V und K geschlossene Kaufvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag.

bb) Nichtleistung trotz fälliger und durchsetzbarer Leistungspflicht

Der Schuldner muss eine fällige und – über den Wortlaut des § 323 I BGB hinausgehend – auch durchsetzbare6 Leistung nicht bzw. nicht vertragsgemäß erbracht haben. Eine Nichtleistung liegt vor, wenn der Schuldner trotz Fälligkeit und Möglichkeit seine Leistung nicht erbringt.7

Die Hauptleistungspflicht des K besteht gemäß § 433 II BGB in der Zahlung des Kaufpreises. Da K am 1.3. auf die Kaufpreisschuld 20 € gezahlt und V die Annahme dieser Teilleistung nicht gemäß § 266 BGB verweigert hat, ist der Kaufpreisanspruch des V gegen K gemäß § 362 I BGB i.H.v. 20 € erloschen; in Höhe von 30 € besteht er aber fort.

Der Restkaufpreisanspruch müsste zunächst fällig sein. Fälligkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Gläubiger die Leistung verlangen kann, der Schuldner also spätestens leisten muss.8 Die Leistungszeit bestimmt sich primär nach der Parteivereinbarung.9 V und K haben vereinbart, dass der Restkaufpreis erst am 8.3. zu zahlen ist. Deshalb kann V diese Leistung gemäß § 271 II BGB im Zweifel nicht vor dieser Zeit verlangen. Die Restkaufpreisforderung des V gegen K war mithin am 8.3. fällig.

Fraglich ist, ob der Anspruch auch durchsetzbar ist. Die Forderung des Gläubigers muss einredefrei sein.10 Ist die Forderung des Gläubigers mit einer Einrede des Schuldners behaftet, ändert das zwar an der Fälligkeit nichts; die Nichtleistung stellt aber keine Pflichtverletzung dar, solange der Schuldner die Leistung verweigern darf. Dabei genügt es grundsätzlich, dass das Verweigerungsrecht objektiv gegeben ist. Es braucht vom Schuldner nicht geltend gemacht zu werden; das ist erst im Prozess erforderlich. Als Einrede des K gegen den Kaufpreisanspruch des V kommt allenfalls die Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 I BGB in Betracht. Diese setzt jedoch eine fällige und durchsetzbare Gegenforderung des Schuldners voraus.11 K ist wegen des Eigentumsvorbehalts jedoch partiell vorleistungspflichtig,12 sodass seine Gegenforderung aus § 433 I 1 BGB auf unbedingte Übereignung noch nicht fällig ist. Damit ist umgekehrt die Kaufpreisforderung des V gegen K fällig und auch durchsetzbar, weil die Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 I BGB zu Gunsten des K nicht eingreift.

Ein Fall der Unmöglichkeit liegt ebenfalls nicht vor. Selbst dann, wenn K die noch ausstehenden 30 € nicht gehabt hätte, läge kein Fall des § 275 I BGB vor. Denn das nur finanzielle Unvermögen zu leisten oder seine finanzielle Leistungsfähigkeit herzustellen befreit den Schuldner nicht von seiner Leistungspflicht („Geld hat man zu haben“).13

Es liegt somit eine Nichtleistung des K trotz möglicher, fälliger und durchsetzbarer Leistungspflicht vor.

cc) Fruchtloser Ablauf einer angemessenen Frist oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung

V müsste dem K grundsätzlich eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt haben. Dies ist vorliegend nicht geschehen. V hat die Entgegennahme des ihm durch K am 13.3. angebotenen Restbetrages vielmehr verweigert und dadurch, dass er den K unter Hinweis auf die Verspätung zur Rückgabe des Smartphones aufgefordert hat, ohne Fristsetzung konkludent den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Fehlt eine Fristsetzung – wie hier – gänzlich, wird auch keine angemessene Frist in Gang gesetzt; dies kommt nur bei der Bestimmung einer unangemessen kurzen Frist in Betracht.14

Damit stellt sich die Frage, ob die Fristsetzung für V ausnahmsweise entbehrlich war. Entbehrlich ist die Fristsetzung in den Fällen des § 323 II BGB.

(1) § 323 II Nr. 1 BGB

Nach § 323 II Nr. 1 BGB ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. An die Voraussetzungen einer Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen.15 Es muss deutlich sein, dass sich der Schuldner über das Erfüllungsverlangen des Gläubigers klar ist und gewissermaßen als „letztes Wort“ seine Erfüllungsverweigerung zum Ausdruck gebracht hat.

K hat vorliegend 20 € angezahlt und damit grundsätzlich seine Bereitschaft, den Kaufvertrag mit V zu erfüllen, zum Ausdruck gebracht. Am 13.3. hat er dem V auch den noch offenen Restbetrag von 30 € angeboten, was ebenfalls verdeutlicht, dass K den Kaufvertrag seinerseits erfüllen möchte. Auch zuvor hat K nicht erklärt, den Vertrag nicht erfüllen zu wollen. Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des K i.S.v. § 323 II Nr. 1 BGB scheidet somit aus.

(2) § 323 II Nr. 2 BGB

Nach § 323 II Nr. 2 BGB ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder aufgrund anderer den Vertragsschluss begleitender Umstände für den Gläubiger wesentlich ist. Die Vorschrift erfasst das sog. „relative Fixgeschäft“.16 Bei diesem bindet der Gläubiger den Fortbestand seines Leistungsinteresses derart an die Rechtzeitigkeit der Leistung, dass der Vertrag mit der Einhaltung des vereinbarten Leistungstermins „stehen oder fallen“ soll.17

V und K haben für die Restkaufpreiszahlung mit dem 8.3. einen festen Termin vereinbart. Dieser Termin wurde auch präzisiert („nach dem gemeinsamen Training“). Dies allein reicht aber nicht aus, um von einem relativen Fixgeschäft ausgehen zu können. Weder hat V hat dem K gegenüber erklärt, dass der Kaufvertrag über das Smartphone mit der Einhaltung des vereinbarten Leistungstermins „stehen oder fallen“ soll, noch ergibt sich ein solcher Wille des V aus den Begleitumständen. Die Fristsetzung war deshalb auch nicht gemäß § 323 II Nr. 2 BGB entbehrlich.

(3) § 323 II Nr. 3 BGB

Die Fristsetzung ist nach § 323 II Nr. 3 BGB schließlich dann entbehrlich, wenn im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Der Anwendungsbereich dieses Auffangtatbestandes für die in den Nummern 1 und 2 nicht erfassten Fälle ist ausdrücklich auf Fälle einer „nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung“, also auf Fälle der Schlechtleistung begrenzt.18 Um einen solchen Fall geht es hier nicht.

In schwerwiegenden Fällen kommt ein sofortiges Rücktrittsrecht unter Rückgriff auf § 242 BGB dennoch unabhängig von der Vertragsmäßigkeit in Betracht.19 Ein solcher schwerwiegender Fall liegt hier aber nicht vor, weil sich K mit seinem Angebot zur Zahlung des ausstehenden Restbetrages gerade einmal um fünf Tage verspätet hat. Die Fristsetzung ist demnach weder nach § 323 II Nr. 3 BGB noch nach § 242 BGB entbehrlich.

c) Ergebnis zu 1.

Mangels Fristsetzung und Entbehrlichkeit der Fristsetzung sind die Rücktrittsvoraussetzungen gemäß § 323 I BGB nicht gegeben. Der durch V konkludent gegenüber K erklärte Rücktritt ist mithin unwirksam.

2. Ergebnis zu I.

Ein Anspruch des V gegen K aus § 346 I BGB auf Rückgewähr des Smartphones ist nicht gegeben.

II. Anspruch des V gegen K aus §§ 280 I, III, 281 BGB

Ein Anspruch des V gegen K auf Rückgewähr des Smartphones könnte sich als Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung aus §§ 280 I, III, 281 BGB ergeben, und zwar ebenfalls Zug um Zug gegen Rückzahlung der 20 € (vgl. § 281 V BGB).20

1. Wirksames Schuldverhältnis

Dafür müsste zwischen den Parteien zunächst ein wirksames Schuldverhältnis bestehen. Dies ist in Gestalt eines wirksamen Kaufvertrags der Fall.

2. Nichtleistung trotz fälligen und durchsetzbaren Anspruchs auf Leistung

Der Schuldner muss eine Pflicht verletzt haben, indem er eine fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbracht hat. Dabei muss der Anspruch des Gläubigers vollwirksam entstanden und auch durchsetzbar, insbesondere einredefrei sein.21

K hat seine fällige Verpflichtung zur Zahlung des Restkaufpreises zum Fälligkeitstermin nicht erfüllt. Da er wegen des Eigentumsvorbehalts partiell vorleistungspflichtig ist, steht der Durchsetzbarkeit des Kaufpreisanspruchs des V aus § 433 II BGB auch nicht die Einrede des nichterfüllten Vertrags gemäß § 320 BGB entgegen (s.o.). Es liegt mithin eine Nichtleistung des K trotz fälligen und durchsetzbaren Anspruchs des V auf Leistung vor.

3. Erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung

Der Gläubiger muss dem Schuldner grundsätzlich erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt haben.22 An einer solchen Fristsetzung des V fehlt es (s.o.). Die Fristsetzung ist jedoch entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen (§ 281 II BGB).

Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des K liegt nicht vor. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Parallelvorschrift des § 323 II Nr. 1 BGB verwiesen werden.

Der Auffangtatbestand des § 281 II Alt. 2 BGB gilt im Gegensatz zu § 323 II Nr. 3 BGB nicht nur für Fälle der Schlechtleistung („im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung“), sondern auch im Falle einer bloßen Nichtleistung. „Besondere Umstände“, kraft derer unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gerechtfertigt ist, müssen allerdings auch im Anwendungsbereich des § 281 II Alt. 2 BGB so beschaffen sein, dass bei ihrem Vorliegen eine Nachfrist für beide Beteiligten offensichtlich sinnlos erscheint oder bei Abwarten bis zum Fristablauf ein erheblich größerer Schaden droht.23 Beides ist hier nicht ersichtlich, sodass die Fristsetzung durch V auch nach dieser Vorschrift nicht entbehrlich ist.

Deshalb fehlt es insgesamt an der nach § 281 I 1 BGB erforderlichen Fristsetzung.

4. Ergebnis zu II.

Mangels Fristsetzung und Entbehrlichkeit der Fristsetzung scheidet somit auch ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung des V gegen K gemäß §§ 281 I, III, 281 BGB aus.

III. Anspruch des V gegen K aus § 985 BGB

Ein Herausgabeanspruch24 des V gegen K aus § 985 BGB besteht dann, wenn V Eigentümer und K Besitzer des Smartphones ohne Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB ist.

1. Eigentum des V

Der V ist nach wie vor Eigentümer des Smartphones. Bei einem Kauf unter Eigentumsvorbehalt steht der dingliche Übereignungsvertrag über die Kaufsache gemäß § 929 S. 1 BGB nach der Auslegungsregel des § 449 I BGB unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 I BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung; das Eigentum geht deshalb erst mit Zahlung der letzten Rate automatisch auf den Käufer über.25 Die aufschiebende Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung ist aber deshalb noch nicht eingetreten, weil K den Restkaufpreisanspruch des V aus § 433 II BGB nicht i.S.v. § 362 I BGB erfüllt hat. Dem steht es nicht entgegen, dass K dem V die ausstehenden 30 € in bar angeboten und somit die geschuldete Leistungshandlung – wenn auch verspätet (s.o.) – vorgenommen hat. Bei erfolgsbezogenen Schuldverhältnissen wie dem vorliegenden Kaufvertrag reicht es für die Erfüllung nämlich nicht aus, dass der Schuldner die Leistungshandlung vorgenommen hat; es kommt vielmehr auf den Eintritt des Leistungserfolges an.26 Nach der herrschenden Theorie der realen Leistungsbewirkung27 kommt es allein auf die Herbeiführung des Leistungserfolges durch die Leistungshandlung an. Der Restkaufpreisanspruch des V gegen K aus § 433 II BGB wäre durch Erfüllung gemäß § 362 I BGB nur dann erloschen, wenn V an der dinglichen Übereignung des Geldes gemäß § 929 S. 1 BGB mitgewirkt hätte; da er dies nicht getan und sich geweigert hat, durch Annahme des Geldes einen entsprechenden Übereignungsvertrag nach § 929 S. 1 BGB mit K abzuschließen, ist die aufschiebende Bedingung für den Eigentumserwerb des K am Smartphone bislang nicht eingetreten.

Der Bedingungseintritt könnte allerdings nach § 162 I BGB fingiert sein. Danach gilt die Bedingung als eingetreten, wenn ihr Eintritt von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird. Dies wirft die Frage auf, ob V die vollständige Kaufpreiszahlung treuwidrig verhindert hat.28 Da hier kein Verzögerungsschaden des V ersichtlich ist, deren Ersatz der K dem V hätte anbieten können, erscheint das Verhalten des V, der unwirksam vom Vertrag zurückgetreten ist (s.o.), durchaus als treuwidrig.29 Selbst wenn V die Rechtslage verkannt haben und irrtümlich davon ausgegangen sein sollte, berechtigterweise vom Kaufvertrag mit K zurückgetreten zu sein, stünde dies der Annahme eines treuwidrigen Verhaltens i.S.v. § 162 I BGB nicht entgegen. § 162 BGB verlangt nämlich nicht eine absichtliche Herbeiführung oder Vereitelung des Bedingungseintritts; es genügt vielmehr schon Fahrlässigkeit.30 Es sprechen deshalb gute Gründe dafür, den Eintritt der aufschiebenden Bedingung für den Erwerb des Eigentums am Smartphone durch K gemäß § 162 I BGB zu fingieren. Dann würde ein Herausgabeanspruch des V gegen K aus § 985 BGB schon deshalb ausscheiden, weil V nicht mehr Eigentümer des Smartphones wäre.

Dem könnte man indes entgegenhalten, dass K dem V den Restkaufpreis verspätet angeboten und sich somit selbst nicht vollumfänglich vertragsgemäß verhalten hat. Hieraus könnte man ableiten, dass § 162 BGB, der dem Schutz des durch die Bedingung Begünstigten dient,31 zu Gunsten des K keine Anwendung findet. Rechtsdogmatisch ließe sich dies mit einem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der eigenen Vertragstreue des Begünstigten oder durch eine teleologische Reduktion32 des § 162 I BGB erklären. Wollte man dieser Sichtweise folgen, wäre V nach wie vor Eigentümer des Smartphones, weil der Eintritt der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung dann nicht gemäß § 162 I BGB zu Gunsten des selbst nicht vollständig vertragstreuen K fingiert würde.

Letztendlich entscheiden muss man diese Frage nicht, sofern ein Herausgabeanspruch des V gegen K aus § 985 BGB ohne aus einem anderen Grund ausscheidet.

2. Besitz des K

K ist, da V ihm das Smartphone bereits am 1.3. übergeben hat, bereits unmittelbarer Besitzer des Kaufgegenstandes i.S.v. § 854 I BGB. Hieran scheitert ein Herausgabeanspruch des V gegen K aus § 985 BGB nicht.

3. Kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB

K könnte, sofern er nicht bereits Eigentümer des Smartphones geworden ist (s.o.), die Herausgabe der Kaufsache gemäß § 986 I 1 BGB verweigern,33 wenn er gegenüber V zum Besitz berechtigt ist. Ein Anspruch aus § 985 BGB besteht nicht, soweit der Besitzer zum Besitz der Sache berechtigt ist.34

Der Kaufvertrag zwischen V und K besteht fort und wurde, da der Rücktritt des V unwirksam ist (s.o.), auch nicht in eine Rückgewährschuldverhältnis gemäß §§ 346 ff. BGB umgewandelt.35 Er vermittelt dem K deshalb ein eigenes (obligatorisches) Recht zum Besitz i.S.v. § 986 I 1 Alt. 1 BGB.36

4. Ergebnis zu III.

Ein Herausgabeanspruch des V gegen K aus § 985 BGB besteht somit ebenfalls nicht, und zwar unabhängig davon, ob das Eigentum am Smartphone bereits auf K übergegangen ist oder nicht.

IV. Anspruch des V gegen K aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB

In Betracht kommt damit nur noch ein bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch des V gegen K aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB. Dafür müsste der K durch Leistung des V „etwas“ im bereicherungsrechtlichen Sinne ohne rechtlichen Grund erlangt haben.

1. Etwas erlangt

K hat einen vermögenswerten Vorteil in Gestalt des unmittelbaren Besitzes (§ 854 I BGB) und, sofern man der hier zu § 162 I BGB vertretene Auffassung folgt (s.o.), auch des Eigentums an dem Smartphone und damit „etwas“ im bereicherungsrechtlichen Sinne erlangt.

2. Durch Leistung

Dies geschah „durch Leistung“ des V. Unter einer Leistung im Sinne der §§ 812 ff. BGB versteht man eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens,37 wobei im Fall des § 812 I 1 Alt. 1 BGB (condictio indebiti) der Bereicherungsgläubiger leistet, um Befreiung von einer (vermeintlichen) Verbindlichkeit zu erlangen (solvendi causa).38 V wollte durch die Übergabe und (aufschiebend bedingte) Übereignung des Smartphones seine aus dem Kaufvertrag mit K resultierende Verkäuferpflicht aus § 433 I 1 BGB erfüllen. Die dazu gehörende Besitzübertragung erfolgte mithin durch Leistung des V. Entsprechendes gilt für die (aufschiebend bedingte) Übereignung.39

3. Ohne Rechtsgrund

Im Falle des § 812 I 1 Alt. 1 BGB (condictio indebiti) erfolgt die Leistung „ohne rechtlichen Grund“, wenn der mit ihr verfolgte Zweck – Befreiung von einer (vermeintlichen) Verbindlichkeit – fehlschlägt.40 Ein solcher Fehlschlag liegt hier aber nicht vor, weil die Verkäuferpflicht des V gegenüber K aus § 433 I 1 BGB wirksam begründet wurde und durch die Übergabe sowie (bedingte) Übereignung an K auch erfüllt werden konnte. Der Kaufvertrag stellt mithin den Rechtsgrund für die Leistung des V an K dar.

4. Ergebnis zu IV.

Ein Herausgabeanspruch des V gegen K aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB besteht somit ebenfalls nicht.


  1. Erman/Röthel, BGB, 15. Aufl. 2017, Vor § 346 Rn. 5; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 346 Rn. 1.

  2. Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 43. Aufl. 2019, § 18 Rn. 7.

  3. Die nachträgliche Begründung eines Eigentumsvorbehalts ist durch Abänderungsvertrag möglich (Hk-BGB/Saenger, 10. Aufl. 2019, § 449 Rn. 3).

  4. Erman/Röthel, BGB, 15. Aufl. 2017, Vor § 346 Rn. 5.

  5. BT-Drucks. 14/6040, S. 241; Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, 8. Aufl. 2019, Fall 15, Rn. 5; Hk-BGB/Saenger, 10. Aufl. 2019, § 449 Rn. 7.

  6. Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 43. Aufl. 2019, § 23 Rn. 5 u. 60; Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 323 Rn. 1.

  7. Die Verzugsvoraussetzungen des § 286 BGB müssen dagegen nicht vorliegen (Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 323 Rn. 4).

  8. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 80.

  9. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 82.

  10. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 43. Aufl. 2019, § 23 Rn. 5 f.

  11. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 357.

  12. Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, 8. Aufl. 2019, Fall 15, Rn. 9.

  13. Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 43. Aufl. 2019, § 22 Rn. 8.

  14. Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, 8. Aufl. 2019, Fall 15, Rn. 10.

  15. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 323 Rn. 6.

  16. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 323 Rn. 7; Erman/Westermann, BGB, 15. Aufl. 2017, § 323 Rn. 19.

  17. Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, 8. Aufl. 2019, Fall 15, Rn. 12.

  18. Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, 8. Aufl. 2019, Fall 15, Rn. 13; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 323 Rn. 8; Erman/Westermann, BGB, 15. Aufl. 2017, § 323 Rn. 20a.

  19. BT-Drucks. 17/12637, S. 59; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 323 Rn. 8; a. A.Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 323 Rn. 22.

  20. Zu den Anspruchsvoraussetzungen siehe: Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 43. Aufl. 2019, § 24 Rn. 9 – 12; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 5.

  21. Allein das Bestehen der Einreden aus § 320 BGB hindert die Durchsetzbarkeit; das ZbR nach § 273 BGB muss hingegen geltend gemacht werden (R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 716).

  22. Die Nachfrist dient dazu, dem Schuldner eine letzte Chance zur korrekten Pflichterfüllung („Recht der zweiten Andienung“; R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 720) zu geben (BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348, 1350).

  23. Erman/Westermann, BGB, 15. Aufl. 2017, § 281 Rn. 17.

  24. § 985 BGB ist auf die Verschaffung unmittelbaren Besitzes gerichtet (Erman/ Ebbing, BGB, 15. Aufl. 2017, § 985 Rn. 21).

  25. Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 449 Rn. 4.

  26. BGH, Urt. v. 20.07.2010 – XI ZR 236/07, Rn. 22.

  27. BGH, Urt. v. 17.07.2007 – X ZR 31/06, Rn. 17; R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 126.

  28. Zum Folgenden vgl. Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, 8. Aufl. 2019, Fall 15, Rn. 24.

  29. So i. E. Bitter/Röder, BGB AT, 4. Aufl. 2018, § 8 Rn. 15.

  30. Erman/Armbrüster, BGB, 15. Aufl. 2017, § 162 Rn. 4.

  31. Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, Vor § 158 Rn. 2.

  32. Siehe hierzu allgemein: Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 294 f.

  33. Trotz des missverständlichen Wortlauts („kann … verweigern“) enthält § 986 BGB – der amtlichen Überschrift („Einwendungen des Besitzers“) entsprechend – nach heute nahezu einhelliger Meinung keine Einrede, sondern eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung (Jacoby/v Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 986 Rn. 1). Der Sache nach handelt es sich bei dem fehlenden Besitzrecht nach § 986 BGB sogar um eine Voraussetzung des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB, sodass die §§ 985, 986 BGB zusammen zu lesen und das fehlende Besitzrecht als Anspruchsvoraussetzung zu prüfen ist (Jacoby/v. Hinden, a.a.O., § 985 Rn. 2). Anspruchsgegner des § 985 BGB ist somit stets der unberechtigte Besitzer.

  34. Erman/Ebbing, BGB, 15. Aufl. 2017, § 985 Rn. 1.

  35. § 449 II BGB stellt klar, dass aus dem Eigentumsvorbehalt nur dann ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB folgt, wenn der Verkäufer wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist; der Käufer bleibt also beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt solange i.S.v. § 986 BGB zum Besitz berechtigt, wie der Kaufvertrag besteht (Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, 8. Aufl. 2019, Fall 15, Rn. 24).

  36. Vgl. Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 986 Rn. 3.

  37. BGH, Urt. v. 31.10.1963 – VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272, 277.

  38. Jacoby/v Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 812 Rn. 13.

  39. Soweit man der hier zu § 162 I BGB vertretenen Auffassung folgt und von einem (vollständigen) Eigentumserwerb des K ausgeht, sollte auch insoweit eine Leistung des V nach dem Rechtsgedanken des § 162 I BGB fingiert werden. Der Eigentumserwerb muss dann insgesamt kondiktionsfest sein, weil § 162 I BGB sonst faktisch ausgehöhlt würde.

  40. Jacoby/v Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 812 Rn. 13.