Fall: Die Sicherungsverwahrung

A befindet sich aufgrund einer erstmaligen Anordnung in einem Strafurteil aus dem Jahre 1986 seit 1991 in Sicherungsverwahrung. Zu dieser Zeit sah § 67 d Abs. 1 StGB vor, dass "die erste Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zehn Jahre ... [nicht übersteigen] ... [dürfe] ...". Diese Beschränkung wurde 1998 auch mit Wirkung für Fälle wie den des A durch eine Gesetzesänderung aufgehoben, mit der § 67 d StGB seine heute noch geltende Fassung erhielt. In der Folge lehnten die zuständigen Vollstreckungsgerichte Anträge des A auf Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung ab. Eine Verfassungsbeschwerde des A wies das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2004 zurück und sprach u.a. im Tenor des Urteils aus, dass § 67d Abs. 3 StGB mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Gesetzesänderung verletze insbesondere nicht Art. 103 Abs. 2 GG, weil dieser nicht auf die Sicherungsverwahrung anwendbar sei. Die Neuregelung stehe auch im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot. A legte dagegen Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Weiterhin beantragte er erneut die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung. Dies lehnte letztmalig in letzter Instanz das OLG N. im Mai 2009 ab. Dagegen legt nunmehr A fristgerecht Verfassungsbeschwerde ein und beantragt zugleich im Wege der einstweiligen Anordnung seine Freilassung. Im Dezember 2009 erkennt der EGMR in der anhängigen Beschwerde des A auf eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Er führt aus, dass eine sich an ein Strafurteil anschließende Sicherungsverwahrung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a EMRK zulässig sein könne. Im vorliegenden Fall sei aber der notwendige "Kausalzusammenhang" zwischen der Verurteilung und der Sicherungsverwahrung wegen der eingetretenen Gesetzesänderung nicht gegeben. Ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 EMRK sei gegeben, weil die Sicherungsverwahrung in der Gestalt ihrer jetzigen Regelung in der Sicht des Gerichtshofes als "Strafe" im Sinne der Vorschrift anzusehen sei.

Seine Verfassungsbeschwerde begründet A unter anderem mit Argumenten, wie sie der EGMR seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Zusätzlich macht er geltend, eine zeitlich unbefristete Sicherungsverwahrung verstoße gegen die Menschenwürde. Außerdem taste sie seine grundrechtlich verbürgte Freiheit in ihrem Wesenskern an. Zudem bezweifelt er, dass der Bundesgesetzgeber für die Änderung des § 67 d StGB zuständig gewesen sei. Die Sicherungsverwahrung diene einzig und allein Zwecken der Gefahrenabwehr und habe mit dem Strafrecht nichts zu tun. Ihre Regelung im StGB gehe – was zutrifft - auf ein Gesetz von 1933 zurück und sei deswegen „historisch falsch“.

Aufgabe:
Wie wird das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entscheiden?

Bearbeitervermerk:
Es ist anzunehmen, dass das Urteil des EGMR endgültig ist. Gegebenenfalls sind die angesprochenen Rechtsfragen in einem Hilfsgutachten zu klären. § 359 Nr. 6 StPO ist nicht zu prüfen.
Auszug aus der EMRK:

Artikel 5 – Recht auf Freiheit und Sicherheit
(1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a) rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung wegen Nichtbefolgung einer rechtmäßigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d) rechtmäßige Freiheitsentziehung bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e) rechtmäßige Freiheitsentziehung mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
(2)...........

Artikel 7 – Keine Strafe ohne Gesetz
(1) Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.
(2)……….

Artikel 46 – Verbindlichkeit und Vollzug der Urteile
(1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.
(2)……..



1. Teil: Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde des A

Die Verfassungsbeschwerde des A hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.

A. Zulässigkeit
Die Verfassungsbeschwerde müsste zulässig sein.

I. Zuständigkeit, Art. 93 I Nr. 4a GG; § 13 Nr. 8a BVerfGG
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) müsste zuständig sein. Gem. Art. 93 I Nr. 4a GG; § 13 Nr. 8a BVerfGG ist das BVerfG für Verfassungsbeschwerden zuständig. Damit wurde die Zuständigkeit gewahrt.

II. Beteiligtenfähigkeit, § 90 I BVerfGG
A müsste beteiligtenfähig sein. Gem. § 90 I BVerfGG ist jedermann beteiligtenfähig. A ist eine natürliche Person und damit jedermann. Beteiligtenfähigkeit des A nach § 90 I BVerfGG ist gegeben.

III. Beschwerdegegenstand, § 90 I BVerfGG
Ferner müsste ein zulässiger Beschwerdegegenstand vorliegen. Gem. § 90 I BVerfGG ist dies jeder Akt der öffentlichen Gewalt (Exekutive, Legislative, Judikative). Hier wendet sich A gegen die letztinstanzliche Entscheidung des OLG. Dies ist ein Akt der Judikative. Damit liegt ein zulässiger Beschwerdegegenstand vor.

IV. Beschwerdebefugnis, § 90 I BverfGG
Auch müsste A beschwerdebefugt sein, § 90 I BVerfGG. Dies ist er, wenn er eine mögliche Grundrechtsverletzung behauptet sowie selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen ist.

1. Mögliche Grundrechtsverletzung
A müsste eine mögliche Grundrechtsverletzung geltend machen. Das BVerfG ist keine Superrevisionsinstanz, sodass die Verletzung einfachen Rechts nicht zur Verfassungsbeschwerde berechtigt. Möglich ist die Verletzung von Grundrechten, wenn sie von vornherein nicht ausgeschlossen werden kann. Hier könnte A durch das Urteil, das zur Sicherungsverwahrung des A verurteilt, in Art. 1 I; 2 II 2; 103 II GG verletzt sein. Damit liegt eine mögliche Grundrechtsverletzung vor.

2. Selbst, unmittelbar, gegenwärtig
Durch das aktuelle Urteil ist A auch selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen, es bedarf insbesondere keines weiteren Vollzugsaktes mehr.

V. Rechtswegerschöpfung, § 90 II BVerfGG
Gem. § 90 II BVerfGG kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Hier wendet sich A gegen in letztinstanzliches Urteil, gegen das kein weiterer Rechtsweg eröffnet ist. Damit hat A den Rechtsweg nach § 90 II BVerfGG erschöpft.

VI. Form und Frist, §§ 23, 92, 93 BVerfGG
A hat die Form und Frist nach §§ 23, 92, 93 BVerfGG gewahrt.

VII. Keine entgegenstehende Rechtskraft
Fraglich ist, ob der Verfassungsbeschwerde die Rechtskraft entgegensteht. Das BVerfG hat bereits im Jahre 2004 über eine ähnliche Situation entschieden, dass die zugrundeliegende Regelung des § 67d StGB insoweit verfassungsgemäß ist. Auch hier ist Grundlage des Urteils, das den A betrifft, § 67d StGB. Jedoch betraf die Entscheidung aus 2004 einen anderen Verlauf und einen anderen Streitgegenstand. Insofern erzeigt diese Entscheidung keine Bindungswirkung für den Verlauf des A. Damit steht der Beschwerde des A keine Rechtskraft entgegen.

Die Verfassungsbeschwerde des A ist zulässig.

B. Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde müsste auch begründet sein. Dies ist sie, wenn der Beschwerdeführer A in seinen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechten verletzt ist. In Betracht kommen Verstöße gegen Art. 1 I; 2 II 2 und 103 II GG.

I. Verstoß gegen Art. 1 I GG
Zunächst könnte das Urteil die Würde des A nach Art. 1 I GG verletzen. Hierfür müsste ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegen, der nicht gerechtfertigt ist. Der Schutzbereich des Art. 1 I GG müsste zunächst eröffnet sein. Vom BVerfGG wird bei der Bestimmung des Schutzbereichs die „Objektformel“ zugrunde gelegt, die zugleich Schutzbereich und Eingriff regelt. Das heißt, dass dann, wenn der Mensch zum Objekt staatlichen Handelns gemacht wird, der Schutzbereich betroffen ist sowie ein Eingriff in diesen Schutzbereich vorliegt. Fraglich ist, ob die lebenslange Sicherheitsverwahrung eine Maßnahme ist, die den A zum Objekt staatlichen Handelns macht. Durch das Verbringen eines Menschen in die lebenslange Sicherheitsverwahrung ist der Verlauf des Menschenlebens durch den Staat bereits festgelegt. Nur unter engen Voraussetzungen kann die Verwahrung beendet werden. Damit wirkt die Sicherungsverwahrung wie das Verwirken vieler Rechte. Jedoch geht es bei der Sicherungsverwahrung um Gefahrenabwehr, also um die Abwendung einer fortdauernden Gefährlichkeit. Dies bedeutet, dass der Betroffene nicht grundlos weggesperrt wird, sondern dadurch gegenläufige Ziele wie Leib und Leben anderer geschützt werden. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung auf Grundlage des § 67d StGB geschieht nicht willkürlich, sondern ist Ausdruck eines Bedürfnisses nach einer bestimmten Sanktion. Damit wird der Mensch dadurch nicht zum Objekt staatlichen Handelns gemacht. Vielmehr findet eine Abwägung statt. Der Schutzbereich des Art. 1 I GG ist nicht eröffnet. Ein Verstoß gegen Art. 1 I GG liegt folglich nicht vor.

II. Verstoß gegen Art. 2 II 2 GG
Ein Verstoß gegen Art. 2 II 2 GG könnte vorlügen. Auch hier muss der Schutzbereich eröffnet sein, in den eingegriffen wurde, ohne dass der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

1. Schutzbereich
Art. 2 II 2 GG schützt in persönlicher Hinsicht Jedermann und in sachlicher Hinsicht die körperliche Fortbewegung. A ist Jedermann und damit ist der persönliche Schutzbereich eröffnet. Unter der körperlichen Fortbewegungsfreiheit ist positiv das Recht zu verstehen, jeden beliebigen Ort aufzusuchen bzw. an einem bestimmten Ort nicht bleiben zu müssen. In negativer Hinsicht enthält die körperliche Fortbewegungsfreiheit das Recht, jeden beliebigen Ort zu meiden. Grundsätzlich hat die Sicherungsverwahrung das Ziel, die verwahrte Person nicht mehr aus der Verwahrung herauszulassen. Damit kann der Betroffene sich nicht derart fortbewegen, wie er will. Vielmehr ist eher eingesperrt. Damit ist auch der sachliche Schutzbereich betroffen. Der Schutzbereich ist eröffnet.

2. Eingriff
Ferner muss ein Eingriff vorliegen. Dies ist jede Verkürzung des Schutzbereiches. Durch die Anordnung einer Sicherungsverwahrung ist der Betroffene eingesperrt und kann sich nicht frei fortbewegen. Damit wird der Schutzbereich des Art. 2 II 2 GG verkürzt und ein Eingriff im klassischen Sinne liegt vor.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff könnte aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dies ist er dann, wenn er Ausdruck der Schranke ist.

a) Bestimmung der Schranke
Gem. Art. 2 II 3 GG darf in das Recht aus Art. 2 II 2 GG nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Dies ist dem Wortlaut nach ein einfacher Gesetzesvorbehalt. Allerdings regelt Art. 104 I, II GG zusätzliche Anforderungen, wenn es um die Einschränkung der Freiheit einer Person geht. Damit liegt insgesamt ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt vor.

b) Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage
Die Rechtsgrundlage, auf der das Urteil beruht, müsste ihrerseits verfassungsgemäß sein. Grundlage hier war § 67d StGB. Insbesondere müsste § 67d StGB formell und materiell verfassungsgemäß sein.

aa) Bindungswirkung der Entscheidung aus 2004
Bevor die formelle wie materielle Verfassungsmäßigkeit des § 67d StGB geprüft wird, könnte eine potenzielle Bindungswirkung der Entscheidung aus dem Jahre 2004 dieser Frage zuvor kommen. Das BVerfG hatte damals auch eine Aussage über die Verfassungsmäßigkeit des § 67d StGB getroffen. Dadurch könnte das BVerfG im aktuellen Prozess derart gebunden sein, dass es nicht erneut die Verfassungsmäßigkeit des § 67d StGB zu prüfen hat. Fraglich ist, ob von der Entscheidung eine Bindungswirkung ausgeht. Dagegen spricht zunächst, dass eine „Versteinerung“ der Rechtsprechung vermieden werden soll. Es ist denkbar, dass eine Vorschrift zu einem bestimmten Zeitpunkt auf eine Weise auslegt und dann aufgrund von Veränderungen in der Gesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt eine anderweitige Auslegung geboten ist. Ändern sich die Rahmenumstände, kann bzw. muss eine andere Einschätzung der Norm stattfinden. Eine solche maßgebliche Änderung der Rahmenbedingungen liegt hier in der Entscheidung des EGMR. Danach müsste das EGMR eine eine Entscheidung getroffen haben, die eine wesentliche Änderung darstellt, die zu einer abweichenden Beurteilung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 67d StGB führen kann. Gem. Art. 59 II GG hat die EMRK formal gesehen den Status von einfachen Rechts. Allerdings ist das GG völkerrechtsfreundlich. In dem Umfang, wie das GG völkerrechtsfreundlich ausgelegt werden kann, werden die Grundsätze der EMRK auch angewandt. Dies bedeutet, dass die Entscheidung des EGMR berücksichtigt werden muss und dadurch die Möglichkeit besteht, zu einer abweichende Einschätzung hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 67d StGB zu gelangen. Damit entfaltet die Entscheidung aus 2004 keine Bindungswirkung.

bb) Formelle Verfassungsmäßigkeit
§ 67d StGB müsste formell verfassungsgemäß sein. Zuständigkeit, Verfahren und Form müssten gewahrt worden sein. Hier werden Bedenken gegen die Zuständigkeit des Bundes bei der Gesetzgebung eingebracht. A ist der Ansicht, dass das Land dafür zuständig war, da § 67d StGB die Gefahrenabwehr betreffe. In Betracht kommt die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 74 I Nr. 1 GG. Danach ist der Bund zuständig für das „Strafrecht“. Man könnte sich fragen, ob die Maßnahmen zur Besserung und Sicherung nach §§ 61 ff. StGB „Strafe“ sind. Im engeren Sinne sind dies gerade keine Strafen, denn das Strafrecht sieht ein duales Sanktionssystem vor. Jedoch gehören die Maßnahmen nach §§ 61 ff. StGB systematisch zum Strafrecht, da sie wie die Strafen auch im StGB geregelt sind. Damit ist die Frage der Sicherungsverwahrung insgesamt im Kontext des Strafrechts zu sehen. Im Übrigen ist auch durch die Entscheidung des EGMR die Sicherungsverwahrung dem Strafrecht zuzuordnen. Damit war der Bund gem. Art. 74 I Nr. 1 GG zuständig. Somit ist § 67d StGB formell verfassungsgemäß.

cc) Materielle Verfassungmäßigkeit
Zudem müsste § 67d StGB auch materiell verfassungsgemäß sein.

(1) Schrankenspezifische Anforderungen
Zunächst müsste § 67d StGB den schrankunspezifischen Anforderungen der Art. 2 II 3; 104 I, II GG genügen. Danach wird vorausgesetzt, dass es sich dabei um ein förmliches Gesetz handelt, eine Misshandlung nicht geregelt sowie ein Richtervorbehalt vorgesehen ist.
§ 67d StGB ist ein Parlamentsgesetz und damit förmliches Gesetz i.S.d. Art. 104 I 1 GG. Zu einer Misshandlung von festgehaltenen Menschen wird in § 67d StGB ebenfalls nicht ermächtigt, Art. 104 I 2 GG. Schließlich darf nur der Richter über die Zulässigkeit und die Fortdauer einer Freiheitsentziehung entscheiden, Art. 104 II GG. Damit sind die schrankenspezifischen Anforderungen erfüllt.

(2) Verhältnismäßigkeit
§ 67d StGB müsste verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, § 67d StGB müsste einem legitimen Zweck dienen, geeignet, erforderlich und angemessen sein. Zweck des § 67d StGB ist es, die Allgemeinheit bei einer fortdauernden Gefährdung durch den Sicherungsverwahrten zu schützen. Durch die Verwahrung fördert man auch das Ziel, die Allgemeinheit zu schützen, da der Verwahrte dann keinen Zugang zur Allgemeinheit hat. Damit ist § 67d StGB auch geeignet. Erforderlichkeit meint, dass kein milderes Mittel gleicher Eignung existiert. Ein effektiveres Mittel als das Wegsperren gibt es nicht, auch wenn es alternative Möglichkeiten gibt. Diese sind aber nicht genauso geeignet wie die Verwahrung selbst. Im Rahmen der Angemessenheit sind die betroffenen Grundrechte gegeneinander abzuwägen. Auf der einen Seite ist die Freiheit der Person des Verwahrten nach Art. 2 II 2 GG anzuführen, dem die Sicherheit der Allgemeinheit sowie deren Leib und Leben nach Art. 2 II 1 GG gegenüberstehen. In Anbetracht der schweren Straftaten, die eine Sicherungsverwahrung ausläsen können, und der fortdauernden Gefährdung der Allgemeinheit durch den Täter erscheint die Sicherungsverwahrung bei einer Gegenüberstellung der Rechtsgüter angemessen, sodass insgesamt die Verhältnismäßigkeit gegeben ist.

(3) Sonstige Anforderungen
Ferner müsste § 67d StGB auch den sonstigen Anforderungen genügen. Darunter fällt das Bestimmtheitsgebot. Nur hier ergeben sich diesbezüglich keine Bedenken bei § 67d StGB. Jedoch rügt A den Verstoß der Wesensgehaltsgarantie. Werde er auf Lebzeiten eingesperrt, bleibe nichts mehr von seiner Freizeit. Die Einschränkung der Freiheit auf Lebzeiten des A ist erheblich. Andererseits muss die Wesensgehaltsgarantie in Bezug zur Verhältnismäßigkeit gesetzt werden. Wird eine Person eingesperrt, ist grundsätzlich immer der Wesensgehalt der Freiheit der Person betroffen. Ist die Einschränkung jedoch verhältnismäßig (s. o.), ist die Wesensgehaltsgarantie nicht verletzt.

Die EMRK könnte aber zu berücksichtigen sein. Zwar hat Völkerrecht nach Art. 59 II GG den Status einfachen Rechts, das Grundgesetz ist aber völkerrechtsfreundlich. Deshalb ist bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Grundgesetzes das Völkerrecht zu beachten, sofern keine Beschneidung der Grundrechte stattfindet und nicht gegen sonstige Verfassungsprinzipien verstoßen wurde. Hierzu zählt auch die Entscheidung des Gerichtshofs. Darin wurde ein Verstoß gegen Art. 5 I 2 lit. a EMRK festgestellt. Eine Einschränkung sei danach nur durch eine rechtmäßige Freiheitsentziehung nach der Verurteilung gerechtfertigt. Dies bedeutet, dass eine Kausalität zwischen Verurteilung und Freiheitsentziehung vorausgesetzt wird. Wird nunmehr eine lebenslange Sicherheitsverwahrung durch eine Neuregelung nach Verurteilung festgesetzt, ist der Kausalitätszusammenhang unterbrochen. Dies entspricht auch dem Wortlaut („nach Verurteilung“). Sieht die Regelung zur Zeit der Verurteilung die Verlängerung der Verwahrung vor, liegt keine Kausalität vor. § 67d StGB ist dadurch ohne die Anknüpfung an eine Verurteilung nicht völkerrechtskonform. Ein Verstoß gegen das Kausalitätserfordernis liegt vor. Damit ist § 67d StGB in Bezug auf Art. 2 II 2 GG des A materiell verfassungswidrig.


4. Ergebnis
Eine Verletzung des Art. 2 II 2 GG des A ist gegeben.

III. Verstoß gegen Art.103 II GG
Auch kann ein Verstoß gegen Art. 103 II GG vorliegen. Dort ist der Grundsatz „nulla poena sine lege“ geregelt, also keine Strafe ohne Gesetz. Hier stellt sich erneut die Frage, ob es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine Strafe i.S.d. Art. 103 II GG handelt. Im deutschen Strafrecht gilt das duale Sanktionssystem. Doch auch hier muss die Entscheidung des Gerichtshofs berücksichtigt werden, nun in Bezug auf Art. 7 EMRK. Dort wird die Sicherungsverwahrung als Teil der Strafe angesehen. Dies deckt sich auch mit dem systematischen Verständnis zur Bundeskompetenz aus Art. 74 GG (s. o.). Damit liegt hier ein Verstoß gegen Art. 103 II GG vor, da nachträglich eine Strafe für ein voran gegangenes Verhalten festgesetzt wird.

C. Gesamtergebnis
Die Verfassungsbeschwerde des A ist zulässig und begründet. Damit hat sie Aussicht auf Erfolg.

2. Teil: Erfolgsaussichten der einstweiligen Anordnung des A, § 32 BVerfGG

Der Antrag des A auf einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und soweit er begründet ist.

A. Zulässigkeit

I. Zuständigkeit
Die Zuständigkeit richtet sich nach der Zuständigkeit der Hauptsache. Damit ist auch für den einstweiligen Rechtsschutz das BVerfG zuständig.

II. Antragsberechtigung
Auch die Antragsberechtigung richtet sich nach der Hauptsache. Dadurch ist A durch seine Berechtigung in der Verfassungsbeschwerde auch im einstweiligen Rechtsschutz antragsberechtigt.

III. Antragsgegenstand
Antragsgegenstand ist die Entscheidung des OLG.

IV. Form, § 23 BVerfGG
Ferner ist davon auszugehen, dass A die Form des § 23 BVerfGG gewahrt hat.

V. RSB
Schließlich müsste A auch das Rechtsschutzbedürfnis erfüllen. Im einstweiligen Rechtsschutz ist insbesondere zu beachten, dass keine Vorwegnahme der Hauptsache stattfindet. Dies bedeutet, dass A grundsätzlich nicht das erlangen kann, was er später im Hauptsacherechtsbehelf erlangen kann. Hier ist davon auszugehen, dass A den Antrag darauf ausgerichtet hat, erstmal aus der Sicherungsverwahrung herauszukommen, zumindest bis zur Entscheidung in der Hauptsache und nicht auf ewig. Damit droht keine Vorwegnahme der Hauptsache und das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor.

B. Begründetheit
Der Antrag nach § 32 BVerfGG ist begründet, soweit die Hauptsache Aussicht auf Erfolg hat und dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

I. Erfolgsaussichten der Hauptsache
Wie bereits geprüft, hat die Beschwerde des A Aussicht auf Erfolg. Jedoch sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, sodass es einer weiteren Interessenabwägung bedarf.

II. Interessenabwägung
Fraglich ist, ob das Interesse des A auf Stattgabe im konkreten Fall überwiegt. Hier ist erneut eine Folgenabwägung anzustellen. Es ist zu fragen, welcher Fall die potenziellen Rechtsgüter mehr belastet. Zu unterscheiden ist der Fall, in dem A frei gelassen wird und in der Entscheidung die Sicherungsverwahrung für verfassungsgemäß erklärt wird, von dem Fall, in dem A noch verwahrt wird und dann frei gelassen wird. Damit stehen sich das gesellschaftliche Sicherheitsbedürfnis und die Freiheit des A erneut gegenüber. Im konkreten Fall wird die Gefährlichkeit des Verwahrten überwiegen. Der Staat kann es nicht riskieren, in der Zeit bis zur Entscheidung den Täter frei zu lassen. Umgekehrt erscheint es nicht so dramatisch, wenn A bis zur Entscheidung noch in Verwahrung bleibt, mit der Aussicht, dann freigelassen zu werden. Damit fällt die Abwägung nicht zum Vorteil des A aus.

Der Antrag ist nicht begründet.

C. Ergebnis
Trotz Zulässigkeit hat der Antrag des A aus § 32 BVerfGG mangels Begründetheit keine Aussicht auf Erfolg.