Fall: Der Pferdeflüsterer

Der nichtrechtsfähige Verein „Friesenpferd“ aus Norden in Niedersachsen ist eine nicht in das Vereinsregister eingetragene lokale Untergliederung des bundesweit tätigen „Wir lieben Pferde e.V“, der sich der Rettung ausrangierter Voltigierpferde vor der Schlachtbank verschrieben hat.
Die alleinige Vorstandsvorsitzende des „Friesenpferds“ Carola Maus (M), die ebenfalls aus Norden stammt, hatte vor einiger Zeit an einem Seminar des als „Pferdeflüsterer“ bekannten Tamme Hanken (T) teilgenommen und hatte dort viel über den richtigen Umgang mit Pferden gelernt. Da die geretteten Pferde, aufgrund ihres langjährigen Einsatzes als Voltigierpferde, einer ganz besonders intensiven Pflege bedürfen, wollte sie ein entsprechendes Seminar auch für „Friesenpferd“ buchen.
Sie wandte sich daher mit E-Mail vom 03.03.2010 an T und drückte ihm ihre Bewunderung für seine Arbeit aus. Gleichzeitig erkundigte sie sich nach Veranstaltungsmöglichkeiten vor Ort beim Verein „Friesenpferd“ und den diesbezüglichen Konditionen. Am 07.03.2010 antwortete eine Angestellte des T wie folgt:
„Sehr geehrte Frau Maus,
Herr Hanken bietet Vorträge und Wochenendseminare an. Bei einem Vortrag erscheint Herr Hanken ab 100 Teilnehmern. Die Gebühr pro Teilnehmer für den dreistündigen Vortrag beträgt 19,00 €. Welchen Eintrittspreis der Veranstalter nimmt, ist diesem selbst überlassen. Bei einem Wochenendseminar reist Herr Hanken mit zwei weiteren Mitarbeitern ab 40 Teilnehmern an. Die Gebühr beträgt für das Seminar (Samstag 10:00 – 18:00 Uhr und Sonntag 10:00 – 17:00 Uhr) 80,00 €. Welchen Eintrittspreis der Veranstalter nimmt, ist diesem selbst überlassen. Die Teilnehmerzahl ist auf 80 begrenzt. Bei Wochenendseminaren trägt Herr Hanke die Kosten für Anreise und Unterkunft auch seiner Mitarbeiter – selbst.
Die Bezahlung erfolgt jeweils nach Durchführung der Veranstaltung. Wenn Sie uns die genaue Teilnehmerzahl gemeldet haben, übersenden wir Ihnen die Rechnung dafür. Wir würden uns freuen, zwecks Terminsabsprache von Ihnen zu hören.“
M buchte daraufhin das angebotene Seminar für den Verein für das Wochenende am 05./06.05.2010 in Norden. T führte das Seminar mit zwei Mitarbeitern zur vollen Zufriedenheit aller 45 Teilnehmer durch.
Im Anschluss erhielten der Verein und M persönlich eine Rechnung vom 01.06.2010 in Höhe von 3.600 Euro. Sowohl der Verein, als auch M persönlich weigerten sich, auch nach erneuter Zahlungsaufforderung vom 01.07.2010 unter Fristsetzung bis zum 14.07.2010, die Summe zu begleichen, da nur 80 Euro für das gesamte Seminar vereinbart worden seien. Vergeblich forderte T den Verein und die M persönlich mit Schreiben vom 10.10.2010 erneut zur Zahlung der 3.600 Euro auf.
Mit Schriftsatz vom 30.12.2013, eingegangen bei Gericht am selben Tage, erhob T Klage gegen 1.) den nichtrechtsfähigen Verein „Friesenpferd“ sowie 2.) die Vorstandsvorsitzende M persönlich mit dem sinngemäßen Antrag, beide zu verurteilen, 3.600 Euro als Gesamtschuldner an T zu zahlen. Den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss hat er der Klage beigefügt.
Die Klage wurde dem nichtrechtsfähigen Verein „Friesenpferd“ und M aufgrund gerichtsinterner Versäumnisse jeweils erst am 28.01.2014 zugestellt. Beide beriefen sich in ihrer Erwiderung auf Verjährung.
Am 03.02.2014 zahlte der Verein „Friesenpferd“ auf das Konto von T 80 Euro ein. Daraufhin erklärte T mit Schriftsatz vom 05.03.2014 gegenüber dem Verein „Friesenpferd“ sowie gegenüber M den Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 80 Euro für erledigt. Dem Verein wurde dieser Schriftsatz ohne irgendwelche Hinweise des Gerichts zugestellt. Er gab hierzu keine Erklärung ab. M hat der Erledigung widersprochen.

Bearbeitervermerk:
Die Erfolgsaussichten der Klage sind zu prüfen. Begutachtungszeitpunkt ist der 15.03.2014.



I. Auslegung der Erklärungen

1. Erklärung gegenüber dem Verein
T hat den Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 80 Euro gegenüber dem Verein Friesenpferd für erledigt erklärt und der Verein Friesenpferd hat dazu keine Erklärung abgegeben. In dieser Erklärung des T liegt eine Teilerledigungserklärung. Fraglich ist, ob es sich bei dieser Teilerledigungserklärung um eine einseitige oder um eine übereinstimmende Teilerledigungserklärung handelt. Nach § 91a I 2 ZPO wird die Zustimmung des Beklagten vermutet, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, sofern der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist. Der beklagte Verein hat der Erledigungserklärung hier zwar nicht widersprochen, er wurde aber nicht über die Rechtsfolge des § 91a I2 ZPO belehrt. Die Fiktion des § 91a I 2 ZPO greift daher nicht ein. Es liegt daher eine einseitige Teilerledigungserklärung vor.
Die Erklärung des T müsste auch wirksam sein. Dafür müssen die Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen. Zu den Prozesshandlungsvoraussetzungen gehören die Partei- und die Prozessfähigkeit sowie die Postulationsfähigkeit. T ist als natürliche Personen rechtsfähig und damit nach § 50 I ZPO parteifähig sowie nach § 51 I ZPO prozessfähig. Bedenken hinsichtlich der Postulationsfähigkeit bestehen nicht, da sich der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht zuträgt. Im Übrigen könnte gemäß §§ 91a, 78 III ZPO die Erledigungserklärung auch vor dem Landgericht ohne anwaltliche Vertretung zu Protokoll erklärt werden. Die einseitige Teilerledigungserklärung ist damit auch wirksam.

2. Erklärung gegenüber M
T hat den Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 80 Euro auch gegenüber der M für erledigt erklärt. In dieser Erklärung des T liegt eine Teilerledigungserklärung. M hat dieser Erklärung widersprochen. Die Erklärungen bzw. der Widerspruch müssten auch wirksam sein. Dafür müssten die Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen. Sowohl T als auch M sind als natürliche Personen rechtsfähig und damit nach § 50 I ZPO parteifähig sowie nach § 51 ZPO prozessfähig. Bedenken gegen die Postulationsfähigkeit bestehen nicht (s.o.). Die einseitige Teilerledigungserklärung ist damit gegenüber M wirksam.

II. Zulässigkeit der Klageänderung
Bei den einseitigen Erledigungserklärungen des T gegenüber dem Verein und gegenüber M handelt es sich jeweils um eine stets zulässige Klageänderung in eine Feststellungsklage nach § 264 Nr. 2 ZPO.

III. Zulässigkeit der Klagen

1. Zulässigkeit der Klagen gegen den Verein
Die Klagen gegen den Verein müssten zulässig sein.

a) Zulässigkeit der Feststellungsklage
Die Feststellungsklage gegen den Verein müsste zulässig sein. Dies ist der Fall, wenn die allgemeinen Prozessvoraussetzungen sowie die besonderen Prozessvoraussetzungen der Feststellungsklage vorliegen.

aa) Allgemeine Prozessvoraussetzungen
Es müssten zunächst die allgemeinen Prozessvoraussetzungen gegeben sein.

(1) Zuständiges Gericht
Das Amtsgericht Norden müsste sachlich und örtlich zuständig sein.


(a) Sachliche Zuständigkeit
Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich gemäß § 1 ZPO nach §§ 71, 23 GVG. Danach sind die Landgerichte für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zuständig, soweit sie nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind. Eine streitwertunabhängige Zuweisung zu den Amtsgerichten nach §§ 23 Nr. 2, 23a GVG bzw. zu den Landgerichten nach § 71 II GVG ist hier nicht gegeben, so dass zur Bestimmung der Zuständigkeit der sog. Zuständigkeitsstreitwert heranzuziehen ist. Bei einem Zuständigkeitsstreitwert von einschließlich 5.000 Euro sind die Amtsgericht nach §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG zuständig. Der Zuständigkeitsstreitwert bestimmt sich nach den §§ 3 bis 9 ZPO, wobei nach § 4 I, 1. HS für die Bestimmung des Streitwertes der Zeitpunkt der Klageeinreichung maßgeblich ist. Bei einer auf Geldzahlung gerichteten Leistungsklage bestimmt sich der Wert nach § 3 ZPO nach dem Betrag des Klageantrags. Dieser betrug zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nach § 3 ZPO 3.600 Euro, so dass das Amtsgericht sachlich zuständig ist. Die nach Rechtshängigkeit erklärte Teilerledigung ändert an der Zuständigkeit gemäß § 261 III Nr. 2 ZPO nichts.

(b) Örtliche Zuständigkeit
Das Amtsgericht Norden müsste auch örtlich zuständig sein.

(aa) Ausschließlicher Gerichtsstand
Ein ausschließlicher Gerichtsstand greift hier nicht ein.

(bb) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts, § 29 I ZPO
Die Zuständigkeit könnte aus dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 I ZPO folgen. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. T macht einen vertraglichen Vergütungsanspruch geltend. Nach § 269 BGB ist die Pflicht des Vereins zur Zahlung der Vergütung am Vereinssitz zu begleichen, soweit nichts anderes vereinbart ist. Eine anderweitige Vereinbarung wurde nicht getroffen. Der Sitz des Vereins ist gemäß § 24 BGB in Norden. Damit ist das Amtsgericht Norden nach § 29 ZPO örtlich zuständig.

(cc) Allgemeiner Gerichtsstand, §§ 12, 17 ZPO
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Norden könnte sich zudem aus dem allgemeinen Gerichtsstand ergeben. Dieser befindet sich nach §§ 12, 17 ZPO am Sitz des Vereins, der hier in Norden liegt.

(dd) Zwischenergebnis
Das Amtsgericht Norden ist sachlich nach §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG und örtlich nach §§ 29 I, 12, 17 ZPO zuständig.

(2) Parteifähigkeit
Nach § 50 I ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Der Verein „Friesenpferd“ ist nicht rechtsfähig. Gemäß § 50 II ZPO kann aber auch ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, klagen und verklagt werden. Der nichtrechtsfähige Verein „Friesenpferd“ ist damit nach § 50 II ZPO parteifähig. T ist als natürliche Person rechtsfähig und damit parteifähig.

(3) Prozessfähigkeit
Der Verein müsste auch nach § 51 I ZPO prozessfähig sein. Prozessfähig ist, wer wirksam Prozesshandlungen vornehmen oder durch selbst bestellte Vertreter vornehmen lassen kann. Der nichtrechtsfähige Verein kann, ebenso wie der rechtsfähige nicht selbst Erklärungen abgeben sondern er muss vertreten werden. Entgegen dem Wortlaut des § 54 S. 1 BGB finden auf den nichtrechtsfähigen Verein all diejenigen Vorschriften über den rechtsfähigen Verein Anwendung, die die Rechtsfähigkeit nicht zwingend voraussetzen. Die Frage, wer den Verein vertritt, hat nichts mit Rechtsfähigkeit des Vereins zu tun, so dass auf den nicht-rechtsfähigen Verein auch die Vertretungsregelungen des rechtsfähigen Vereins Anwendung finden. Nach § 26 I 2 BGB vertritt der Vorstand den Verein gerichtlich und außergerichtlich. Der Verein ist mithin nach § 51 I ZPO i.V.m. § 26 I 2 BGB i.V.m. der Vereinssatzung prozessfähig und wird insoweit durch seinen Vorstand vertreten.

(4) Zwischenergebnis
Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen liegen damit vor.

bb) Besondere Prozessvoraussetzungen
Es müssten ferner die besonderen Prozessvoraussetzungen der Feststellungsklage vorliegen. Gemäß § 256 I ZPO muss der Kläger, hier T, ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses haben. Hier ist die Klage des T, durch die Zahlung des Vereins in Höhe von 80 Euro unbegründet geworden, da insoweit Erfüllung nach § 326 BGB eingetreten ist. Würde T jetzt nichts unternehmen, würde die Klage insoweit wegen Unbegründetheit abgewiesen und er hätte die Kosten zu tragen. Würde er die Klage in Höhe von 80 Euro zurücknehmen, hätte er nach § 269 III 2 ZPO ebenfalls die Kosten zu tragen. Dieser Folge kann T nur über die Klageänderung von der Leistungsklage zur Feststellungsklage entgehen. Ist die Feststellungsklage, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache in der Höhe von 80 Euro erledigt ist, begründet, so hat der Verein die Kosten zu tragen, § 91 ZPO. T hat damit ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung i.S.v. § 256 I ZPO.

b) Zulässigkeit der Rest-Leistungsklage
Bezüglich der Rest-Leistungsklage gelten hinsichtlich der allgemeinen Prozessvoraussetzungen die gleichen Voraussetzungen wie bei der Feststellungsklage. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, s.o.

2. Zulässigkeit der Klagen gegen M

a) Zulässigkeit der Feststellungsklage
Die Feststellungsklage gegen den M müsste zulässig sein. Dies ist der Fall, wenn die allgemeinen Prozessvoraussetzungen sowie die besonderen Prozessvoraussetzungen der Feststellungsklage vorliegen.

aa) Allgemeine Prozessvoraussetzungen
Es müssten zunächst die allgemeinen Prozessvoraussetzungen gegeben sein.

(1) Zuständiges Gericht
Das Amtsgericht Norden müsste sachlich und örtlich zuständig sein.

(a) Sachliche Zuständigkeit
Eine streitwertunabhängige Zuweisung zu den Amtsgerichten nach §§ 23 Nr. 2, 23a GVG bzw. zu den Landgerichten nach § 71 II GVG ist auch bzgl. M nicht gegeben, sodass zur Bestimmung der Zuständigkeit der sog. Zuständigkeitsstreitwert heranzuziehen ist. Dieser betrug zum Zeitpunkt der Klageeinreichung gegenüber M nach § 3 ZPO 3.600 Euro (s.o.), so dass das Amtsgericht sachlich zuständig ist. Die nach Rechtshängigkeit erklärte Teilerledigung ändert an der Zuständigkeit gemäß § 261 III Nr. 2 ZPO nichts.

(b) Örtliche Zuständigkeit
Das Amtsgericht Norden müsste auch für die Klage gegen M örtlich zuständig sein. Ein ausschließlicher Gerichtsstand greift auch gegenüber M nicht ein. Die Zuständigkeit könnte aus dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 I ZPO folgen. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. T macht einen vertraglichen Vergütungsanspruch gegenüber dem Verein geltend (s.o.) und stützt sich bzgl. des Anspruchs gegen M auf § 54 S. 2 BGB, nach welchem der Handelnde für diesen (vertraglichen) Anspruch auch persönlich haftet. Es scheint daher vertretbar, § 29 ZPO auch auf diesen Anspruch anzuwenden. Nach § 269 BGB hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, soweit nichts anderes vereinbart oder aus der Natur des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist. Eine anderweitige Vereinbarung wurde nicht getroffen und der Natur des Schuldverhältnisses ist auch kein abweichender Leistungsort zu entnehmen, so dass der Wohnsitz des Schuldners maßgeblich ist. Damit ist das Amtsgericht Norden nach § 29 ZPO örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Norden folgt zudem §§ 12, 13 ZPO.

(c) Zwischenergebnis
Das Amtsgericht Norden ist sachlich nach §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG und örtlich nach §§ 29 I, 12, 17 ZPO zuständig.

(2) Parteifähigkeit
Nach § 50 I ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. M ist, wie T, als natürliche Person rechtsfähig und damit parteifähig.

(3) Prozessfähigkeit
T und M sind als natürliche, uneingeschränkt geschäftsfähige Personen auch fähig wirksam Prozesshandlungen vorzunehmen. T und M sind damit gemäß § 51 ZPO prozessfähig.

(4) Zwischenergebnis
Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen liegen damit vor.

bb) Besondere Prozessvoraussetzungen
Es müssten ferner die besonderen Prozessvoraussetzungen der Feststellungsklage vorliegen. Gemäß § 256 I ZPO muss der Kläger, hier T, ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses haben. Dieses liegt auch gegenüber M in dem Kosteninteresse.

b) Zulässigkeit der Rest-Leistungsklage
Bezüglich der Rest-Leistungsklage gelten auch bezüglich M hinsichtlich der allgemeinen Prozessvoraussetzungen die gleichen Voraussetzungen wie bei der Feststellungsklage. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, s.o.

IV. Zulässigkeit der Klagehäufung

1. Zulässigkeit der subjektiven Klagehäufung/Streitgenossenschaft
T verklagt sowohl den Verein als auch die M. Diese subjektive Klagehäufung (sog. Streitgenossenschaft) müsste zulässig sein. Die Voraussetzungen der subjektiven Klagehäufung bestimmen sich nach §§ 59, 60 ZPO i.V.m. 260 ZPO analog. Zunächst müssten die Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO vorliegen. Der Verein als auch M sind aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grunde, dem Vertrag, verpflichtet und damit nach § 59, 2. Alt ZPO Streitgenossen. Weitere Voraussetzungen der Zulässigkeit der Streitgenossenschaft sind analog § 260 ZPO, dass für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig ist, dieselbe Prozessart gegeben ist und kein Verbindungsverbot besteht. Hier ist für alle Klagen das Prozessgericht zuständig (s.o.). Dieselbe Prozessart ist gegeben, wenn die Verfahrensregelung (z.B. Arrest-, Urkundenprozess o.ä.) die gleiche ist. T klagt gegen beide Gegner im Wege der Leistungs- und der Feststellungsklage, so dass in beiden Prozessen die gleiche Hauptsache und damit dieselbe Prozessart vorliegt. Ein Verbindungsverbot ist nicht ersichtlich. Die subjektive Klagehäufung ist damit zulässig.

2. Zulässigkeit der objektiven Klagehäufung
T macht gegen den Verein (und auch gegen M) jeweils sowohl eine Leistungsklage als auch eine Feststellungsklage, mithin zwei Klagen, in einem Prozess geltend. Diese objektive Klagehäufung wäre zulässig, wenn sie die Voraussetzungen des § 260 ZPO beachtet. Hier ist das Prozessgericht für beide Ansprüche zulässig (s.o.) und es handelt sich bei beiden Klagen auch um dieselbe Prozessart im Sinne des § 260 ZPO. Damit liegen auch die Voraussetzungen der objektiven Klagehäufung vor.

V. Begründetheit der Klagen

1. Begründetheit der Feststellungsklage
Die Feststellungsklage gegen den Verein und gegen M ist begründet, wenn die ursprüngliche Klage gegen den Verein und M zulässig und begründet war und durch ein tatsächlich erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit unzulässig und/oder unbegründet geworden ist.

a) Zulässigkeit der ursprünglichen Klage
Die ursprüngliche Klage (Leistungsklage gegen den Verein und M auf Zahlung von 3.600, Euro) war zulässig (s.o., es bestehen keine Unterschiede zur Rest-Leistungsklage).

b) Begründetheit der ursprünglichen Klage
Die ursprüngliche Klage gegen den Verein und M müsste begründet gewesen sein. T hat mit der ursprünglichen Klage den Verein und M als Gesamtschuldner auf Zahlung von 3.600 Euro verklagt. Damit diese Klage begründet ist, muss sowohl gegenüber dem Verein, als auch gegenüber M eine Anspruch von Zahlung von 3.600 Euro bestehen und es müssen die Voraussetzungen der Gesamtschuldnerschaft vorliegen.

aa) Anspruch gegenüber dem Verein

(1) Anspruch entstanden
T könnte gegen den Verein einen Anspruch auf Vergütung des Seminars aus § 611 I BGB haben. Dazu müsste zwischen T und dem Verein ein Dienstvertrag zustande gekommen sein. T und der Verein könnten sich über die Durchführung des Seminars geeinigt haben. Dazu müssten übereinstimmende Willenserklärungen im Sinne der §§ 145 ff. BGB vorliegen. In der E-Mail vom 03.03.2010 liegt ein Angebot. Dieses Angebot hat allerdings S abgegeben. S könnte jedoch T bei der Abgabe des Angebots gemäß § 164 BGB vertreten haben. Eine wirksame Stellvertretung des T durch S setzt eine eigene Willenserklärung der S, ein Handeln im Namen des T sowie Vertretungsmacht voraus. Die S hat mit dem Angebot in der E-Mail eine eigene Willenserklärung abgegeben. Aus den Umständen ist ersichtlich, dass das Angebot im Namen des T erfolgt, da er die Seminare im eigenen Namen ausrichtet. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte und angesichts des weiteren Verhaltens des T, der offensichtlich die Erklärungen der S gegen sich gelten lassen will, ist vom Vorliegen der Vertretungsmacht der S auszugehen. S hat damit für T wirksam ein Angebot abgegeben. Die M hat das Angebot für den Verein angenommen. Der Verein wurde bei der Annahme des Angebots nach § 26 I 2 BGB durch die Vorstandsvorsitzende M vertreten. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Annahme bestehen damit nicht.
Fraglich ist indes, welchen Inhalt die Einigung hat. Die Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB im Lichte der E-Mail der S vom 07.03.2010 auszulegen, da M das darin liegende Angebot angenommen hat. Nach §§ 133, 157 BGB sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen darf. Dabei darf sich der Empfänger nicht auf die ihm günstigste Auslegung berufen, sondern ist gehalten, unter Berücksichtigung aller Umstände mit der erforderlichen Sorgfalt zu überprüfen, was der Erklärende gemeint hat. Nach dem Wortlaut des Angebots wurde ein Preis von 80 Euro für das Seminar vereinbart. Der Zusatz „pro Teilnehmer“ wurde – anders als bei dem Angebot bzgl. des Vortrags – nicht genannt. Die Formulierung, die Gebühr betrage für das „gesamte Seminar (Samstag 10:00 – 18:00 Uhr und Sonntag 10:00 – 17:00 Uhr) 80 Euro“, spricht aber ersichtlich dafür, dass sich das Wort „gesamt“ nicht auf eine teilnehmerunabhängige Vergütung sondern auf die zeitliche Komponente bezieht. Auch der Hinweis, dass es dem Veranstalter unbenommen bleibe, welchen Preis er von den Teilnehmern verlangt, spricht dafür, dass 80 Euro pro Teilnehmer zu zahlen sind. Insbesondere der abschließende Hinweis, dass eine Rechnung erst nach Durchführung der Veranstaltung und nach Mitteilung der Teilnehmerzahl erstellt wird, deutet auf eine teilnehmerbezogene Vergütung hin.
Darüber hinaus sind wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Wenn eine teilnehmerunabhängige Vergütung geschuldet ist, erschließt sich nicht, warum eine Mindestteilnehmerzahl von 40 Leuten gefordert wird. Auch ist eine Vergütung von 80 Euro für ein 15-stündiges Wochenendseminar mit der Unterstützung zweier Mitarbeiter objektiv gesehen zu gering. Außerdem deutet der Hinweis, dass T die Kosten der Unterkunft und Reise für sich und seine Mitarbeiter selbst trägt darauf hin, dass kein Gesamtpreis von 80 Euro gemeint sein kann. Letztlich dürfte M, die bereits zuvor ein Seminar besucht hatte, klar gewesen sein, dass es sich bei den 80 Euro um einen Preis pro Teilnehmer handelt.
Schließlich zeigt der Vergleich mit der für einen dreistündigen Vortrag verlangten Vergütung von 1.900 Euro, dass es sich lediglich um einen teilnehmerbezogenen Preis handeln kann.
Die Erklärungen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont folglich dahingehend auszulegen, dass sich die Vertragsparteien über eine Vergütung in Höhe von 80 Euro pro Teilnehmer geeinigt haben. Da das Seminar unstreitig mit 45 Teilnehmern stattgefunden hat, war für T ein Anspruch gegen den Verein in Höhe von 3.600 Euro entstanden.

(2) Anspruch untergegangen
Der Anspruch des T gegen den Verein war (bis zum tatsächlich erledigenden Ereignis) auch nicht untergegangen.

(3) Anspruch durchsetzbar
Der Anspruch müsste ferner durchsetzbar gewesen sein. Der Anspruch könnte nach § 214 I BGB verjährt sein. Nach §§ 195, 199 I, 187 I BGB begann die dreijährige Verjährungsfrist am 01.01.20011 um 00:00 Uhr und endete nach § 188 II BGB am 31.12.2013 um 24:00 Uhr. Der Verein hat die Einrede der Verjährung auch in der Klagerwiderung erhoben, so dass der Anspruch grundsätzlich ab dem 01.01.2014 grundsätzlich verjährt wäre.
Die Verjährung könnte indes durch die Erhebung der Klage gehemmt sein. Nach § 204 I Nr. 1 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils. Hier hat T eine Klage auf Leistung erhoben. Die Klage wurde den Beklagten allerdings erst am 28.01.2014 und damit nach Verjährungseintritt zugestellt. Fraglich ist, wie sich dies auf die Verjährungshemmung auswirkt. Es könnte insoweit § 167 ZPO eingreifen. Danach tritt, wenn durch die Zustellung die Verjährung nach § 204 BGB gehemmt werden soll, die Wirkung bereits mit Eingang des Antrags ein, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Die Zustellung erfolgt „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO, wenn die Zustellung noch innerhalb angemessener Zeit nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt. Eine Frist von zwei Wochen wird grundsätzlich als angemessen betrachtet. Eine längere Frist ist dann angemessen, wenn die Partei alles Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung unternommen hat, die Versäumnis der rechtzeitigen Zustellung folglich nicht in ihre Sphäre fällt. T hat den Gerichtskostenvorschuss geleistet und auch sonst eine - offenbar - zustellungsfähige Klage bei Gericht eingereicht und damit alles ihm Mögliche unternommen, dass die Klage alsbald zugestellt werden kann. Die verspätete Zustellung ist auf gerichtsinterne Gründe zurückzuführen und dem T nicht anzulasten. § 167 ZPO findet folglich Anwendung. Die Wirkung des § 204 I Nr. 1 BGB tritt damit gemäß § 167 ZPO bereits mit Eingang bei Gericht und damit am 30.12.2013 ein. Die Verjährung wurde somit nach §§ 167 ZPO, 204 I Nr. 1 ZPO durch die Erhebung der Klage des T gehemmt.

(4) Zwischenergebnis
Die ursprüngliche Klage des T gegen den Verein auf Zahlung von 3.600 Euro war damit begründet.

bb) Anspruch gegenüber M

(1) Anspruch entstanden
Das wäre der Fall, wenn T einen Anspruch gegen M auf Zahlung von 3.600 Euro hat. T könnte gegen M einen Anspruch auf Zahlung von Vergütung aus § 54 S. 2 BGB i.V.m. § 611 I BGB haben.
Ein solcher Anspruch aus § 54 S. 2 BGB setzt voraus, dass ein Vergütungsanspruch gegen den Verein besteht bzw. bestand und M als Handelnde im Sinne von § 54 S. 2 BGB zu qualifizieren ist.

(a) Vergütungsanspruch gegen den Verein
Gegenüber T besteht bzw. bestand ein Vergütungsanspruch in Höhe von 3.600 Euro (s.o.).

(b) Handelnde im Sinne des § 54 S. 2 BGB
M müsste weiter Handelnde im Sinne von § 54 S. 2 BGB sein. Handelnder ist, wer nach außen hin für den Verein auftritt. M ist Vorstandsvorsitzende des Vereins und vertritt diesen nach § 26 I 2 BGB. Sie ist auch in ihrer Funktion als Vorstandsvorsitzende aufgetreten und hat für den Verein den Dienstvertrag mit T abgeschlossen. Sie war damit Handelnde im Sinne des § 54 S. 2 BGB.

T hatte folglich einen Anspruch gegen M auf Zahlung von 3.600,00 €.

(2) Anspruch untergegangen
Der Anspruch des T gegen die M war (bis zum tatsächlich erledigenden Ereignis) auch nicht untergegangen.

(3) Anspruch durchsetzbar
Der Anspruch müsste ferner durchsetzbar gewesen sein. Auch die M hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen. Die Verjährung wurde indes nach §§ 167, 204 I Nr. 1 ZPO durch die Erhebung der Klage des T gehemmt (s.o.). Der Anspruch gegen M ist damit auch durchsetzbar.

cc) Gesamtschuldnerschaft
Der Verein und M müssten weiterhin Gesamtschuldner sein. In Betracht kommt hier eine Gesamtschuldnerschaft aus § 421 BGB. Gesamtschuldnerschaft im Sinne des § 421 BGB ist gegeben, wenn sich der Anspruch gegen mehrere Schuldner richtet, die Leistung aber nur einmal gefordert werden kann und Gleichstufigkeit vorliegt. Der Anspruch besteht gegen den Verein und gegenüber M und damit gegen mehrere Schuldner. T kann die Leistung aber nur einmal fordern. Gleichstufigkeit ist zu verneinen, wenn ein Schuldner nachrangig gegenüber dem anderen haftet. Dieser unterschiedliche Rang muss im Außenverhältnis deutlich werden. Hier wird im Außenverhältnis nicht deutlich, ob der Verein oder M vorrangig haftet. Beide haften nach außen in gleichem Maße, auch wenn im Innenverhältnis ein Regressanspruch der M gegen den Verein analog § 31a II BGB zu bejahen wäre. Es liegt damit eine Gesamtschuldnerschaft vor.

Damit war die ursprüngliche Klage gegen den Verein und M begründet.

c) Tatsächlich erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit
Es müsste ein tatsächlich erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit vorliegen. Die Klage ist mit Zustellung der Klage nach §§ 253 I, 261 I ZPO am 28.01. 2014 rechtshängig geworden. Am 03.02.2014 und damit nach Rechtshängigkeit wurden 80 Euro auf das Konto des T eingezahlt, so dass auch ein tatsächlich erledigendes Ereignis vorliegt.

d) Führt zur Unzulässigkeit und/oder Unbegründetheit der Klage
Durch die Zahlung des Betrages in Höhe von 80 Euro ist eine Erfüllung des Anspruchs in dieser Höhe nach § 362 BGB eingetreten. Der Anspruch ist damit in dieser Höhe erloschen. Das tatsächlich erledigende Ereignis hat damit zur Unbegründetheit der Klage in Höhe von 80 Euro geführt. Die Zahlung des T entfaltet aufgrund der Gesamtschuldnerschaft auch gegenüber M Erfüllungswirkung.

Die Feststellungsklage des T ist damit sowohl gegenüber dem Verein als auch gegenüber M begründet.

2. Begründetheit der Rest-Leistungsklage
Der Anspruch auf Zahlung besteht in Höhe von 3.520 Euro fort. Der Anspruch ist weder erloschen noch undurchsetzbar, insbesondere ist er nicht verjährt (s.o.). Die Rest-Leistungsklage gegen den Verein und M ist damit begründet, so dass beide zu verurteilen sind, 3.520 Euro als Gesamtschuldner an T zu zahlen.

VI. Gesamtergebnis
Die Klagen des T haben Erfolg.