Fall: Der Nachbar
Nils Neumann (N) aus Königswinter ist im ganzen Ort für seinen tadellosen Garten bekannt. Sein neuestes Werk ist ein zweistöckiges Baumhaus für seine Kinder. Seitdem das Baumhaus fertig gestellt ist, lässt die Tochter seines Nachbarn Sören Scholz (S), Fiona, diesem keine Ruhe mehr, sie möchte auch ein zweistöckiges Baumhaus. S, der beruflich sehr eingespannt ist und auch über keinerlei handwerkliches Talent verfügt, bittet daher den N, auch in seinem Garten ein zweistöckiges Baumhaus zu errichten. N einigt sich mit S, ihm ein Baumhaus für 2.000 € zu bauen. Eine Woche später steht das Baumhaus. Sowohl S, als auch seine Tochter Fiona, sind begeistert, und S verspricht die baldige Zahlung. Als S vier Wochen später noch nicht gezahlt hat, fordert N ihn am 01.07.2014 zur Zahlung auf. Die Aufforderung und eine zweite vom 15.07.2014 bleiben erfolglos.
N erhebt daher Klage gegen S vor dem Amtsgericht Königswinter auf Zahlung von 2.000 €. In der mündlichen Verhandlung am 01.09.2014 schließen S und N einen Prozessvergleich, in dem sich S zur Zahlung von 1.500 € verpflichtet. Gleichzeitig lassen sie einen bereits zuvor geschlossenen Vergleich, in dem sich S zur Herausgabe des Labradorrüden Ludwig verpflichtet, mitprotokollieren. Der Vergleich wird weder vorgelesen noch vorgespielt, noch wird entsprechendes im Protokoll vermerkt.
Hintergrund dessen ist folgender: N ist zudem auch erfolgreicher Hundezüchter und hat sich auf Hunde der Rasse Labrador spezialisiert. Im März 2014 hatte die Labradorhündin des N acht Welpen zur Welt gebracht. Sieben Tiere wurden in kürzester Zeit verkauft, den einzigen Rüden des Wurfes, Ludwig, wollte N zur Zucht behalten. Der temperamentvolle Junghund brachte jedoch so viel Unruhe in die fünfköpfige Hundgruppe des N, dass sich dieser entschloss, sich nun doch von Ludwig zu trennen. S sah dies als perfekte Gelegenheit, seiner Tochter Fiona einen Hund zu kaufen. Da er sich jedoch nicht sicher war, ob Fiona schon alt genug ist, die Verantwortung für ein Tier zu übernehmen, vereinbarte er mit N, Ludwig zunächst probeweise für einen Monat gegen Zahlung von 10 € pro Tag zu nehmen.
Nach Ablauf des Monats Ende Juni verweigerte S die Herausgabe von Ludwig an N, da sich Fiona schon so sehr an das Tier gewöhnt hatte. Mittlerweile war N zu seinem ursprünglichen Plan, Ludwig für seine Zucht zu behalten, zurückgekehrt und forderte daher mehrfach dessen Herausgabe und Zahlung von 10 € pro Tag, insgesamt also 300 €. Da S in keinem Fall bereit war, 300 € zu zahlen, schlossen beide einen dahingehenden Vergleich, dass sich S zur Herausgabe des Hundes verpflichtet und N im Gegenzug auf die Zahlung der 300 € verzichtet.
Aufgrund des vor Gericht geschlossenen Vergleichs zahlte S die Summe von 1.500 €, weigerte sich aber, trotz des am 01.09.2014 mitprotokollierten Vergleichs, Ludwig herauszugeben.
N erhob daher erneut Klage vor dem Amtsgericht Königswinter am 01.10.2014. Er fordert die Herausgabe des Labradorrüden Ludwig. Hilfsweise, da er den mittlerweile sieben Monate alten Junghund seit einigen Wochen nicht mehr im Garten des S gesehen hatte, macht er einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Wertes des Ludwig in Höhe von 1.000 € geltend.
Tatsächlich hat S eines Abends im September absichtlich das Gartentor offen stehen lassen, da ihm der verursachte Dreck und die im ganzen Haus herumfliegenden Hundehaare die Freude an dem Tier genommen hatten. Fiona gegenüber verkaufte er dies als Versehen. Ludwig war seit diesem Abend sehr zum Leid von Fiona spurlos verschwunden.
Zur mündlichen Verhandlung am 25.10.2014 erschien N nicht. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung hatte er zwar erhalten, doch wurde ihm in dieser mitgeteilt, dass der Termin auf den 25.11.2014 angesetzt sei. Aufgrund seiner Säumnis ist ein Versäumnisurteil gegen ihn ergangen, mit dem seine Klage abgewiesen wird. Als dem völlig überraschten N das Versäumnisurteil am 30.10.2014 zugestellt wurde, legte dieser am 03.11.2014 Einspruch gegen das Urteil beim Amtsgericht Königswinter ein.
Bearbeitervermerk:
Die Erfolgsaussichten des Einspruchs sind zu prüfen.
N erhebt daher Klage gegen S vor dem Amtsgericht Königswinter auf Zahlung von 2.000 €. In der mündlichen Verhandlung am 01.09.2014 schließen S und N einen Prozessvergleich, in dem sich S zur Zahlung von 1.500 € verpflichtet. Gleichzeitig lassen sie einen bereits zuvor geschlossenen Vergleich, in dem sich S zur Herausgabe des Labradorrüden Ludwig verpflichtet, mitprotokollieren. Der Vergleich wird weder vorgelesen noch vorgespielt, noch wird entsprechendes im Protokoll vermerkt.
Hintergrund dessen ist folgender: N ist zudem auch erfolgreicher Hundezüchter und hat sich auf Hunde der Rasse Labrador spezialisiert. Im März 2014 hatte die Labradorhündin des N acht Welpen zur Welt gebracht. Sieben Tiere wurden in kürzester Zeit verkauft, den einzigen Rüden des Wurfes, Ludwig, wollte N zur Zucht behalten. Der temperamentvolle Junghund brachte jedoch so viel Unruhe in die fünfköpfige Hundgruppe des N, dass sich dieser entschloss, sich nun doch von Ludwig zu trennen. S sah dies als perfekte Gelegenheit, seiner Tochter Fiona einen Hund zu kaufen. Da er sich jedoch nicht sicher war, ob Fiona schon alt genug ist, die Verantwortung für ein Tier zu übernehmen, vereinbarte er mit N, Ludwig zunächst probeweise für einen Monat gegen Zahlung von 10 € pro Tag zu nehmen.
Nach Ablauf des Monats Ende Juni verweigerte S die Herausgabe von Ludwig an N, da sich Fiona schon so sehr an das Tier gewöhnt hatte. Mittlerweile war N zu seinem ursprünglichen Plan, Ludwig für seine Zucht zu behalten, zurückgekehrt und forderte daher mehrfach dessen Herausgabe und Zahlung von 10 € pro Tag, insgesamt also 300 €. Da S in keinem Fall bereit war, 300 € zu zahlen, schlossen beide einen dahingehenden Vergleich, dass sich S zur Herausgabe des Hundes verpflichtet und N im Gegenzug auf die Zahlung der 300 € verzichtet.
Aufgrund des vor Gericht geschlossenen Vergleichs zahlte S die Summe von 1.500 €, weigerte sich aber, trotz des am 01.09.2014 mitprotokollierten Vergleichs, Ludwig herauszugeben.
N erhob daher erneut Klage vor dem Amtsgericht Königswinter am 01.10.2014. Er fordert die Herausgabe des Labradorrüden Ludwig. Hilfsweise, da er den mittlerweile sieben Monate alten Junghund seit einigen Wochen nicht mehr im Garten des S gesehen hatte, macht er einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Wertes des Ludwig in Höhe von 1.000 € geltend.
Tatsächlich hat S eines Abends im September absichtlich das Gartentor offen stehen lassen, da ihm der verursachte Dreck und die im ganzen Haus herumfliegenden Hundehaare die Freude an dem Tier genommen hatten. Fiona gegenüber verkaufte er dies als Versehen. Ludwig war seit diesem Abend sehr zum Leid von Fiona spurlos verschwunden.
Zur mündlichen Verhandlung am 25.10.2014 erschien N nicht. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung hatte er zwar erhalten, doch wurde ihm in dieser mitgeteilt, dass der Termin auf den 25.11.2014 angesetzt sei. Aufgrund seiner Säumnis ist ein Versäumnisurteil gegen ihn ergangen, mit dem seine Klage abgewiesen wird. Als dem völlig überraschten N das Versäumnisurteil am 30.10.2014 zugestellt wurde, legte dieser am 03.11.2014 Einspruch gegen das Urteil beim Amtsgericht Königswinter ein.
Bearbeitervermerk:
Die Erfolgsaussichten des Einspruchs sind zu prüfen.
A. Zulässigkeit des Einspruchs, §§ 338 ff. ZPO
Der Einspruch müsste zulässig sein. Das ist nach § 341 I ZPO der Fall, wenn der Einspruch statthaft ist und form- sowie fristgerecht eingelegt wurde.
I. Statthaftigkeit, § 338 ZPO
Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht nach § 338 S. 1 ZPO gegen das Urteil der Einspruch zu. Erforderlich ist grundsätzlich, dass es sich um ein „echtes“ Versäumnisurteil handelt, was bedeutet, dass das Urteil gerade aufgrund der Säumnis des N ergangen sein muss. N war in der mündlichen Verhandlung am 25.10.2014 nicht anwesend und damit säumig, § 330 ZPO. Der Richter hat aufgrund der Säumnis des N die Klage abgewiesen. Es handelt sich damit um ein echtes Versäumnisurteil. Der Umstand, dass N schuldlos säumig war, weil er zu einem falschen Termin geladen wurde, ist an dieser Stelle irrelevant. Das Versäumnisurteil hätte zwar gemäß § 335 I Nr. 2 ZPO nicht ergehen dürfen; da es gleichwohl ergangen ist, bleibt dem N mangels anderweitiger Regelungen nur der Einspruch dagegen. Der Einspruch ist folglich nach § 338 S. 1 ZPO statthaft.
II. Frist, § 339 I ZPO
Nach § 339 I ZPO beträgt die Einspruchsfrist zwei Wochen; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils. Nach § 222 I ZPO gelten für die Berechnung der Fristen grundsätzlich die Vorschriften des BGB, womit § 187 I BGB greift. Das Urteil wurde dem N am 30.10.2014 zugestellt. Nach §§ 339 I, 222 I ZPO, § 187 I BGB beginnt die Frist daher am 31.10.2014, 0.00 Uhr, zu laufen und endet nach § 222 I ZPO, § 188 II BGB am 13.11.2014, 24.00 Uhr. N hat am 03.11.2014 und damit fristgerecht Einspruch eingelegt.
III. Form § 340 ZPO
Nach § 340 ZPO wird der Einspruch durch Einreichung der Einspruchsschrift bei dem Prozessgericht eingelegt. N hat Einspruch beim Amtsgericht Königswinter schriftlich eingelegt und damit die Formerfordernisse des § 340 ZPO erfüllt.
IV. Zwischenergebnis
Der Einspruch des N nach § 338 ZPO ist zulässig. Damit wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand, § 342 ZPO.
B. Hauptantrag
I. Zulässigkeit des Hauptantrags
Der Hauptantrag müsste zulässig sein. Er ist zulässig, wenn die Prozessvoraussetzungen vorliegen.
1. Allgemeine Prozessvoraussetzungen
Es müssten zunächst die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen.
a) Echte Prozessvoraussetzungen
Gegen das Vorliegen der echten Prozessvoraussetzungen bestehen keine Bedenken.
b) Sachurteilsvoraussetzungen
Ferner müssten die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen.
aa) Zuständigkeit des Gerichts
(1) Sachliche Zuständigkeit, §§ 23, 71 GVG
Das Amtsgericht Königswinter müsste sachlich zuständig sein. Eine streitwertunabhängige Zuweisung zum Amtsgericht ist nach den §§ 23 Nr. 2a) - g), 23a GVG nicht gegeben. Auch greift die streitwertunabhängige Zuweisung zum Landgericht nach § 71 II GVG nicht ein. Daher ist die Zuständigkeit streitwertabhängig zu bestimmen. Der Zuständigkeitsstreitwert bestimmt sich nach §§ 3 - 9 ZPO. Wenn der Zuständigkeitsstreitwert größer als 5.000,00 € ist, ist das Landgericht zuständig; bei Streitigkeiten bis einschließlich 5.000,00 € ist das Amtsgericht zuständig. Im Rahmen eines Haupt- und Hilfsantrages ist der höhere Wert maßgebend. Nach den §§ 6, 3 ZPO bestimmt sich der Wert des Herausgabeanspruchs durch den Wert der Sache. Der Rüde hat einen Wert von 1.000,00 €. Mit dem Hilfsantrag macht N einen Anspruch in Höhe von ebenfalls 1.000,00 € geltend. Haupt- und Hilfsantrag haben damit den gleichen Zuständigkeitsstreitwert von 1.000,00 €. Folglich ist das Amtsgericht sachlich zuständig.
(2) Örtliche Zuständigkeit, §§ 12 ff. ZPO
Es stellt sich die Frage, ob das Amtsgericht Königswinter auch örtlich zuständig ist. Ein ausschließlicher Gerichtsstand ist nicht gegeben. Als besonderer Gerichtsstand kommt § 29 ZPO in Betracht. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Dies bestimmt sich nach § 269 BGB. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift hat dann, wenn ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist, die Leistung an dem Orte zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. Nach dem Vortrag des N ergibt sich der Herausgabeanspruch aus dem Vergleich. Allerdings ist aus diesem, auch nicht durch Auslegung, nicht zu entnehmen, ob es sich bzgl. der Herausgabepflicht um eine Hol-, Bring- oder Schickschuld handelt, so dass sich nach § 269 I BGB im Zweifel die Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Schuldners, hier Königswinter, richtet. Dieser Gerichtsstand ergib sich im Übrigen auch aus §§ 12, 13 ZPO, so dass das Amtsgericht Königswinter örtlich zuständig ist.
bb) Keine anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 III Nr. 1 ZPO
Die anderweitige Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes würde nach § 261 III Nr. 1 ZPO zur Unzulässigkeit der Klage führen. Der Antrag auf Herausgabe des Hundes wurde aber bisher noch nicht eingeklagt und ist damit auch nicht anderweitig rechtshängig.
cc) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Das Rechtsschutzbedürfnis ist zu verneinen, wenn der Kläger sein Ziel auf einfacherem und gleich effektivem Wege erreichen kann. Dies ist der Fall, wenn der Prozessvergleich wirksam ist, denn dann kann der Kläger aus dem Prozessvergleich einfach vollstrecken, da es sich bei ihm um einen Vollstreckungstitel nach § 794 I Nr. 1 ZPO handelt.
Fraglich ist mithin, ob der Prozessvergleich wirksam ist. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er ist zum einen Prozesshandlung, da er den Rechtsstreit unmittelbar beendet und zum anderen ein materiell-rechtliches Rechtsgeschäft. Materiell-rechtlich führt der wirksame Prozessvergleich zu einer Neuordnung der materiellen Rechtsverhältnisse der Vergleichsparteien, so dass zu prüfen ist, ob der Prozessvergleich formell und materiell wirksam ist.
(1) Prozessuale Wirksamkeit
(a) Abschluss vor deutschem Gericht
Der Vergleich wurde am 01.09.2014 vor dem Amtsgericht Königswinter und damit vor einem deutschen Gericht geschlossen. N und S haben auch übereinstimmende Prozesserklärungen abgegeben.
(b) Vorliegen der Prozesshandlungsvoraussetzungen
Gegen das Vorliegen der Prozesshandlungsvoraussetzungen bestehen keine Bedenken, so dass die Prozesserklärungen auch wirksam sind.
(c) Streitverfahren anhängig, aber noch nicht abgeschlossen
Es müsste ein Streitverfahren anhängig sein, das noch nicht abgeschlossen ist. N hat S zunächst auf Zahlung von 2.000,00 € Vergütung für den Bau des Baumhauses verklagt. Dieser Rechtsstreit war am 01.09.2014, als die Parteien den Vergleich vor Gericht geschlossen haben, anhängig. Ein Streitverfahren über die Herausgabe des Hundes war nicht anhängig. In den Vergleich können aber auch prozessfremde Gegenstände einbezogen werden. N und S hatten sich bereits außergerichtlich dahingehend geeinigt, dass S den Hund herausgibt und N im Gegenzug auf die Forderung in Höhe von 300,00 € verzichtet. Diesen Vergleich haben die Parteien mit-protokollieren lassen.
(d) Einhaltung der Formvorschriften der §§ 160 ff. ZPO
Nach § 160 III Nr. 1 ZPO ist der in der mündlichen Verhandlung geschlossene Vergleich ordnungsgemäß zu protokollieren. Nach § 162 I ZPO ist das Protokoll, insoweit es Feststellungen nach dem § 160 III Nr. 1 ZPO enthält, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Ist der Inhalt des Protokolls nur vorläufig aufgezeichnet worden, so genügt es, wenn die Aufzeichnungen vorgelesen oder abgespielt werden. In dem Protokoll ist zu vermerken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist, „v.u.g.“. Das Protokoll wurde hier weder vorgelesen noch vorgespielt. Der Richter hat dies auch nicht im Protokoll vermerkt. Der Vergleich ist damit formell unwirksam.
(2) Materiell-rechtliche Wirksamkeit
Es stellt sich die Frage, ob der Vergleich materiell-rechtlich wirksam ist.
(a) Einigung
Die Parteien haben sich geeinigt, dass S den Labradorrüden herausgibt und N auf die Zahlung von 300,00 € verzichtet, damit haben sie übereinstimmende Willenserklärungen im Sinne der §§ 145 ff. BGB abgegeben.
(b) Wirksamkeit
Bedenken hinsichtlich einer materiell-rechtlich wirksamen Einigung bestehen nicht.
(c) Voraussetzungen des § 779 BGB
Die Voraussetzungen des § 779 BGB müssten erfüllt sein. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.
Zwischen den Parteien bestand Streit über die Pflicht des S zur Herausgabe des Hundes und zur Zahlung von 300,00 €. S hat sich zur Herausgabe bereit erklärt und N hat auf die Zahlung der geforderten Geldsumme verzichtet, beide haben damit den Streit im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt. Der zugrunde gelegte Sachverhalt entspricht auch der Wirklichkeit. Damit liegen die Voraussetzungen § 779 BGB vor.
(3) §§ 139, 140 BGB analog
Der Vergleich ist mithin materiell-rechtlich wirksam. Der Vergleich ist aber prozess-rechtlich unwirksam. Fraglich ist, wie sich die prozessuale Unwirksamkeit auf den materiell-rechtlichen Teil auswirkt. Ob dies der Fall ist, ist anhand der §§ 139, 140 BGB in analoger Anwendung zu bestimmen. Danach kann der Prozessvergleich bei Formmängeln im Wege der Umdeutung u.U. als formfreier außergerichtlicher Vergleich aufrechterhalten werden.
Hier haben die Parteien den Vergleich bereits außergerichtlich geschlossen und ihn lediglich in der Verhandlung am 01.09.2014 mitprotokollieren lassen. Sie hatten somit ein Interesse an dem materiell-rechtlichen Vergleich unabhängig davon, ob er auch prozessual wirksam ist. Die Unwirksamkeit des Prozessvergleichs schlägt damit nicht auf den materiell-rechtlichen Vergleich durch.
(4) Zwischenergebnis
In Bezug auf die Klage vom 01.10.2014 auf Herausgabe des Hundes wurde der Streitgegenstand nicht bereits wirksam durch Prozessvergleich geregelt. Der Prozessvergleich ist unwirksam, N hat daher keinen wirksamen Titel. Ihm steht daher kein einfacherer Weg offen. Das Rechtsschutzbedürfnis ist damit zu bejahen.
dd) Übrige Sachurteilsvoraussetzungen
Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der übrigen Sachurteilsvoraussetzungen bestehen nicht.
c) Prozesshindernisse
Prozesshindernisse sind nicht ersichtlich.
2. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen
Besondere Sachurteilsvoraussetzungen werden im Rahmen der Leistungsklage nicht gefordert.
II. Begründetheit des Hauptantrags
1. Anspruch aus § 779 BGB
N könnte gegen S einen Anspruch auf Herausgabe des Labradorrüden Ludwig aus § 779 BGB haben.
a) Anspruch entstanden
Dann müssten die Parteien einen wirksamen Vergleich geschlossen haben. Zwischen N und S bestand Streit über die Pflicht des S zur Herausgabe des Hundes und Zahlung von 300,00 €. Diesen Streit haben S und N im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt. Damit haben sie einen wirksamen Vergleich geschlossen (s.o.). Der Anspruch auf Herausgabe des Hundes ist folglich entstanden.
b) Anspruch untergegangen
Dieser Anspruch dürfte nicht untergegangen sein. Es könnte eine Unmöglichkeit nach § 275 I BGB vorliegen. § 275 BGB erfasst die anfängliche und die nachträgliche sowie die objektive und die subjektive Unmöglichkeit. Ludwig hat das offen stehende Gartentor ausgenutzt und ist weggelaufen. Der Hund ist seit diesem Abend spurlos verschwunden. Es ist S daher subjektiv unmöglich, Ludwig an N herauszugeben. Der Anspruch ist daher nach § 275 I BGB untergegangen.
c) Ergebnis
N hat daher keinen Anspruch auf Herausgabe aus § 779 Abs. 1 BGB.
2. Anspruch aus § 985 BGB
N könnte aber einen Anspruch auf Herausgabe aus § 985 BGB haben. Dann müsste N müsste Eigentümer sein, S im Besitz des Hundes sein und S dürfte zudem kein Recht zum Besitz haben.
a) Anspruch entstanden
aa) Eigentum des N
N war ursprünglich Eigentümer des Hundes. N könnte das Eigentum durch Einigung und Übergabe nach § 929 S. 1 BGB an S verloren haben. Dann müssten S und N sich dahingehend geeinigt haben, dass S Eigentum an dem Hund erwerben soll. N wollte S den Hund aber gerade nur probeweise übergeben. Der Wille, dem S das Eigentum zu verschaffen, wurde nicht geäußert. N ist folglich Eigentümer des Hundes geblieben.
bb) Besitz des S
S müsste Besitzer des Hundes sein. Besitz ist die vom Verkehr anerkannte tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache. S hatte die tatsächliche Sachherrschaft über den Hund und damit Besitz.
cc) Kein Recht zum Besitz nach § 986 BGB
S hatte mit Ablauf des Monats Juni auch kein Recht zum Besitz mehr, da der Mietvertrag Ende Juni auslief.
b) Anspruch untergegangen
Der Anspruch auf Herausgabe ist aber wegen Unmöglichkeit nach § 275 BGB untergegangen (s.o.).
c) Zwischenergebnis
N hat keinen Anspruch auf Herausgabe aus § 985 BGB.
3. Anspruch aus §§ 823 I, 249 I BGB
Ein Anspruch aus §§ 823 I, 249 I BGB ist ebenfalls nach § 275 BGB erloschen, da S die Herausgabe nach § 275 BGB unmöglich geworden ist.
4. Anspruch aus § 812 I 2, 1. Alt. BGB
N könnte gegen S einen Anspruch auf Herausgabe aus § 812 I 2, 1. Alt. BGB haben. § 812 BGB ist neben § 823 BGB anwendbar.
a) Anspruch entstanden
aa) Etwas erlangt
Dann müsste S etwas erlangt haben. Erlangtes Etwas ist jeder vermögenswerte Vorteil. S hat den Besitz erlangt und damit einen vermögenswerten Vorteil.
bb) Durch Leistung
Die Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. N hat S den Hund bewusst gegeben, um die Pflicht aus dem Mietvertrag, den Hund für einen Monat zu überlassen, zu erfüllen.
cc) Rechtsgrund später weggefallen
Der Rechtsgrund müsste später weggefallen sein. Mit dem Eintritt eines Endtermins entfällt, soweit ein Gegenstand nur auf Zeit überlassen worden ist, der Rechtsgrund. S wurde der Hund für den Monat Juni überlassen. Mit Ablauf des Monats ist damit der Endtermin eingetreten und der Rechtsgrund weggefallen.
dd) §§ 818 III, 818 IV, 819 I BGB
S kann sich möglicherweise auf Entreicherung berufen, da der Hund weggelaufen ist. Der Hund ist im September weggelaufen. Mit dem Ablauf des Monats Juni ist das Recht zum Besitz des S weggefallen. S kannte den Wegfall seines Besitzrechts. Folglich hatte S Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes und konnte sich nach §§ 818 IV, 819 I BGB nicht auf Entreicherung berufen.
b) Anspruch untergegangen
Der Anspruch auf Herausgabe des Hundes aus § 812 I 2, 1. Alt. BGB ist aber nach § 275 BGB untergegangen.
c) Zwischenergebnis
N hat daher keinen Anspruch auf Herausgabe gegen S aus § 812 I 2 1. Alt. BGB.
III. Ergebnis
N hat keinen Anspruch auf Herausgabe des Ludwig. Der Hauptantrag ist daher unbegründet.
B. Hilfsantrag
I. Bedingungseintritt
Die Bedingung des Hilfsantrags müsste zunächst eingetreten sein. Der Hilfsantrag wurde unter der Bedingung gestellt, dass der Hauptantrag unbegründet ist. N hat keinen Anspruch gegen S auf Herausgabe des Hundes, womit der Hauptantrag unbegründet ist. Die hilfsweise Geltendmachung des Anspruchs auf Schadensersatz müsste zudem zulässig sein. Grundsätzlich können Prozesshandlungen nicht unter eine Bedingungen gestellt werden, zulässig sind aber innerprozessuale Bedingungen. Hier steht der Hilfsantrag unter der Bedingung, dass der Hauptantrag unbegründet ist. Er hängt damit allein vom Ausgang des Hauptantrags ab und steht damit ausschließlich unter einer innerprozessualen Bedingung. Im Übrigen ist die Zulässigkeit solcher Hilfsanträge allgemein und überdies auch gesetzlich anerkannt, vgl. § 45 I 2 GKG. Die Stellung des Hilfsantrages ist folglich zulässig.
II. Zulässigkeit des Hilfsantrags
Der Hilfsantrag müsste zulässig sein.
1. Allgemeine Prozessvoraussetzungen
a) Echte Prozessvoraussetzungen
Gegen das Vorliegen der echten Prozessvoraussetzungen bestehen keine Bedenken.
b) Sachurteilsvoraussetzungen
Die Sachurteilsvoraussetzungen müssten vorliegen.
aa) Zuständigkeit des Gerichts
Das angerufene Amtsgericht Königswinter müsste zuständig sein.
(1) Sachliche Zuständigkeit
Das Amtsgericht Königswinter müsste auch für den Hilfsantrag sachlich zuständig sein. Dies wurde bereits festgestellt (s.o.).
(2) Örtliche Zuständigkeit, §§ 12 ff. ZPO
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgericht Königswinter folgt auch bezüglich des Schadensersatzes aus § 29 ZPO bzw. §§ 12, 13 ZPO.
(3) Zwischenergebnis
Das angerufene Amtsgericht ist mithin zuständig.
bb) Keine anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 III Nr. 1 ZPO
Die anderweitige Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes würde zur Unzulässigkeit der Klage führen. Der Antrag auf Zahlung von Schadensersatz ist bisher nicht anderweitig rechtshängig.
cc) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Das Rechtsschutzbedürfnis ist ferner zu bejahen. N steht kein einfacherer Weg offen, als sein Ziel im Klagewege zu verfolgen.
c) Prozesshindernisse
Etwaige Prozesshindernisse sind nicht ersichtlich.
2. Zwischenergebnis
Der Hilfsantrag ist damit zulässig.
III. Zulässigkeit der Klagehäufung, § 260 ZPO
Die Voraussetzungen des § 260 ZPO müssten vorliegen.
1. Dieselbe Prozessart
Bei eventueller Klagehäufung ist dieselbe Prozessart zusätzliche Sachurteilsvoraussetzung, da der Hilfsantrag nicht abtrennbar ist; andernfalls wäre der Hilfsantrag von einer außerprozessualen Bedingung (Erfolglosigkeit des Hauptantrags) abhängig. Unter derselben Prozessart ist nicht die Klageart, sondern die Verfahrensregelung, wie Arrest- und Urkundenprozess, zu verstehen. Hier werden beide Anträge als Leistungsklagen geltend gemacht. Es handelt sich mithin um dieselbe Prozessart.
2. Zuständigkeit des Gerichts:
Für den Antrag auf Zahlung von 1.000,00 € Schadensersatz ist ebenfalls nach den §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG sachlich und nach den §§ 29, 12, 13 ZPO örtlich das Amtsgericht Königswinter zuständig (s.o.).
3. Kein Verbindungsverbot
Verbindungsverbote sind nicht ersichtlich.
IV. Begründetheit des Hilfsantrags
Der Hilfsantrag ist begründet, wenn N gegen den S einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.000,00 € hat.
1. Anspruch aus §§ 779 I, 280 I, III, 283 BGB
N könnte gegen S einen Anspruch auf Zahlung von 1.000,00 € aus §§ 779 I, 280 I, III, 283 BGB haben.
a) Anspruch entstanden
Dann müsste der Anspruch entstanden sein.
aa) Schuldverhältnis
Das setzt das Bestehen eines Schuldverhältnisses zwischen S und N voraus. S und N haben einen Vergleich geschlossen. S hat sich im Rahmen dessen verpflichtet, den Hund an N herauszugeben.
bb) Pflichtverletzung
S müsste eine Pflicht verletzt haben. Nach § 283 BGB liegt eine Pflichtverletzung vor, wenn der Schuldner nach § 275 BGB von seiner Leistungspflicht befreit wird. Die Herausgabe des Hundes ist S unmöglich, er ist damit von seiner Leistungspflicht nach § 275 BGB befreit. Eine Pflichtverletzung ist somit zu bejahen.
cc) Vertretenmüssen
S müsste die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Nach § 280 I 2 BGB wird das Vertretenmüssen des S vermutet.
dd) Kausaler Schaden
N müsste einen Schaden haben. Das Vorliegen eines Schadens nach § 249 I BGB ist grundsätzlich nach der Differenzhypothese zu ermitteln, also aus dem Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem schädigenden Ereignis. N hat einen Vermögensverlust im Wert des Hundes. Ludwig ist 1.000,00 € wert. Der Schaden erstreckt sich damit auf 1.000,00 €.
b) Zwischenergebnis
Der Anspruch ist wirksam entstanden und auch nicht untergegangen. N hat einen Anspruch auf Zahlung von 1.000,00 € aus §§ 779 I, 280 I, III, 283 BGB.
2. Anspruch aus §§ 989, 990 BGB
N könnte ferner einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB haben.
a) Anspruch entstanden
Dann müsste ein solcher Anspruch entstanden sein. Das setzt voraus, dass im Zeitpunkt der schädigenden Handlung eine Vindikationslage bestand.
aa) Eigentum
N war unstreitig Eigentümer des Hundes.
bb) Besitz
S war Besitzer des Hundes, als dieser durch das offene Gartentor weglief.
cc) Kein Recht zum Besitz
S dürfte kein Recht zum Besitz gehabt haben, § 986 BGB. In Betracht kommt ein schuldrechtliches Besitzrecht. S hatte aufgrund des Mietvertrages im Monat Juni ein Recht zum Besitz. Das Besitzrecht ist aber mit dem Ablauf des Monats Juni entfallen. Weitere Besitzrechte kommen nicht in Betracht. S hatte folglich zum Zeitpunkt schädigenden Ereignisses kein Recht zum Besitz.
dd) Bösgläubigkeit bzgl. Besitzrechtmangel
S dürfte nicht in gutem Glauben gewesen sein. Der gute Glaube muss sich auf das Recht zum Besitz beziehen. Nach § 932 II BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wem ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass er kein Recht zum Besitz hat. S wusste, dass er seit Anfang Juli nicht mehr zum Besitz berechtigt war. Er war folglich nicht in gutem Glauben.
ee) Sache untergegangen
Ludwig ist weggelaufen und kann daher nicht mehr herausgegeben werden.
ff) Verschulden
S müsste schuldhaft i.S.v. § 276 BGB gehandelt haben. S hat absichtlich das Tor offen stehen lassen, in der Hoffnung, dass Ludwig wegläuft. Er hat damit vorsätzlich gehandelt.
b) Zwischenergebnis
N hat einen Schaden im Wert des Hundes, also 1.000,00 € erlitten. N hat folglich einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.000,00 € aus §§ 989, 990 BGB.
3. Anspruch aus 823 I BGB
N könnte einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB haben. Dann müsste § 823 I BGB überhaupt anwendbar sein. Nach § 992 BGB haftet der Besitzer dem Eigentümer nach den Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen, wenn er sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder durch eine Straftat verschafft hat. S hat den Besitz weder durch verbotene Eigenmacht noch durch eine Straftat erlangt, N hat ihm den Besitz verschafft.
§ 823 BGB wird durch die in § 992 BGB enthaltene Regelung gesperrt und ist folglich nicht anwendbar. Ein Anspruch aus § 823 BGB kommt nicht in Betracht.
C. Ergebnis
Der Hauptantrag ist unbegründet. Der Hilfsantrag ist hingegen begründet.