Fall: Auktion eBay

Der Autoteilehändler V bietet über ein eBay-Konto seine Waren zum Kauf an. Für einen Satz Autofelgen mit einem Listenpreis von 2.200 EUR wählt V das Auktionsformat. Bei der Eingabe der Angebotsdaten gibt V eine Laufzeit für die Auktion an, vergisst aber, den von ihm an sich gewünschten Startpreis von 1.000 EUR einzugeben. Vor dem endgültigen Absenden des Formulars, welches zur Einstellung des Angebots in die Auktionsliste führt, wird V noch einmal explizit durch das System gefragt, ob alle Angaben zutreffend seien. V hat keine Lust, sich alles noch einmal durchzulesen, und klickt deshalb ohne Überprüfung seiner Angaben auf den Button „Absenden“. Daraufhin beginnt die Auktion mit einem Startpreis von 1 EUR.

Bei Ablauf der Auktionsfrist hat der K mit 1.300 EUR das höchste Gebot abgegeben. Er verlangt von V die Lieferung der Felgen gegen Zahlung der 1.300 EUR. V lehnt dies ab und begründet dies damit, er hätte das viel zu niedrige Gebot des K nicht angenommen. Hilfsweise ficht V seine Erklärung an, weil er sich bei der Eingabe des Startpreises geirrt habe und diesen eigentlich auf 1.000 EUR festlegen wollte.

Kann K von B Zug um Zug gegen Zahlung von 1.300 EUR die Übergabe und Übereignung des Satzes Autofelgen verlangen?

Auszug aus den eBay-AGB für alle über die deutschen eBay-Dienste angemeldeten Nutzer und die Nutzung der deutschen Website i.d.F. ab 01.05.2018:

§ 1 Leistungsbeschreibung

  1. Mittels der eBay-Dienste bietet eBay einen Marktplatz an, auf dem von natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften („Nutzer”) in Verkaufsangeboten („Angebot”), Waren und Leistungen aller Art („Artikel”) angeboten (in dieser Eigenschaft „Verkäufer”) und erworben (in dieser Eigenschaft „Käufer”) und sonstige Inhalte veröffentlicht werden können, sofern deren Angebot, Erwerb oder Veröffentlichung nicht gegen gesetzliche Bestimmungen, diese eBay-AGB oder die eBay-Grundsätze verstößt. […]

§ 2 Anmeldung und eBay-Konto

  1. Die Nutzung der eBay-Dienste als Verkäufer setzt die Anmeldung als Nutzer voraus. Die Anmeldung erfolgt durch Eröffnung eines eBay-Kontos unter Zustimmung zu diesen eBay-AGB […]. Mit der Anmeldung kommt zwischen eBay und dem Nutzer ein Vertrag über die Nutzung der eBay-Dienste (im Folgenden: „Nutzungsvertrag”) zustande. […]

  2. Die Anmeldung ist nur juristischen Personen, Personengesellschaften und unbeschränkt geschäftsfähigen natürlichen Personen erlaubt. Insbesondere Minderjährige dürfen sich nicht für die Nutzung der eBay-Dienste anmelden. […]

§ 3 Nutzung der eBay-Dienste, verbotene Artikel und Inhalte

[…]

  1. Es ist verboten, durch Verwendung mehrerer eBay-Konten oder im Zusammenwirken mit anderen Nutzern die Preise eigener oder fremder Angebote zu manipulieren oder eigene Artikel zu kaufen. […]

§ 6 Angebotsformate und Vertragsschluss

  1. eBay stellt den Nutzern eine Vielzahl von Angebotsformaten und Funktionen zur Verfügung, um mittels der eBay-Dienste Verträge anzubahnen bzw. abzuschließen. […]

  2. Stellt ein Verkäufer mittels der eBay-Dienste einen Artikel im Auktions- oder Festpreisformat ein, so gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt er einen Start- bzw. Festpreis und eine Frist, binnen derer das Angebot angenommen werden kann (Angebotsdauer). Legt der Verkäufer beim Auktionsformat einen Mindestpreis fest, so steht das Angebot unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Mindestpreis erreicht wird. […].

  3. Bei Auktionen nimmt der Käufer das Angebot durch Abgabe eines Gebots an. Die Annahme erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Käufer nach Ablauf der Angebotsdauer Höchstbietender ist. Ein Gebot erlischt, wenn ein anderer Käufer während der Angebotsdauer ein höheres Gebot abgibt. […].

Gliederung:

Anspruch des K gegen V aus § 433 I 1 BGB
  1. Anspruch entstanden
    1. Vertragsschluss durch Gebot und Zuschlag gemäß § 156 BGB
    2. Vertragsschluss durch Angebot und Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB
      • a) Angebot des V durch Freischalten der Angebotsseite
      • b) Annahme durch K
    3. Nichtigkeit des Kaufvertrages (rechtshindernde Einwendungen)
      • a) § 134 BGB i.V.m. § 34b GewO
      • b) § 138 I BGB
      • c) § 142 I BGB
    4. Unverbindlichkeit gemäß § 762 BGB
  2. Ergebnis

Gutachten:

Ein Anspruch des K gegen V auf Herausgabe und Übereignung der Autofelgen – Zug um Zug gegen Zahlung von 1.300 EUR – könnte aus § 433 I 1 BGB ergeben.

I. Anspruch entstanden

Dafür müssten K und V einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. Dies setzt zwei korrespondierende, in Bezug auf einander abgegebene und jeweils zugegangene Willenserklärungen voraus.

1. Vertragsschluss durch Gebot und Zuschlag gemäß § 156 BGB

Bei der eBay-Auktion könnte es sich um eine Versteigerung im Rechtssinne handeln. Bei einer Versteigerung kommt der Vertrag gemäß § 156 BGB durch Gebot und Zuschlag zustande. Eine Versteigerung im Sinne dieser Vorschrift setzt allerdings eine Situation voraus, in der die Bieter sich gegenseitig hochschaukeln und Vertragsschluss von einer Handlung des Auktionators, nämlich dem Zuschlag, bei dem es sich um eine Willenserklärung handelt, abhängt.1 So verhält es sich hier jedoch nicht, weil die Auktion automatisch mit Ablauf der Auktionsfrist endet und das Auktionsende den Vertragsschluss ohne weiteres Hinzutun eines Auktionators herbeiführt. Mangels Zuschlags stellt die „Internetauktion“ deshalb keine Versteigerung i.S.v. § 156 BGB, sondern vielmehr einen Verkauf gegen Höchstgebot zum Zeitpunkt des Auktionsendes dar.2 § 156 BGB findet keine Anwendung.

2. Vertragsschluss durch Angebot und Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB

Ein Kaufvertrag zwischen K und V könnte jedoch durch Angebot und Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB zustande gekommen sein.

a) Angebot des V durch Freischalten der Angebotsseite

Ein wirksames Kaufangebot könnte der V durch Freischalten der Angebotsseite abgegeben haben.

Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der dem Empfänger ein Vertragsschluss so angetragen wird, dass dieser lediglich „Ja“ zu sagen braucht, um den Vertrag zustande zu bringen. Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Angebots sind die inhaltliche Bestimmtheit und der Rechtsbindungswille.

Die inhaltliche Bestimmtheit setzt grundsätzlich voraus, dass zumindest die wesentlichen Vertragsbestandteile (sog. essentialia negotii) enthalten sind. Hierzu zählen der Vertragsgegenstand, die Vertragsparteien und bei entgeltlichen Verträgen die Gegenleistung. Das Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages muss also den Kaufgegenstand, den Käufer und den Verkäufer sowie den Kaufpreis umfassen.

Der Rechtsbindungswille ist der Wille einer Person, sich rechtsgeschäftlich zu binden, also eine Verpflichtung einzugehen. Ob dieser Rechtsbindungswille bei Abgabe der Willenserklärung vorhanden war und dementsprechend ein Angebot vorliegt, ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) zu bestimmen.3 Der Rechtsbindungswille fehlt insbesondere bei der Einladung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum); der Rechtsbindungswille wird in diesen Fällen verneint, um der Gefahr der Mehrfachverpflichtung vorzubeugen und dem Erklärenden nicht die Freiheit der Vertragspartnerwahl zu nehmen.

Einem wirksamen Vertragsangebot des V könnte vorliegend entgegenstehen, dass im Zeitpunkt der Freischaltung der Angebotsseite weder der Kaufpreis noch die Person des Käufers feststanden. Regelmäßig ist ein Angebot nur dann als hinreichend bestimmt anzusehen, wenn – neben den sonstigen wesentlichen Vertragsbestandteilen – (auch) die Identität der Vertragsparteien bekannt ist.4 Allerdings kann der Antragende darauf verzichten, mit seinem Angebot bestimmte Personen anzusprechen, wenn es ihm gleichgültig ist, mit wem er den Vertrag schließt. Ein solches Angebot wird als offerta ad incertas personas bezeichnet und stellt ein verbindliches, an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtetes Angebot dar. Im Rahmen der eBay-Auktion bestand für V ersichtlich auch kein Warenkapazitätsproblem, weil sichergestellt war, dass der Vertrag nur mit einer Person, nämlich dem Höchstbietenden zustande kommen würde. Damit war zugleich gewährleistet, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Vertragsschlusses – bei Ablauf der Auktionsfrist – der Vertragspartner des V feststeht.5 Der Vertragspartner des V ist auch von vornherein bestimmbar gewesen; es handelte sich von Anfang an um den Höchstbietenden, auch wenn dessen Identität zu Beginn der Auktion noch ungewiss gewesen ist. Entsprechendes gilt für den Kaufpreis. Dessen konkrete Höhe steht zwar noch nicht zu Beginn der Auktion, wohl aber bei Ablauf der Auktionsfrist und damit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses fest. Damit ist insgesamt von einer hinreichenden Bestimmtheit des Angebots auszugehen.

Bei der Frage, ob aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB) auch ein entsprechender Rechtsbindungswillen des V vorhanden war, sind die eBay-AGB zu berücksichtigen. Zwar werden die eBay-AGB nur zwischen eBay und dem Inhaber eines Mitgliedskontos, vorliegend also im Verhältnis von eBay zu V und zu K vereinbart, sodass ihnen keine unmittelbare Geltung im Verhältnis zwischen dem Anbieter und dem Kaufinteressenten zukommt.6 Gleichwohl haben die eBay-AGB im Verhältnis der Kaufvertragsparteien zueinander Bedeutung für die Auslegung deren Erklärungen.7 Der Aussagegehalt der eBay-AGB ist, wenn die Erklärungen der Teilnehmer an der Verkaufsauktion nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft sind und der Auslegung bedürfen, dann entsprechend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen.8 Nach § 6 Ziff. 2 der eBay-AGB ist die Freischaltung der Angebotsseite beim Auktionsformat als verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über den jeweiligen Artikel anzusehen. Dieses befristete Angebot richtet sich an den (konkret noch nicht bekannten) Höchstbietenden.9

Nach alledem liegt mithin ein verbindliches Angebot des V durch Freischalten der Angebotsseite vor.

b) Annahme durch K

Dieses Angebot hat K durch Abgabe seines Gebots angenommen (vgl. § 6 Ziff. 5 S. 1 eBay-AGB). Die Annahme erfolgte unter der aufschiebenden Bedingung, dass K nach Ablauf der Angebotsdauer Höchstbietender ist (vgl. § 6 Ziff. 5 S. 2 eBay-AGB).10

Es ist somit zwischen K und V durch Angebot und Annahme ein Kaufvertrag über den Satz Autofelgen zum Preis von 1.300 EUR zustande gekommen.

3. Nichtigkeit des Kaufvertrages (rechtshindernde Einwendungen)

Der Kaufvertrag könnte allerdings nichtig sein.

a) § 134 BGB i.V.m. § 34b GewO

In Betracht kommt zunächst eine Nichtigkeit nach § 134 BGB. Nach dieser Vorschrift ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Gebot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

„Gesetz“ im Sinne des § 134 BGB kann nach Art. 2 EGBGB jede Rechtsnorm sein, d.h. neben materiellen Gesetzen auch Rechtsverordnungen und Satzungen.11 Ob ein Gesetz ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Es ist danach zu fragen, ob die jeweilige Vorschrift ein an sich zulässiges Rechtsgeschäft wegen seines Inhalts oder der Umstände seines Zustandekommens untersagt (Einschränkung des rechtlichen „Dürfens“).12 Dies lässt sich in aller Regel nicht bereits dem Wortlaut, sondern allein dem Sinn und Zweck der Vorschrift entnehmen.

Als Verbotsgesetz, gegen welches verstoßen worden sein könnte, kommt hier § 34b I GewO in Betracht. Diese Norm stellt den gewerbsmäßigen Verkauf fremder Sachen unter Erlaubnisvorbehalt. Der V verkauft jedoch keine fremden, sondern vielmehr eigene Sachen, und er ist auch kein Auktionsveranstalter.13 Ein Verstoß gegen § 34b I GewO und eine Nichtigkeit des Kaufvertrages zwischen K und V gemäß § 134 BGB scheiden demnach aus.

b) § 138 I BGB

Der Kaufvertrag wäre gemäß § 138 I BGB nichtig, wenn er gegen die guten Sitten verstößt. Dafür müsste der Kaufvertrag gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen.14 Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig i.S.v. § 138 I BGB und damit nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist.15 Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht sind nicht erforderlich; es genügt, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, wobei dem gleich steht, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt.16 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist die Vornahme des Rechtsgeschäfts.17

Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß des Rechtsgeschäfts zu bejahen, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben ist und dem dadurch begünstigten Vertragspartner eine verwerfliche Gesinnung vorzuwerfen ist.18 Liegt nicht nur ein auffälliges, sondern ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor (sog. wucherähnliches Geschäft)19, wird auch die Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen vermutet.20 Bei Darlehensverträgen wird ein besonders auffälliges Missverhältnis beispielsweise bejaht, wenn der vereinbarte Zins den Marktzins um 12% absolut oder um 100% relativ überschreitet.21 Beim „Schnäppchenkauf“ (z. B. – wie hier – bei einer eBay-Auktion) rechtfertigt jedoch allein ein grobes Missverhältnis zwischen Kaufpreis und objektivem Wert des Kaufgegenstandes nicht den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Käufers; hierzu bedarf es weiterer Umstände.22

Vorliegend liegt der im Rahmen der Auktion erzielte Kaufpreis für den Satz Autofelgen mit 1.300 EUR deutlich unter dem Listenpreis von 2.200 EUR. Allerdings beträgt er mehr als die Hälfte des Listenpreises, sodass schon in entsprechender Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zu sittenwidrigen Darlehenszinsen ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht feststellbar ist. Zudem ist zu beachten, dass es im Rahmen einer Internetauktion gerade das ausdrückliche und vom Gesetz auch in Grundzügen gebilligte Ziel ist, ein „Schnäppchen“ zu erzielen und das Versteigerungsgut möglichst günstig zu kaufen. Gelingt dies – wie hier dem K –, kann nicht automatisch auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Käufers geschlossen werden.

Die in den Fällen eines wucherähnlichen Geschäfts eingreifende Vermutung der verwerflichen Gesinnung ist im Übrigen widerlegt, wenn die Parteien Anstalten treffen, um den zutreffenden Marktpreis zu ermitteln.23 Vorliegend wird der Kaufpreis im Rahmen der eBay-Auktion durch einen vom Verkäufer selbst in Gang gesetzten Marktmechanismus festgelegt, der dafür spricht, dass der Wettbewerbspreis erzielt wird. Dieser muss, wie gängige Rabattierungen belegen, nicht immer dem Listenpreis des Verkäufers entsprechen. Ein in einem funktionierenden Markt gebildeter Preis ist per se angemessen, auch wenn er nicht den Erwartungen des Verkäufers entspricht. Damit wäre hier eine – nach zutreffender Bewertung ohnehin nicht eingreifende (s.o.) – Vermutung verwerflicher Gesinnung jedenfalls widerlegt. Eine etwaige verwerfliche Gesinnung des K wäre demnach gesondert festzustellen. Für eine solche Gesinnung gibt es aber keine Anhaltspunkte.

Der Kaufvertrag zwischen K und V und demnach nicht gemäß § 138 I BGB nichtig.

c) § 142 I BGB

Der Kaufvertrag wäre jedoch gemäß § 142 I BGB als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen, wenn V seine auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung wirksam gegenüber K angefochten hätte.

V hat die Anfechtung gegenüber seinem Vertragspartner K und damit gegenüber dem nach § 143 I, II BGB richtigen Anfechtungsgegner erklärt. Fraglich ist jedoch, ob er hierzu auch berechtigt war, ob also ein Anfechtungsgrund vorlag. V hat beim Ausfüllen der Verkaufsanzeige versehentlich keinen Startpreis von 1.000 EUR eingegeben. Dies könnte zur Annahme eines Erklärungsirrtums i.S.v. § 119 I Alt. 2 BGB führen. Ein solcher zur Anfechtung berechtigender Irrtum liegt vor, wenn der Erklärende „eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte.“ Dies ist der Fall, wenn Gewolltes und Erklärtes auseinanderfallen, weil sich der Erklärende eines Erklärungszeichens bedient hat, dessen er sich nicht bedienen wollte (z. B. Verschreiben, Versprechen, Vertippen, Verlesen, Vergreifen). In diesen Fällen ist schon der äußere Erklärungstatbestand der Willenserklärung nicht gewollt.24 Zur Anfechtung berechtigt ein solcher Irrtum aber nur dann, wenn er zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung noch andauert und für die Abgabe ursächlich war.25 In allen Irrtumskonstellationen der §§ 119, 120 BGB26 ist die Anfechtung nur möglich, wenn der Erklärende die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde (§ 119 I BGB a. E.).27 Der Irrtum muss sowohl subjektiv („bei Kenntnis der Sachlage“) und als auch objektiv („bei verständiger Würdigung des Falles“) erheblich, d. h. kausal für die Abgabe der Erklärung gewesen sein.

Abgegeben war die Angebotserklärung des V erst mit dem abschließenden Sendebefehl. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der V jedoch keine konkrete Vorstellung über den Inhalt seiner Erklärung gebildet, weil er keine Lust hatte, sich alles noch einmal durchzulesen. Insbesondere hatte V in diesem Zeitpunkt keine konkrete Vorstellung zur Höhe des Mindestpreises. Mangels einer bestimmten Vorstellung vom äußeren Erklärungstatbestand liegt somit im Zeitpunkt der Abgabe der Angebotserklärung somit auch kein (Erklärungs-)Irrtum des V vor.

Der Kaufvertrag ist daher auch nicht gemäß § 142 I BGB nichtig.

4. Unverbindlichkeit gemäß § 762 BGB

Ein Erfüllungsanspruch des K gegen V aus § 433 I 1 BGB würde gemäß § 762 I 1 BGB dann nicht begründet, wenn es sich bei der eBay-Auktion um ein rechtlich unverbindliches Spiel handelte. Spielverträge begründen lediglich unvollkommene Verbindlichkeiten: Aus ihnen entsteht kein Erfüllungsanspruch (§ 762 I 1 BGB); sie bilden aber einen Rechtsgrund gegenüber der bereicherungsrechtlichen Rückforderung bereits erbrachter Erfüllungsleistungen.28

Ein Spielvertrag ist ein Risikovertrag.29Aufgrund der Parteivereinbarung muss der Geschäftserfolg in erheblichem Maße von einem zukünftigen ungewissen Ereignis oder einer Entscheidung mit ungewissem Ausgang abhängen. Der Vertragszweck besteht bei einem Spiel überwiegend darin, sich Unterhaltung zu beschaffen oder einen Gewinn zu erzielen. Weitere wirtschaftliche oder andere ernsthafte Zwecke spielen bei ihnen keine erhebliche Rolle.

Bei einer Internetauktion verfolgen die Parteien aber einen ernsten wirtschaftlichen Zweck, nämlich den Verkauf einer Sache gegen Höchstgebot.30 Ihre Leistungspflichten hängen nicht vom Zufall ab und es steht für sie auch nicht die Beschaffung von Unterhaltung im Vordergrund. Allein der Umstand, dass der Inhalt der Leistungspflicht des Käufers, namentlich die Höhe des von ihm zu zahlenden Kaufpreises gewissen Zufälligkeiten unterliegt, führt noch nicht zur Annahme eines Spiels i.S.v. § 762 BGB. Dies insbesondere deshalb, weil es der K durch Eingabe seines Preisgebots selbst in der Hand hatte, die (maximale) Höhe des von ihm zu zahlenden Kaufpreises zu bestimmen. Aus diesen Gründen ist die Internetauktion kein Spiel.31

§ 762 I 1 BGB steht dem Anspruch des K gegen V aus § 433 I 1 BGB nicht entgegen.

II. Ergebnis

K hat einen Anspruch gegen V auf Übergabe und Übereignung des Satzes Autofelgen zum Preis von 1.300 EUR aus § 433 I 1 BGB.


  1. BGH, Urt. v. 03.11.2004 – VIII ZR 375/03, NJW 2005, 53, 54.
  2. BGH, Urt. v. 03.11.2004 – VIII ZR 375/03, NJW 2005, 53, 54; BGH, Urt. v. 07.11.2001 – VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 133 ff.
  3. Lehre vom objektiven Empfängerhorizont, vgl. BGH, Urt. v. 21.05.2008 – IV ZR 238/06, Rn. 30.
  4. Hier und zum Folgenden: Bitter/Röder, BGB AT, 4. Aufl. 2018, Fall Nr. 5, S. 191.
  5. OLG Hamm, Urt. v. 14.12.2000 – 2 U 58/00, NJW 2001, 1142, 1143; Staudinger/Bork, Neubearbeitung 2015, § 145 Rn. 19.
  6. BGH, Urt. v. 15.02.2017 – VIII ZR 59/16, Rn. 13.
  7. Eufinger, JuS 2018, 137, 138.
  8. BGH, Urt. v. 15.02.2017 – VIII ZR 59/16, Rn. 12; BGH, Urt. v. 10.12.2014 – VIII ZR 90/14, Rn. 19; BGH, Urt. v. 11.05.2011 – VIII ZR 289/09, Rn. 21.
  9. BGH, Urt. v. 03.11.2004 – VIII ZR 375/03, NJW 2005, 53, 54.
  10. Vgl. BGH, Urt. v. 03.11.2004 – VIII ZR 375/03, NJW 2005, 53, 54.
  11. Hier und zum Folgenden: Bitter/Röder, BGB AT, 4. Aufl. 2018, § 6 Rn. 26.
  12. Jacoby/v. Hinden, BGB, 16. Aufl. 2018, § 134 Rn. 2.
  13. Vgl. BGH, Urt. v. 07.11.2001 – VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 139; OLG Hamm, Urt. v. 14.12.2000 – 2 U 58/00, NJW 2001, 1142, 1143; Fritzsche, Fälle zum BGB AT, 7. Aufl. 2019, Fall 12 Rn. 20.
  14. BGH, Urt. v. 18.04.2018 – XII ZR 76/17, Rn. 24.
  15. BGH, Urt. v. 13.12.2018 – IX ZR 216/17, Rn. 11; BGH, Urt. v. 11.10.2018 – VII ZR 298/17, Rn. 17; BGH, Urt. v. 18.04.2018 – XII ZR 76/17, Rn. 24; BGH, Urt. v. 19.12.2017 – XI ZR 152/17, Rn. 24; BGH, Urt. v. 28.04.2015 – XI ZR 378/13, Rn. 69.
  16. BGH, Urt. v. 13.12.2018 – IX ZR 216/17, Rn. 11.
  17. BGH, Urt. v. 19.12.2017 – XI ZR 152/17, Rn. 24.
  18. Fritzsche, Fälle zum BGB AT, 7. Aufl. 2019, Fall 12 Rn. 13.
  19. Dazu Bitter/Röder, BGB AT, 4. Aufl. 2018, § 6 Rn. 42 – 43d.
  20. BGH, Urt. v. 24.03.1988 – III ZR 30/87, BGHZ 104, 102, 105. Dies ist eine wesentliche Erleichterung gegenüber § 138 II BGB.
  21. BGH, Urt. v. 19.12.2017 – XI ZR 152/17, Rn. 25.
  22. BGH, Urt. v. 24.08.2016 – VIII ZR 100/15, Rn. 43 (zum sog. „Shill Bidding“; hierzu Bitter/Röder, BGB AT, 4. Aufl. 2018, § 5 Rn. 37b).
  23. Hier und zum Folgenden: Fritzsche, Fälle zum BGB AT, 7. Aufl. 2019, Fall 12 Rn. 13.
  24. Bitter/Röder, BGB AT, 4. Aufl. 2018, § 7 Rn. 75: „Der Erklärende weiß nicht, was er sagt.“
  25. Fritzsche, Fälle zum BGB AT, 7. Aufl. 2019, Fall 12 Rn. 17. >/li>
  26. Für § 119 II BGB ergibt sich dies daraus, dass der Eigenschaftsirrtum als Erklärungsirrtum „gilt“ und damit an den Tatbestand des § 119 I BGB angeknüpft wird, für § 120 BGB daraus, dass in dessen Wortlaut explizit auf den Tatbestand des § 119 BGB („unter den gleichen Voraussetzungen … wie nach § 119“) verwiesen wird (Bitter/Röder, BGB AT, 4. Aufl. 2018, § 7 Rn. 129).
  27. Zum Folgenden: Erman/Arnold, BGB, 15. Aufl. 2017, § 119 Rn. 45 f.; Bitter/Röder, BGB AT, 4. Aufl. 2018, § 7 Rn. 129.
  28. Hk-BGB/Saenger, 10. Aufl. 2019, § 762 Rn. 1.
  29. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Saenger, 10. Aufl. 2019, § 762 Rn. 2.
  30. Hier und zum Folgenden: Fritzsche, Fälle zum BGB AT, 7. Aufl. 2019, Fall 12 Rn. 21.
  31. Vgl. BGH, Urt. v. 07.11.2001 – VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 139.