Erfolgsaussichten der Klage
Exkurs ZPO I 5: Zulässigkeit und Begründetheit der Klage
Eine Klage hat dann Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist der Schluss der mündlichen Verhandlung (§ 296a Satz 1 ZPO).
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Ist die Klage unzulässig, wird sie abgewiesen. Dieses Prozessurteil erwächst nicht in materielle Rechtskraft. Sobald der Kläger die Zulässigkeitshindernisse beseitigt hat, kann er deshalb erneut klagen. Hieraus ergibt sich, dass das Gericht die Frage, ob die Klage zulässig ist, nicht deshalb offenlassen kann, weil die Klage auch unbegründet wäre.
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Die Begründetheit ergibt sich aus dem materiellen Recht und liegt vor, wenn dem Kläger das geltend gemachte Recht zusteht. Der Beklagte wird dann verurteilt. Andernfalls wird die Klage abgewiesen.
Dieses Sachurteil erwächst in materielle Rechtskraft, so dass der unterlegene Kläger dieselbe Klage nicht noch mal erheben kann und der unterlegene Beklagte die Verurteilung befolgen muss (§ 322 Abs. 1 ZPO).
Die materielle Rechtskraft wirkt nicht nur zwischen den Parteien, sondern erstreckt sich auch auf deren Rechtsnachfolger bzw. den Besitznachfolger des Schuldners, wenn die Nachfolge nach Rechtshängigkeit eingetreten ist (§ 325 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Rechts- bzw. Besitznachfolger gutgläubig erworben hat (Abs. 2). Das setzt zwingend einen Erwerb vom Nichtberechtigten voraus, so dass sich der gute Glaube sowohl auf dessen materielle Berechtigung als auch darauf beziehen muss, dass das Recht bzw. die Sache nicht Gegenstand eines Rechtsstreits ist bzw. war (doppelte Gutgläubigkeit).
Prüfungsreihenfolge
A. Zulässigkeit
I. Deutsche Gerichtsbarkeit
II. Ordnungsgemäße Klageerhebung
III. Persönliche Prozessvoraussetzungen
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Parteifähigkeit
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Prozessfähigkeit
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Prozessführungsbefugnis
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Postulationsfähigkeit
IV. Sachliche Prozessvoraussetzungen
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Zuständigkeit des angerufenen Gerichts
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ggf. erfolglose Durchführung eines Güteverfahrens
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Einklagbarkeit des Anspruches
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Keine Prozesshindernisse
B. Objektive Klagehäufung
C. Begründetheit der Klage
Zulässigkeit der Klage
Das Gericht prüft die Zulässigkeit der Klage zwar von Amts wegen, führt hierbei aber keine Amtsermittlung durch. Vielmehr muss der Kläger alle Tatsachen, die zur Begründung der Zulässigkeit vorliegen müssen, in der Klageschrift mitteilen. Prozesshindernisse muss der Beklagte darlegen.
Das Gericht kann über die Zulässigkeit der Klage gesondert verhandeln (280 Abs. 1 ZPO). Hält es die Klage für unzulässig, ergeht ein Prozessurteil. Andernfalls kann das Gericht ein Zwischenurteil erlassen, das der Beklagte mit der Berufung angreifen kann (§ 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
In einer Klausur sollten zwar sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen aufgeführt werden, ausführlich aber nur diejenigen, bei denen sich aus dem Sachverhalt ein Problem ergibt.
- Deutsche Gerichtsbarkeit (§§ 18-20 GVG)
Die Klage muss der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen. Dies ist gegenüber Mitgliedern der diplomatischen oder konsularischen Vertretung anderer Staaten in der Bundesrepublik grundsätzlich nicht der Fall. Für die Einzelheiten wird eine kurze Lektüre der einschlägigen Vorschriften angeraten.
- Ordnungsgemäße Klageerhebung
Die Einzelheiten der ordnungsgemäßen Klageerhebung werden im Exkurs ZPO I 3 dargestellt.
- Persönliche Prozessvoraussetzungen
Die persönlichen Prozessvoraussetzungen werden im Exkurs ZPO I 6 dargestellt.
- Sachliche Prozessvoraussetzungen
- Zuständigkeit des angerufenen Gerichts
Die Regelungen zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts werden im Exkurs ZPO I 7 dargestellt.
- Erfolglose Durchführung eines Güteverfahrens
Grundsätzlich muss der Kläger vor Klageerhebung nicht den Versuch unternehmen, sich mit dem Beklagten gütlich zu einigen. Anders ist das dort, wo das Landesrecht die obligatorische Durchführung eines Güteverfahrens in den Fällen des § 15a EGZPO vorsieht.
- Einklagbarkeit des Anspruchs
Der geltend gemachte Anspruch muss eingeklagt werden dürfen.
- gesetzlicher Ausschluss
Das ist nicht der Fall, wenn er schon nach dem Gesetz nicht besteht. So begründen bspw. Spiel oder Wette nur unvollkommene Verbindlichkeiten (Naturalobligationen): Es besteht kein Anspruch auf Leistung („Spielschulden sind – nur - Ehrenschulden“), wurde aber geleistet, kann es nicht unter Hinweis auf den fehlenden Anspruch zurückgefordert werden (§ 762 Abs. 1 BGB).
- keine entgegenstehende Rechtskraft
Die Klage ist unzulässig, wenn das Gegenteil des vom Kläger mit ihr begehrten zwischen den Parteien bereits rechtskräftig festgestellt wurde. Das setzt voraus, dass die Streitgegenstände beider Klagen identisch sind. Dies ist bspw. nicht der Fall, wenn der Kläger zunächst aus eigenem Recht geklagt hatte, nach Klageabweisung nunmehr aber aus abgetretenem Recht vorgeht.
- keine anderweitige Rechtshängigkeit
Unzulässig ist die Klage, wenn ihr Streitgegenstand bereits in einem anderen Verfahren rechtshängig ist (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
- keine Prozesshindernisse
Die Unzulässigkeit der Klage kann sich auch aus dem Vorliegen bestimmter Prozesshindernisse ergeben, deren Voraussetzungen der Beklagte vortragen muss.
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Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit (§ 1027 ZPO)
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Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung (vgl. § 110 ZPO)
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Einrede der fehlenden Kostenerstattung eines früheren Verfahrens, § 269 VI ZPO
Objektive Klagehäufung (§ 260 ZPO)
Verfolgt der Kläger mehrere Streitgegenstände, müssen die Voraussetzungen der objektiven Klagehäufung vorliegen. Ist die Geltendmachung in einer Klage unzulässig, wird die Klage nicht abgewiesen. Vielmehr trennt das Gericht die Ansprüche (§ 145 Abs. 1 ZPO) und führt fortan zwei Verfahren. Aus diesem Grund wird die Zulässigkeit der objektiven Klagehäufung zwischen Zulässigkeit und Begründetheit der Klage geprüft.
- verschiedene Streitgegenstände
Eine objektive Klagehäufung liegt nicht vor, wenn der Kläger seine Klage lediglich mit mehreren Anspruchsgrundlagen begründet. Vielmehr muss der Kläger unterschiedliche Ansprüche mit unterschiedlichen Lebenssachverhalten begründen.
Bsp.: Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von 5.000,00 Euro aus Vertrag A und von 10.000,00 Euro aus Vertrag B.
Eine alternative Klagehäufung ist grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es liegt ein Fall der Wahlschuld vor (§§ 262 ff. BGB). Statthaft ist aber die Verbindung eines Hauptantrags mit einem Hilfsantrag, den der Kläger für den Fall stellt, dass er mit seinem Hauptantrag keinen Erfolg hat. Da es sich hierbei um eine innerprozessuale Bedingung handelt, ist diese bedingte Klageerhebung ausnahmsweise zulässig.
- Identität des Beklagten
Alle Ansprüche müssen sich gegen denselben Beklagten richten.
- Zuständigkeit des Prozessgerichts
Für alle Ansprüche muss das Prozessgericht zuständig sein.
- Identität der Prozessart
Für alle Ansprüche muss dieselbe Prozessart statthaft sein. Hiermit sind nicht die einzelnen Klagearten (Leistungs-, Feststellungs-, Gestaltungsklage) gemeint, die deshalb miteinander verbunden werden können. Nicht dieselbe Prozessart wie ein ordentliches Verfahren stellt bspw. die Klage im Urkundenprozess dar.
Begründetheit der Klage
Die Klage ist begründet, wenn das Gericht bei Schluss der mündlichen Verhandlung alle anspruchsbegründenden Tatsachen feststellen konnte und der Beklagte weder rechtshindernde und/oder rechtsvernichtende Einwendungen noch rechtshemmende Einreden mit Erfolg geltend gemacht hat.
- Dabei geht das Gericht nach der sog. Relationsmethode vor:
Es prüft zunächst, ob die Klage schlüssig ist. Das ist sie dann, wenn der Kläger zu allen anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmalen einer Anspruchsgrundlage, die zu der von ihm begehrten Rechtsfolge führen kann, Tatsachen vorgetragen hat. Fehlt es hieran und hat der Kläger seinen Vortrag auch auf einen rechtlichen Hinweis des Gerichts nach § 139 ZPO nicht nachgebessert, wird die Klage abgewiesen. Auf den Vortrag des Beklagten kommt es nicht mehr an.
Ist die Klage schlüssig, prüft das Gericht, ob die Reaktion des Beklagten auf den schlüssigen Vortrag des Klägers erheblich ist.
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Hat der Beklagte den klägerischen Vortrag nicht bestritten, wird er der Entscheidung ohne Beweisaufnahme zugrunde gelegt. Andernfalls muss eine Beweisaufnahme durchgeführt bzw. das Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme gewürdigt werden. Diese Prüfung führt das Gericht für jedes einzelne Tatbestandsmerkmal gesondert durch.
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Außerdem muss das Gericht prüfen, ob der Beklagte Tatsachen vorgetragen hat, die anspruchshindernde oder -vernichtende Einwendungen oder anspruchshemmende Einreden begründen. Ist das der Fall, kommt es zudem darauf an, wie sich der Kläger hierzu verhält. Insoweit gilt das zuvor zum Bestreiten Gesagte entsprechend.
Wie bereits erwähnt, muss das Gericht grundsätzlich den gesamten Vortrag der Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Insbesondere unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 ZPO können Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 282 Abs. 1 ZPO) der Parteien aber präkludiert, also ausgeschlossen sein.
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Dazu muss die Partei ihr Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel zunächst verspätet vorgebracht worden sein. Die Aufzählung der Frist in § 296 Abs. 1 ZPO ist abschließend.
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Zu dieser Verspätung muss eine Verzögerung treten. Wann dies der Fall ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Nach einer Auffassung soll es auf einen Vergleich mit derjenigen Prozesslage ankommen, die bestehen würde, wenn die Partei rechtzeitig vorgetragen hätte (relativer Verzögerungsbegriff). Überwiegen wird jedoch vertreten, dass es allein darauf ankomme, ob sich der Prozess bei Zulassung des verspäteten Vorbringens später erledigt als bei einer Zurückweisung (absoluter Verzögerungsbegriff).5 Für die praktische Anwendung des absoluten Verzögerungsbegriffs kommt es darauf an, ob im Hinblick auf den verspäteten Vortrag ein neuer Termin anberaumt werden müsste, beispielsweise zur Durchführung einer Beweisaufnahme. Ist das der Fall, würde sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögern und der Vortrag wäre zurückzuweisen. Verspätetes Vorbringen darf auch nach dem absoluten Verzögerungsbegriff aber dann nicht ausgeschlossen werden, wenn dies zu einer Überbeschleunigung führen würde, weil offenkundig ist, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre.
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Eine Präklusion ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Partei die Verspätung hinreichend entschuldigt.
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Lässt das Gericht den Vortrag nicht zu, ist der Beklagte nicht nur im erstinstanzlichen, sondern auch im Berufungsverfahren damit ausgeschlossen, da dort Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in der ersten Instanz zu Recht zurückgewiesen wurden, ebenfalls unberücksichtigt bleiben (§ 531 Abs. 1 ZPO). Diesen erheblichen Präklusionsfolgen kann sich der Beklagte mit einer „Flucht in die Säumnis“ entziehen. Er stellt dann im Termin keinen Antrag, so dass gegen ihn ein Versäumnisurteil ergeht, weil er so behandelt werden, als ob er nicht erschienen wäre (§ 333 ZPO). Gegen ein Versäumnisurteil ist (nur, § 514 Abs. 1 ZPO) der Einspruch statthaft (§ 338 ZPO). Dieser muss innerhalb der Notfrist von zwei Wochen seit Zustellung des Urteils eingelegt werden (§ 339 Abs. 1 ZPO). Hierzu muss eine Einspruchsschrift beim Prozessgericht eingereicht werden (§ 340 Abs. 1 ZPO). Ist der Einspruch zulässig, beraumt das Gericht einen Einspruchstermin an (§ 341a ZPO). In diesem Termin muss es beispielsweise den Beweis erheben, der aufgrund des verspäteten Vortrags erforderlich geworden ist.
BGH V ZR 267/17.
In einer Klausur wird sich ein Hinweis im Bearbeitervermerk finden, ob eine solche Regelung auf den zu entscheidenden Sachverhalt Anwendung findet.
BGH VIII ZR 19/04
BGH VIII ZR 246/96
BGH VII ZR 71/82
BVerfG 1 BvR 903/85
Ausführlich zum Einspruch gegen ein Versäumnisurteil Exkurs ZPO I 10.