Einstweiliger Rechtsschutz

Exkurs ZPO II 8: Einstweiliger Rechtsschutz

Die Regelungen zum einstweiligen Rechtsschutz in §§ 916 ff. ZPO federn bestimmte Risiken, die mit der Dauer eines Zivilverfahrens für die Parteien verbunden sein können, ab. Einstweiliger Rechtsschutz erfolgt über die Anordnung eines Arrestes oder den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Arrest

Der Arrest findet zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs statt, der in eine Geldforderung übergehen kann (§ 916 Abs. 1 ZPO).

Bsp.: Die B-Bank hat der A-GmbH einen Geschäftskredit gewährt. Nach Kündigung des Kredits erfährt B, dass A zur Rückzahlung nicht in der Lage ist und bereits damit begonnen hat, ihre Geschäftsausstattung zu versilbern.

B hat gegen A einen Anspruch auf Rückzahlung des Geschäftskredits aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, den sie ggf. mit einer Zahlungsklage verfolgen muss. Dabei besteht aber die Gefahr, dass B ein Urteil nicht erfolgreich vollstrecken könnte, weil A über kein Vermögen mehr verfügt. Hier hilft ihr der Arrest, mit dem sie das bewegliche Vermögen der A pfänden lassen könnte (§ 930 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Pfandverwertung ist auf der Grundlage eines Arrestes allerdings nicht möglich, hierfür benötigt B einen Titel im Hauptsacheverfahren.

  • Arrestgesuch

Gemäß § 920 Abs. 1 ZPO kann sie ein Arrestgesuch (Arrestantrag) beim Arrestgericht einreichen. Arrestgericht ist nach § 919 ZPO sowohl das Gericht der Hauptsache als auch das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Vermögen, das arrestiert werden soll, belegen ist. Gericht der Hauptsache ist dasjenige Gericht, das für die Klage zuständig ist bzw. wäre (§ 943 Abs. 1 ZPO).

Für das Gesuch besteht auch beim Landgericht kein Anwaltszwang. Dies folgt aus § 920 Abs. 3 iVm § 78 Abs. 3 ZPO, da das Gesuch auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden kann.

Im Rahmen des Arrestgesuchs müssen Arrestanspruch und Arrestgrund glaubhaft gemacht werden (§ 920 Abs. 2 ZPO).

  • Arrestanspruch

Arrestanspruch ist der materielle Zahlungsanspruch des Antragstellers, im Beispielsfall also der Darlehensrückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.

  • Arrestgrund

Der Antragsteller muss einen Grund dafür haben, dass es ihm nicht zuzumuten ist, den Ausgang des Klageverfahrens abzuwarten. Das ist vor allem dann der Fall, wenn zu besorgen ist, dass ohne Verhängung des Arrests die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde (sog. dinglicher Arrest, § 917 Abs. 1 ZPO). Daneben gibt es die Möglichkeit eines persönlichen Sicherheitsarrestes (§ 918 ZPO). Dieser findet statt, wenn er erforderlich ist, um die gefährdete Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu sichern.

Im Beispielsfall hat A damit begonnen, ihre Geschäftsausstattung zu versilbern. Dies könnte dazu führen, dass es am Ende kein Vermögen mehr gibt, in das B vollstrecken kann, denn es besteht zumindest die Gefahr, dass der Veräußerungserlös nicht mehr auffindbar ist. Es ist also zu besorgen, dass ohne die Verhängung des Arrestes die Vollstreckung des Urteils wesentlich erschwert werden würde.

  • Glaubhaftmachung

Im Rahmen der Glaubhaftmachung kommt vor allem eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers oder eines Dritten in Betracht. So könnte im Beispielsfall der zuständige Mitarbeiter der B eidesstattlich versichern, dass A damit begonnen hat, ihr Vermögen zu versilbern.

  • Entscheidung des Gerichts

Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es eine mündliche Verhandlung anberaumt oder ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Ein maßgebliches Kriterium ist dabei der „Überraschungseffekt“ für den Antragsgegner. So könnte im Beispielsfall der Zugang einer Ladung die A dazu veranlassen, ihr Vermögen noch schneller zu veräußern und den Erlös zu verbergen.

Hat der Antragsgegner bereits im Vorfeld des Arrestantrags eine Schutzschrift eingereicht, muss das Gericht mündlich verhandeln. Schutzschriften sind gemäß § 945a Abs. 1 Satz 2 ZPO vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest (oder einstweilige Verfügung).

Einstweilige Verfügung

Mit der einstweiligen Verfügung ordnet das Gericht auf Antrag des Antragstellers geeignete Maßnahmen an, wenn die Besorgnis besteht, dass durch Veränderung eines bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§§ 935, 938 ZPO).

Bsp.: Vermieter V stellt nach Ablauf der Mietzeit bei einer Internetrecherche fest, dass Mieter M den gemieteten Rasenmäher im Internet zum Kauf anbietet.

Wenn V hier nicht umgehend reagiert, läuft er Gefahr, das Eigentum am Rasenmäher durch gutgläubigen Erwerb eines Dritten zu verlieren (§§ 929, 932 BGB). Ihm ist deshalb nicht mit einer Herausgabeklage geholfen, sondern er muss im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorgehen. Ein Arrestgesuch kommt nicht in Betracht, weil er keine Geldforderung hat und ihm mit der Pfändung von Vermögensgegenständen des M auch nicht geholfen wäre. V muss deshalb versuchen, eine einstweilige Verfügung zu erwirken.

Gemäß § 936 ZPO finden auf die einstweilige Verfügung grundsätzlich die Arrestvorschriften entsprechende Anwendung.

  • Verfügungsantrag

Der Verfügungsantrag ist an das Gericht der Hauptsache zu richten (§ 937 Abs. 1 ZPO). Darin müssen Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden (§ 920 Abs. 2 ZPO).

  • Verfügungsanspruch

Verfügungsanspruch ist der materielle Anspruch des Antragstellers, im Beispielsfall der Herausgabeanspruch des Vermieters gegen den Mieter aus § 546 Abs. 1 BGB. Das Mietverhältnis ist durch Zeitablauf beendet worden (§ 542 Abs. 2 BGB).

  • Verfügungsgrund

Verfügungsgrund ist die in § 935 ZPO umrissene Eilbedürftigkeit. Es kommt darauf an, ob es dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, sich im ordentlichen Verfahren einen Titel zu erstreiten.

Im Beispielsfall ist diese Frage leicht zu bejahen, da V befürchten muss, dass der Rasenmäher nicht mehr bei M vorhanden ist, wenn er am Ende des Hauptsacheverfahrens einen Herausgabetitel erstritten hat.

  • Glaubhaftmachung

V muss Verfügungsanspruch und -grund glaubhaft machen. Hierzu kann er den Mietvertrag vorlegen und eidesstattlich versichern, dass M den Rasenmäher nicht zurückgegeben hat, sondern im Internet zum Kauf anbietet. Für letzteres kann er zudem einen Screenshot der von ihm abgerufenen Angebotsseite beifügen.

  • Inhalt des Antrags

Für den Inhalt des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung – und später die einstweilige Verfügung selbst – gibt es nur wenige Beschränkungen (§ 938 ZPO).

  • Sicherungsverfügung

Die Sicherungsverfügung ist die in § 935 ZPO angelegte vorläufige Maßnahme zur Sicherung eines Anspruchs oder Rechts. Dabei ist es wichtig, dass die angeordnete Maßnahme hinter dem zurückbleibt, was in der Hauptsache erreicht werden könnte, denn die Hauptsache darf grundsätzlich nicht vorweggenommen werden.

Im Beispielsfall kann V deshalb nicht die Herausgabe des Rasenmähers an sich selbst, sondern als Minus nur die Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher verlangen.

  • Regelungsverfügung

Die Regelungsverfügung dient der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses, wenn dies insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen nötig erscheint (§ 940 ZPO).

Das kommt vor allem in Gesellschaftsrechtsverhältnissen in Betracht, so zum Beispiel, wenn dem Geschäftsführer einer GmbH wegen einer erheblichen Pflichtverletzung ein Tätigkeitsverbot auferlegt werden soll.

  • Leistungsverfügung

Von der Rechtsprechung anerkannt ist auch der Erlass einer Leistungsverfügung. Diese führt bereits zu einer teilweisen Befriedigung des Antragstellers – also zu einer Vorwegnahme der Hauptsache -, wenn dieser auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen ist, dass er das Klageverfahren Verfahren nicht abwarten kann, ohne unverhältnismäßig großen Schaden zu erleiden. Entwickelt wurde die Leistungsverfügung für Unterhalts- und Lohnzahlungen.

Im Falle verbotener Eigenmacht ist eine Herausgabe an den früheren Besitzer ausnahmsweise zulässig.

  • Entscheidung des Gerichts

Über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist grundsätzlich mündlich zu verhandeln. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 937 Abs. 2 ZPO, wonach (nur) in dringenden Fällen oder bei Zurückweisung des Antrags ohne mündliche Verhandlung entschieden werden darf. Auch hier geht es um eine Dringlichkeit, die über die ohnehin als Verfügungsgrund glaubhaft zu machende Eilbedürftigkeit hinausgeht. Dabei kommt wiederum der Überraschungseffekt für den Antragsgegner in Betracht, der durch eine mündliche Verhandlung verpuffen würde.

Im Beispielsfall sollte M möglichst nicht wissen, dass V ihm auf die Schliche gekommen ist. Das Gericht würde deshalb ohne mündliche Entscheidung entscheiden.

Gerichtliche Entscheidung und Rechtsschutz

Nach mündlicher Verhandlung entscheidet das Gericht durch Urteil, ansonsten durch Beschluss (§ 922 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für den Beschluss gilt dabei die Besonderheit, dass er dem Antragsgegner nicht von Amts wegen zugestellt wird. Hat das Gericht den Arrest durch Beschluss erlassen, obliegt die Zustellung dem Antragsteller (§ 922 Abs. 2 ZPO). Sie erfolgt durch den Gerichtsvollzieher (§ 192 Abs. 1 ZPO). Auch dies dient dem erwähnten Überraschungseffekt, denn die Vollstreckung kann mit der Zustellung verbunden werden (§§ 750 Abs. 1, 928 ZPO). Aus demselben Grund erfährt der Antragsgegner auch nicht, wenn das Gericht Arrestgesuch oder Verfügungsantrag durch Beschluss zurückgewiesen hat (§ 922 Abs. 3 ZPO), denn die Zurückweisung erwächst nicht in Rechtskraft, so dass der Antragsteller später ein neues Gesuch anbringen kann.

  • Rechtsmittel der Parteien

  • Hat das Gericht über das Arrestgesuch oder den Verfügungsantrag durch Urteil entschieden, kann die unterlegene Partei – wie sonst auch - Berufung einlegen.

  • Hat das Gericht den Antrag durch Beschluss zurückgewiesen, kann der Antragsteller hiergegen sofortige Beschwerde einlegen (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

  • Hat das Gericht den Arrest oder die einstweilige Verfügung durch Beschluss angeordnet bzw. erlassen, kann der Antragsgegner hiergegen (nur) Widerspruch erheben (§ 924 Abs. 1 ZPO). Über diesen Widerspruch entscheidet das Ausgangsgericht nach mündlicher Verhandlung durch Urteil (§ 925 Abs. 1 ZPO); dabei kann es Arrest oder Verfügung ganz oder teilweise bestätigen, abändern oder aufheben (Abs. 2).

  • Anordnung der Klageerhebung

Der Erlass von Arrest und Verfügung setzt nicht voraus, dass der Antragsteller in der Hauptsache bereits Klage erhoben hat. Der Antragsgegner kann aber die Anordnung beantragen, dass der Antragsteller binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat (§ 926 Abs. 1 ZPO). Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach, wird der Arrest bzw. die Verfügung auf Antrag des Antragsgegners vom Gericht durch Urteil aufgehoben (Abs. 2).

  • Schadensersatzpflicht

Der Antragsgegner hat gegen den Antragsteller einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn sich der Arrest bzw. die Verfügung im Berufungs- oder Widerspruchsverfahren als von Anfang an ungerechtfertigt erweist oder aufgehoben wird, weil der Antragsteller nicht fristgerecht Klage erhoben hat (§ 945 ZPO).


  1. Hierzu Exkurs ZPO II 3.

  2. Hierzu Exkurs ZPO I 8.

  3. § 936 ZPO wird im Folgenden nicht bei jeder anzuwendenden Arrestvorschrift mitzitiert.

  4. Vgl. OLG Hamm 30 U 105/91

  5. OLG Koblenz 5 W 64/14; OLG Hamm 30 U 105/91; vgl. § 940a Abs. 1 ZPO.