Einseitige Erledigungserklärung

Aufbau der Prüfung - Einseitige Erledigungserklärung

Zu den besonderen Konstellationen in den gerichtlichen Entscheidungen gehört auch die einseitige Erledigungserklärung. Beispiel: A wird Adressat einer Abrissverfügung. Im Ergebnis erhebt A gegen diese Verfügung Anfechtungsklage und während des laufenden Anfechtungsprozesses nimmt die Behörde die Abrissverfügung zurück. A erklärt daraufhin den Rechtsstreit für erledigt. Die Beklagte widerspricht dieser Erledigungserklärung jedoch und trägt vor, es gäbe noch andere Abrissverfügungen und man habe ein Interesse daran, feststellen zu lassen, ob die Abrissverfügung rechtswidrig sei, um in den anderen Fällen handlungsfähig zu sein.

A. Zulässigkeit

In der sich anschließenden Prüfung wird mit der Zulässigkeit begonnen.

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Die Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs verläuft ohne Besonderheiten.

II. Statthafte Klageart

Sodann ist die statthafte Klageart zu prüfen. Diese richtet sich nach dem Klagebegehren, vgl. § 88 VwGO. Ursprünglich wollte A gegen die Abrissverfügung vorgehen. Hierbei handelte es sich somit um eine Anfechtungsklage. Nun hat A den Rechtsstreit jedoch einseitig für erledigt erklärt. Dies ist auslegungsbedürftig. Die einseitige Erledigungserklärung wird als ein Fall der Klageänderung sui generis ausgelegt. Dies bedeutet, dass die Klageänderung stets zulässig und somit nicht an die Voraussetzungen des § 91 VwGO geknüpft ist. Verstanden wird dies als eine Klageänderung in eines Feststellungsklage. Diese ist statthaft, wenn der Kläger die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt. Vorliegend begehrt die A die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, nämlich des Prozessrechtsverhältnisses. A will mithin klären lassen, dass es keinen Rechtsstreit mehr gibt.

III. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen

Daraufhin sind die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen der Feststellungsklage zu prüfen. Die Feststellungsklage setzt insbesondere ein sogenanntes Feststellungsinteresse voraus. Dieses wird denkbar weit verstanden, es genügt jedes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. In diesen Fällen besteht stets ein Interesse wirtschaftlicher Art aufgrund der Frage der Kostentragung. Wenn der Kläger nichts unternimmt, unterliegt er schlicht und muss die Kosten tragen. Besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse jedoch nicht, ergibt es auch keinen Sinn, den Antrag nach § 113 I 4 VwGO umzustellen. Dem Kläger bleibt in einer solchen Konstellation nur die Möglichkeit, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Deshalb muss man es ihm auch i.S.e. Feststellungsinteresse zubilligen, dass er zur Vermeidung der ansonsten anstehenden Klageabweisung, den Antrag umstellen darf. Das Feststellungsinteresse besteht somit wegen der ansonsten entstehenden Kostentragungspflicht.

IV. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen

Bei den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen ergeben sich keine Besonderheiten.

B. Begründetheit

Zuletzt ist die Begründetheit der Feststellungsklage zu prüfen. Sie ist begründet, wenn das Rechtsverhältnis nicht besteht. Im Rahmen der Begründetheit sind daher maximal drei Dinge zu prüfen: Das erledigende Ereignis, die Zulässigkeit der ursprünglichen Klage und eventuell die Begründetheit der ursprünglichen Klage.

I. Erledigendes Ereignis

Das erledigende Ereignis liegt vor, wenn durch ein nach Rechtshängigkeit liegendes Ereignis das Begehren gegenstandslos wird. Hat, wie im Beispielsfall, die Behörde die Abrissverfügung während des laufenden Prozesses zurückgenommen, ergibt es keinen Sinn mehr, die Abrissverfügung gerichtlich aufheben zu lassen. Das Begehren, also die Aufhebung der Abrissverfügung, ist mithin gegenstandslos geworden.

II. Zulässigkeit der ursprünglichen Klage

Daraufhin ist die Zulässigkeit der ursprünglichen Klage zu prüfen. Es stellt sich berechtigterweise an dieser Stelle die Frage, weshalb die Zulässigkeit der ursprünglichen Klage zu prüfen ist, wenn sich das Prozessrechtsverhältnis bereits erledigt hat. Das folgt daraus, dass nicht aus einem hässlichen, unzulässigen Anfechtungsentlein wundersam durch Erledigung ein zulässiger und gar begründeter Feststellungsschwan entstehen kann. Wenn die ursprüngliche Klage sogar unzulässig war, ändert die Erledigung daran nichts, sodass die Feststellungsklage unbegründet wäre.

III. Begründetheit der ursprünglichen Klage

Letztlich ist auch die Begründetheit der ursprünglichen Klage zu prüfen. Dies gilt nach dem Bundesverwaltungsgericht zumindest dann, wenn ein berechtigtes Interesse des Beklagten an der Sachfeststellung vorliegt. Wenn der Beklagte kein berechtigtes Interesse an der Sachfeststellung hat, dann kann er der Erledigungserklärung des Klägers zustimmen, denn dann wird über die Kosten entschieden, sodass das Kosteninteresse des Beklagten vollumfänglich abgedeckt ist. Sollte der Beklagte Recht gehabt haben, trägt er also nicht die Kosten des Rechtsstreits. Sollte der Beklagte jedoch ein berechtigtes Interesse an einer Sachfeststellung haben, beispielsweise an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, dann muss es auch möglich sein, der Erledigungserklärung des Klägers zu widersprechen und das Gericht dazu zu zwingen, auch in der Begründetheit inhaltliche Feststellungen zu treffen. Dies folgt aus dem Argument des Spiegelbildes zur Fortsetzungsfeststellungsklage. Wenn der Kläger im Falle der Erledigung vor Gericht weiterspielen möchte und Sachfeststellungen treffen lassen möchte, dann braucht er hierfür ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Wenn er über dieses nicht verfügt, bleibt ihm nur die Möglichkeit, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären, denn wenn er nichts tut, trägt er die Kosten des Rechtsstreits. Wenn der Kläger jedoch trotz Erledigung noch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts feststellen lassen kann, sofern er ein Fortsetzungsfeststellunginteresse hat, dann muss umgekehrt auch der Beklagte die Möglichkeit haben, der Erledigungserklärung zu widersprechen, um auf diese Weise das Gericht zu zwingen, bestimmte Sachfeststellungen zu treffen. Verfügt der Beklagte also über ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse (Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse, Präjudizinteresse), dann kommt es auch in der Begründetheit der Feststellungsklage zur Prüfung der Begründetheit der ursprünglichen Klage. Das bloße Anführen, es existierten noch andere Fälle, genügt jedoch nicht. Vielmehr hat an dieser Stelle eine enge Auslegung inter partes stattzufinden.

C. Tenorierung

Der Hauptsachetenor bei erfolgreicher Feststellungsklage lautet sodann: „Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.“ Ist die Klage erfolglos, wird sie – wie üblich – abgewiesen. Der Kostentenor richtet sich ohne Besonderheiten nach den §§ 154 ff. Auch die vorläufige Vollstreckbarkeit weist keine Besonderheiten auf.

 

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