Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV)

1. Examen/ZR/Sachenrecht 1

Prüfungsschema: Eigentümer-Besitzerverhältnis (EBV)

 

I. Redlicher Besitzer

  • Redlich ist der Besitzer, wenn er nicht auf Herausgabe verklagt und nicht bösgläubig bzgl. seines fehlenden Besitzrechts ist.

1. Nutzungsherausgabeansprüche des Eigentümers

  • Nutzungen sind die Früchte einer Sache sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache mit sich bringt, § 100 BGB.
  • Grundsatz: (-)
  • Ausnahmen: unentgeltlicher Besitzer, § 988 BGB; Übermaßfrüchte, § 993 I BGB.
  • Problem: Analoge Anwendung des § 988 BGB beim rechtsgrundlosen Besitzer
  • aA (Rspr.): (+)
  • aA (Lit.): (-); Arg.: Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck des EBV

2. Schadensersatzansprüche des Eigentümers

  • Grundsatz: (-)
  • Ausnahme: Fremdbesitzerexzess, § 991 II BGB (bzw. analog im 2-Pers.-Verh.)

3. Verwendungsersatzansprüche des Besitzers

  • Verwendungen sind auf Aufwendungen auf Sachen.
  • Problem: Sachändernde Verwendungen
  • aA (Rspr.): (-); Arg.: Schutz des Eigentümers vor aufgedrängter Bereicherung
  • aA (Lit.): (+); Arg.: Schutz des redlichen Besitzers

a) Notwendige Verwendungen, § 994 I BGB

  • Notwendig sind Verwendungen, wenn sie zum Erhalt der Sache objektiv erforderlich sind. Allerdings werden die gewöhnlichen Erhaltungskosten, also die regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben (z.B. Fütterung, Inspektionen) gemäß § 994 I 2 BGB nicht ersetzt, solange dem Besitzer die Nutzungen verbleiben.

b) Nützliche Verwendungen, § 996 BGB

  • Nützlich sind Verwendungen, wenn sie werterhöhend sind.
  • Problem: Maßstab
  • aA: subjektiv; Arg.: Schutz des Eigentümers vor aufgedrängter Bereicherung
  • aA: objektiv; Arg.: Schutz des redlichen Besitzers

II. Verklagter Besitzer

  • Der Besitzer ist verklagt, wenn die Klage auf Herausgabe rechtshängig ist, also die Klageschrift dem Besitzer zugestellt worden ist, §§ 253, 261 I ZPO.

1. Nutzungsherausgabe

  • § 987 BGB

2. Schadensersatz

  • § 989 BGB

3. Verwendungsersatz

  • Nur notwendige Verwendungen, §§ 994 II, 677 ff. BGB
  • Bei dem Verweis handelt es sich um einen Teilrechtsgrundverweis (hM). Der Fremdgeschäftsführungswille ist im Rahmen der §§ 677 ff. BGB nicht zu prüfen.

III. Bösgläubiger Besitzer

  • Der Besitzer ist bösgläubig, wenn er Kenntnis vom fehlenden Besitzrecht hat oder diesbezüglich grob fahrlässig in Unkenntnis ist, § 932 II BGB.
  • Problem: Auf wessen Bösgläubigkeit kommt es bei Minderjährigen an?
  • aA: Gesetzlicher Vertreter; Arg.: Schutz des Minderjährigen
  • aA: Minderjähriger; Arg.: Schutz des Eigentümers
  • hM: Differenzierend. Bei Schadensersatz: Minderjähriger; Arg.: Nähe zum Deliktsrecht. Bei Nutzungsherausgabe: Gesetzlicher Vertreter; Arg.: Nähe zum Vertragsrecht.
  • Problem: Zurechnung der Bösgläubigkeit einer Hilfsperson
  • aA: § 831 BGB analog; Arg.: Exkulpation möglich
  • hM: § 166 BGB analog; Arg.: § 831 BGB keine Zurechnungsnorm

1. Nutzungsherausgabe

  • §§ 990 I, 987 BGB

 

2. Schadensersatz

  • Substanzschaden, §§ 990 I, 989 BGB
  • Vorenthaltungsschaden, §§ 990 II, 280 I, 286 BGB
  • Problem: Anwendbarkeit des § 823 I BGB
  • aA: (+); Arg.: Wortlaut
  • hM: (-); Arg.: Systematik

3. Verwendungsersatz

  • Nur notwendige Verwendungen, §§ 994 II, 677 ff. BGB (Teilrechtsgrundverweis – nicht Fremdgeschäftsführungswillen prüfen)

IV. Deliktischer Besitzer

  • Deliktisch ist der Besitzer, wenn er den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder durch eine Straftat erlangt hat.

1. Nutzungsherausgabe

  • §§ 990 I, 987 BGB

2. Schadensersatz

  • §§ 990, 989 BGB
  • §§ 992, 823 ff. BGB

3. Verwendungsersatz

  • Nur notwendige Verwendungen, §§ 850, 994 II, 677 ff. BGB

 

 

 

Anmerkungen

I. Vindikationslage

  • Bei allen Ansprüchen ist ein EBV zum Zeitpunkt des maßgeblichen Ereignisses (Nutzungsziehung, Schädigung, Verwendung) erforderlich.
  • Ausnahme: Bei Verwendungen des Werkunternehmers auf Sachen des Vorbehaltsverkäufers vor Rücktritt; dort reicht es aus, wenn ein EBV zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens vorliegt.

II. Sperrwirkung des EBV

  • Wer nach den EBV-Regeln nicht auf Nutzungsherausgabe oder Schadensersatz haftet, haftet auch nicht nach anderen Vorschriften (§§ 823 ff., 812 ff. BGB, 280 ff. BGB) auf Nutzungsherausgabe oder Schadensersatz, § 993 I BGB a.E.
  • Problem: Sperrwirkung des EBV, § 993 I BGB a.E. beim lediglich bösgläubigen, aber nicht deliktischen Besitzer
  • aA: (-); Arg.: Wortlaut des § 993 I BGB
  • hM: (+); Arg.:  Wertungen des § 990 II BGB (Vorenthaltungsschaden nur bei Verzug) und des § 992 BGB (Verweis auf das Deliktsrecht nur beim deliktsichen Besitzer)
  • Die Sperrwirkung gilt nur für Schadensersatz- und Nutzungsherausgabeansprüche. Sonstige Ansprüche (Herausgabe, Erlösherausgabe, Wertersatz etc.) sind nicht gesperrt.
  • Die Sperrwirkung gilt nach hM auch für die Verwendungsersatzansprüche des Besitzers, auch wenn sie in § 993 BGB nicht explizit genannt sind.