Drittwiderspruchsklage

Exkurs ZPO II 6: Drittwiderspruchsklage und Vorzugsklage eines Dritten

Macht ein Dritter eigene Rechte an einem Gegenstand der Zwangsvollstreckung geltend, kommen zwei Klagearten für ihn in Betracht. Mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) kann er die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklären lassen. Mit der Vorzugsklage (§ 805 ZPO) kann er die vorzugsweise Befriedigung aus dem Versteigerungserlös verlangen.

Drittwiderspruchsklage

  • Die Drittwiderspruchsklage ist eine prozessuale Gestaltungsklage.

  • Ausschließlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt (§ 771 Abs. 1, 802 ZPO).

  • Richtiger Beklagter ist der Vollstreckungsgläubiger.

  • Der Klageantrag lautet:

Es wird beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom … in den (genau bezeichneter Gegenstand) für unzulässig zu erklären.

  • Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt mit dem Beginn der Zwangsvollstreckung bis zu ihrer Beendigung vor.

  • Die Klage ist begründet, wenn dem Kläger ein die Veräußerung hinderndes Recht (sog. Interventionsrecht) zusteht und er die Vollstreckung nicht zu dulden hat.

Es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass ein solches Recht nicht existiert, da selbst das Eigentum gutgläubig wegerworben werden kann und es ein stärkeres Recht nicht gibt. Es kommt deshalb nur darauf an, dass der Gegenstand nicht zum Vermögen des Schuldners gehört, sondern dem Dritten zusteht. Nicht unter § 771 ZPO unterfallen die besitzlosen Pfandrechte (Vermieterpfandrecht). Dies folgt aus § 805 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO.

  • § 771 ZPO erfasst zunächst sämtliche Formen des Eigentums, auch Miteigentum, insbesondere:

  • Vorbehaltseigentum

Ob im Falle der Veräußerung einer Sache unter Eigentumsvorbehalt der Veräußerer der Vollstreckung in die Sache widersprechen darf oder ob er nur die vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös verlangen kann, ist umstritten.

  • Eine Ansicht lehnt die Anwendung von § 771 ZPO ab und begründet dies mit einem Verweis auf die besitzlosen Pfandrechte. Das Vorbehaltseigentum sei diesen Rechten ähnlicher als dem Eigentumsrecht, denn der Vorbehaltseigentümer sei ebenfalls nicht im Besitz der Sache.

  • Nach h.M. gibt aber auch das Vorbehaltseigentum an einer Sache ein Interventionsrecht, da es als vollwertiges Eigentum anerkannt ist. Außerdem ist es nicht richtig, dass der Vorbehaltseigentümer keinen Besitz an der Sache haben soll, da er deren mittelbarer Besitzer ist.

Allerdings kann der Gläubiger das Anwartschaftsrecht des Schuldners pfänden und dieses zum Eigentum erstarken lassen, indem er den Restkaufpreis an den Kläger zahlt.

Auch der Erwerber kann als Inhaber eines Anwartschaftsrechts einer Vollstreckung beim Veräußerer widersprechen, solange der Eigentumserwerb für ihn noch möglich ist. Dies gilt allerdings noch nicht für die Pfändung, sondern erst für die Verwertung der Sache.

  • Sicherungseigentum

Für das Sicherungseigentum gilt das zum Vorbehaltseigentum Gesagte entsprechend.

Der Sicherungsnehmer (Eigentümer) kann der Vollstreckung beim Sicherungsgeber widersprechen, solange die gesicherte Forderung besteht.

Der Sicherungsgeber kann der Vollstreckung durch einen Gläubiger des Sicherungsgebers bis zu dem Zeitpunkt widersprechen, in dem der Sicherungsgeber die Sache verwerten dürfte.

Auch hier kann der Vollstreckungsgläubiger tätig werden, indem er den Rückübertragungsanspruch des Sicherungsgebers pfänden lässt und die gesicherte Forderung ausgleicht.

  • Forderungen

Wird durch die Vollstreckung eine Forderung des Dritten beeinträchtigt, steht ihm ein Interventionsrecht zu. Das gilt auch für eine Sicherungsabtretung.

  • Besitzpfandrechte

Pfandrechte, die dem Pfandgläubiger den Besitz an der Sache zuweisen (Werkunternehmer), geben nur ein eingeschränktes Interventionsrecht: Der Pfandgläubiger kann nicht bereits der Pfändung der Sache widersprechen. Das bringt ihm aber auch keinen Nachteil, da sein Pfandrecht dem Pfändungspfandrecht des Vollstreckungsgläubigers nach dem Prioritätsprinzip ohnehin vorgeht (§ 804 Abs. 3 ZPO). Sobald ihm der Gerichtsvollzieher die Sache aber wegnimmt (§ 883 ZPO), kann er Drittwiderspruchsklage erheben. Genauso gut könnte er hier aber lediglich eine Vollstreckungserinnerung einlegen (§ 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO), wenn er vor der Wegnahme die Herausgabe verweigert hatte (§ 809 ZPO).

Besitzlose Pfandrechte (Vermieterpfandrecht) begründen dagegen kein Interventionsrecht, sondern berechtigen nur zur vorzugsweisen Befriedigung aus dem Versteigerungserlös (§ 805 Abs. 1 ZPO).

  • Grundpfandrechte

Wird eine Sache gepfändet, die in den Haftungsverband einer Hypothek oder einer Grundschuld fällt, kommt die Drittwiderspruchsklage ebenfalls in Betracht.

  • Besitz

Allein der Besitz einer Sache gibt kein Interventionsrecht, da die Sache trotzdem zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners gehört. Dagegen besteht ein Interventionsrecht, wenn ein Recht zum Besitz besteht.

  • Schuldrechtliche Ansprüche

Auch rein schuldrechtliche Ansprüche können ein Interventionsrecht begründen, solange die Sache nicht (noch) zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners gehört. So fallen die Herausgabeansprüche aus der Besitzüberlassung (bspw. Miete und Leihe) unter § 771 ZPO, der Besitzverschaffungsanspruch des Käufers (§ 443 Abs. 1 Satz 1 BGB) dagegen nicht.

Das Interventionsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Kläger mit seiner Drittwiderspruchsklage gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Wichtig sind hierbei zwei Konstellationen:

  • Dem Beklagten steht ein rangbesseres Recht an der Sache zu.

Bsp.: Der Beklagte als Vermieter des Vollstreckungsschuldners betreibt die Zwangsvollstreckung wegen offener Mietforderungen und lässt dabei in der Wohnung ein Gemälde pfänden. Der Kläger beruft sich auf ein später entstandenes Sicherungseigentum. Der Kläger hat zwar mit dem Sicherungseigentum ein Interventionsrecht, dem jedoch das Vermieterpfandrecht des Beklagten (§ 562 BGB) nach dem Prioritätsprinzip vorgeht.

  • Der Kläger haftet für die titulierte Forderung.

Bsp.: Der Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Darlehensrückzahlungsanspruch, für den sich der Kläger selbstschuldnerisch verbürgt hat (§§ 773 Abs. 1 Nr. 1, 771 BGB). Der Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung gegen eine Gesellschaft, für deren Schulden der Kläger persönlich haftet (§ 128 HGB). Der Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung gegen einen Dritten, der Kläger ist mit diesem Gesamtschuldner der Vollstreckungsforderung (§ 421 BGB).

  • Entscheidung

Gibt das Gericht der Klage statt, tenoriert es wie folgt:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom … in den (genau bezeichneter Gegenstand) wird für unzulässig erklärt.

Vorzugsklage

Die Klage auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Veräußerungserlös (Vorzugsklage) kommt für jeden Dritten in Betracht, der ein vorrangiges Recht an der gepfändeten Sache hat. Auch der nach § 771 ZPO Interventionsberechtigte kann sich darauf beschränken, lediglich den Veräußerungserlös zu vereinnahmen.

  • Die Vorzugsklage ist eine prozessuale Gestaltungsklage.

  • Bei der ausschließlichen Zuständigkeit (§ 802 ZPO) ist zu unterscheiden:

Die sachliche Zuständigkeit hängt vom Wert des Betrages ab, für den die vorzugsweise Befriedigung begehrt wird. Erreicht dieser 5.000,00 Euro nicht, ist das Vollstreckungsgericht zuständig, ansonsten das Landgericht, wobei sich dessen örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des Vollstreckungsgerichts richtet (§ 805 Abs. 2 ZPO).

  • Richtiger Beklagter ist der Vollstreckungsgläubiger.

  • Der Antrag lautet:

Es wird beantragt, den Kläger aus dem Reinerlös des am … gepfändeten … (genauer gepfändeter Gegenstand) bis zum Betrag von … Euro (Höhe der Forderung des Klägers) vor dem Beklagten zu befriedigen.

  • Das für die Zulässigkeit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis besteht vom Zeitpunkt der Pfändung an bis zur Auskehrung des Erlöses.

  • Die Klage ist begründet, wenn der Kläger ein Pfand- oder Vorzugsrecht innehat, das dem Pfändungspfandrecht des Beklagten vorgeht.

  • Für die von § 805 Abs. 1 InsO erfassten Pfand- und Vorzugsrechte wird auf §§ 50, 51 InsO zurückgegriffen. Erfasst sind danach:

  • Vertragspfandrechte, gesetzliche Pfandrechte und Pfändungspfandrechte (§ 50 Abs. 1 InsO);

  • Vorzugsrechte

  • Sicherungseigentum (Nr. 1);

  • Zurückbehaltungsrecht wegen eines Aufwendungsersatzanspruchs (Nr. 2);

  • kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB (Nr. 3).

  • Der Vorrang des Pfandrechts ergibt sich aus dem Prioritätsprinzip.

  • Beim Vermieterpfandrecht ist zu berücksichtigen, dass es dem Pfändungspfandrecht des Beklagten nur in Bezug auf die Miete der letzten zwölf Monate vor der Pfändung vorgeht (§ 562d BGB).

  • Entscheidung

Gibt das Gericht der Klage statt, tenoriert es wie folgt:

Der Kläger ist aus dem Reinerlös des am … gepfändeten … (genauer gepfändeter Gegenstand) bis zum Betrag von … Euro (Höhe der Forderung des Klägers) vor dem Beklagten zu befriedigen.


  1. BGH VIII ZR 242/68

  2. BGH VIII ZR 24/69

  3. BGH VIII ZR 242/68

  4. BGH VIII ZR 117/80

  5. BGH VIII ZR 60/77

  6. BGH IV ZR 32/50