Die Willenserklärung

Die Willenserklärung

Notwendiger Bestandteil jeden Rechtsgeschäfts ist die Willenserklärung.1 Als Willenserklärung bezeichnet man eine private Willensäußerung, die auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Durch die Willenserklärung bringt der Erklärende einen bestimmten Rechtsfolgewillen zum Ausdruck. Die Rechtsfolge tritt allein deshalb ein, weil sie gewollt ist.

Von der Willenserklärung sind andere Handlungsformen abzugrenzen. Geschäftsähnliche Handlungen sind ebenfalls Willensäußerungen, bei denen die Rechtsfolge im Gegensatz zur Willenserklärung aber kraft Gesetzes eintritt, ohne dass dies dem Willen des Erklärenden entsprechen muss (Beispiele: Fristsetzung i.S.v. § 281 I 1 BGB, Mahnung i.S.v. § 286 I 1 BGB);2 auf sie finden die für Rechtsgeschäfte geltenden Vorschriften häufig analoge Anwendung. Realakte setzen im Gegensatz zu Willenserklärungen und geschäftsähnlichen Handlungen keine Willensäußerung voraus; sie sind tatsächliche Vorgänge, an die das Gesetz unabhängig vom Willen des Handelnden eine Rechtsfolge knüpft (z. B. Verbindung, Vermischung und Verarbeitung i.S.v. §§ 946 ff. BGB).

Äußerer Tatbestand (Erklärung)

Der äußere Erklärungstatbestand einer Willenserklärung setzt eine erkennbare Willensbetätigung voraus, die auf einen Rechtsfolgewillen schließen lässt. Dies kann ausdrücklich oder konkludent (= schlüssig) erfolgen. Dem Schweigen kommt grundsätzlich keine rechtliche relevante Bedeutung zu. Ob der objektive (äußere) Erklärungstatbestand vorliegt und welchen Inhalt er hat, ist aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zu bestimmen (§§ 133, 157 BGB).

Der objektive Empfängerhorizont ist nicht nur für die Frage maßgebend, welchen Inhalt eine Willenserklärung hat, sondern auch, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt. Es ist danach zu fragen, ob ein verständiger Dritter in der konkreten Situation unter Beachtung aller erkennbaren Umstände und der Verkehrssitte sowie des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) das Verhalten als Willenserklärung verstanden hätte.3

Innerer Tatbestand (Wille)

Der innere Erklärungstatbestand setzt sich aus drei Elementen zusammen:

Notwendiger Bestandteil jeder Willenserklärung ist der Handlungswille. Der Erklärende muss den äußeren Tatbestand der Willenserklärung bewusst gesetzt haben. Ohne ein bewusstes, willensgesteuertes Verhalten kann die Erklärung dem Handelnden nicht zugerechnet werden.

Der Handlungswille fehlt beispielsweise bei Reflexbewegungen, Handlungen im Schlaf und in den Fällen der vis absoluta.

Zweiter subjektiver Bestandteil der Willenserklärung ist das Erklärungsbewusstsein. Darunter versteht man das Bewusstsein des Erklärenden, dass sein Verhalten irgendeine rechtserhebliche Erklärung darstellt. Fehlt das Erklärungsbewusstsein entgegen dem äußeren Anschein, ist streitig, ob dies das Vorhandensein einer Willenserklärung ausschließt.

Teilweise wird das Erklärungsbewusstsein als notwendige Voraussetzung einer Willenserklärung angesehen (Willenstheorie).4 Hierfür spreche ein Erst-recht-Schluss aus § 118 BGB: Wenn schon eine Erklärung nichtig ist, bei der der Erklärende mit Erklärungsbewusstsein handelt und nur darauf vertraut, dass der Empfänger den Mangel der Ernstlichkeit verkennt, dann muss der Handelnde durch die Nichtigkeitsfolge erst recht dann geschützt werden, wenn ihm das Erklärungsbewusstsein fehlt.

Die herrschende Gegenauffassung bejaht hingegen trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins eine Willenserklärung, sofern diese dem Erklärenden als solche zurechenbar ist. Diese Zurechenbarkeit ist nur dann zu bejahen, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte (potentielles Erklärungsbewusstsein) und der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat.5 Das gilt auch für schlüssiges Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein.6
Letzteres verdient Zustimmung.7
Gegen einen Erst-recht-Schluss aus § 118 BGB spricht, dass diese Vorschrift ohnehin einen Fremdkörper im System der Willenserklärung darstellt, weil sie der Lehre vom objektiven Empfängerhorizont widerspricht und allein die innere Willensrichtung des Handelnden über die Nichtigkeit der Erklärung entscheiden lässt. Außerdem ist die Situation eines fehlenden Erklärungsbewusstsein eher mit einem Irrtum nach § 119 I BGB als mit einer Scherzerklärung i.S.v. § 118 BGB vergleichbar, weil sich der Erklärende bei fehlendem Erklärungsbewusstsein überhaupt keine Gedanken darüber macht, etwas rechtlich Erhebliches zu tun, und deshalb insoweit einem Irrtum erliegt. Hier wie dort ist sich der Erklärende des objektiven Erklärungswerts seines Verhaltens nicht bewusst. Deshalb ist es interessengerecht, im Verkehrsschutzinteresse von einer Willenserklärung auszugehen, sobald der Erklärende zumindest potentielles Erklärungsbewusstsein hat, um dem Erklärenden sodann eine Anfechtungsmöglichkeit analog § 119 I Alt. 1 BGB zuzugestehen.
Schulbeispiel für den vorstehenden Meinungsstreit ist der Fall der „Trierer Weinversteigerung“.8

Unter dem Geschäftswillen versteht man den Willen, eine ganz konkrete Rechtsfolge herbeizuführen. Der Geschäftswille ist kein notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung. Fehlt er, liegt eine Willenserklärung vor, die ggf. nach Maßgabe der §§ 119 ff. BGB anfechtbar ist.


  1. Hier und zum Folgenden: Schack, BGB AT, 17. Aufl. 2023, Rn. 178.
  2. Schack, BGB AT, 17. Aufl. 2023, Rn. 178a.
  3. Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, Fall 35, S. 259.
  4. Canaris, NJW 1984, 2279, 2281 f.; der Empfänger sei dann analog § 122 BGB zu schützen.
  5. BGH, Urt. v. 24.02.2016 – XII ZR 5/15, Rn. 37; BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 146/07, Rn. 19.
  6. BGH, Urt. v. 14.12.2000 – IX ZR 300/98, ZIP 2001, 410.
  7. Zum Folgenden: Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, Fall 35, S. 261.
  8. Siehe hierzu den Fall: „Die Trierer Weinversteigerung“.