Die Kündigung

Die Kündigung

Die Kündigung wirkt im Gegensatz zum Rücktritt (§§ 346 ff. BGB) nur in die Zukunft und schafft daher regelmäßig keine Rückabwicklungsprobleme.1 Ihren wichtigsten Anwendungsfall bildet die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen.2 Vereinzelt spricht das BGB aber auch bei Schuldverhältnissen, die keine Dauerschuldverhältnisse sind, von einer Kündigung.

Das Kündigungsrecht ist ein Gestaltungsrecht, das durch Kündigungserklärung ausgeübt wird; es handelt sich dabei um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, für die das zur Rücktrittserklärung Gesagte entsprechend gilt.

Kündigung von Dauerschuldverhältnissen

Dauerschuldverhältnisse können durch Kündigung beendet werden. Dabei ist zwischen der ordentlichen und der außerordentlichen Kündigung zu unterscheiden.

Dauerschuldverhältnisse können auf bestimmte Zeit geschlossen sein. Dann enden sie ohne weiteres mit dem Ablauf dieser Zeit.

Beispiele: § 542 II (Miete), § 604 I BGB (Leihe), § 620 BGB (Dienstvertrag), § 15 I TzBfG (Arbeitsverhältnis).

Dauerschuldverhältnisse können aber auch auf unbestimmte Zeit geschlossen sein. Sie können durch eine Kündigung beendet werden. Die ordentliche Kündigung bedarf regelmäßig keines rechtfertigenden Grundes. Die Kündigung steht dann also im Belieben des Kündigenden. Dafür ist bei einer solchen Kündigung aber regelmäßig eine Kündigungsfrist einzuhalten.

Beispiele: Ohne rechtfertigenden Grund ist eine fristgebundene ordentliche Kündigung vorgesehen beim Pachtvertrag (§§ 581 II, 594a I BGB), beim Darlehensvertrag (§§ 489, 608 BGB) und beim Dienstvertrag, der kein Arbeitsvertrag ist (§ 621 BGB). Die Wohnraummiete und das Arbeitsverhältnis dienen der Existenzsicherung; bei ihnen ist deshalb auch eine ordentliche Kündigung nur bei Vorliegen eines besonderen Grundes3 möglich (§§ 573 ff. BGB; 622 BGB, 1 ff. KSchG). Einzelheiten im Schuldrecht BT.

Unabhängig davon, ob ein Dauerschuldverhältnis auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossen wurde, kommt zudem eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Anders als die ordentliche Kündigung bedarf sie stets eines besonderen Grundes. Die außerordentliche Kündigung von Dauerschuldverhältnissen ist entweder aufgrund von Spezialvorschriften (z. B. §§ 490, 543, 569, 626 BGB) oder unter den Voraussetzungen des § 314 BGB (dazu gleich) möglich. Sie kann nicht durch Parteivereinbarung ausgeschlossen werden.4

Der Kündigungsgrund kann in einer Pflichtverletzung des Kündigungsgegners liegen (z. B. § 543 II 1 Nr. 2 BGB bei der Miete), muss dies aber nicht (z. B. § 564 S. 2 BGB bei Kündigung durch oder gegen den Erben). Die außerordentliche Kündigung ist meist fristlos; sie kann aber auch fristgebunden sein (z. B. § 564 S. 2 BGB).

Kündigung sonstiger Schuldverhältnisse

Das BGB sieht eine Kündigung auch bei Schuldverhältnissen vor, die keine Dauerschuldverhältnisse sind.

Beim Werkvertrag gibt es ein ordentliches und ein außerordentliches Kündigungsrecht des Bestellers (§§ 648, 643 BGB), ein beiderseitiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (§ 648a BGB) und eine das ordentliche Kündigungsrecht nach § 648 BGB modifizierende5 Sonderregelung für die Kündigung des Bestellers im Zusammenhang mit einem Kostenvoranschlag (§ 649 BGB, „Kostenanschlag“). Auch das Auftragsrecht kennt ein Kündigungsrecht des Beauftragten (§ 671 II, III BGB).

Kündigung von Schuldverhältnissen aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB

Bereits vor Einführung des § 314 BGB durch das zum 01.01.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SMG)6 war als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt, dass jedes Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden kann.7 Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber in § 314 BGB nunmehr kodifiziert, ohne in der Sache etwas zu ändern.8

Der Anwendungsbereich des § 314 BGB ist nur eröffnet, soweit diese allgemeine Regelung nicht durch speziellere Regelungen (leges speciales) verdrängt ist. Spezialregelungen für die außerordentliche Kündigung gibt es beispielsweise für das Gelddarlehen (§ 490 BGB), das Mietverhältnis (§§ 543, 569 BGB), das Dienst- und das Arbeitsverhältnis (§ 626 BGB) und für die Gesellschaft (§ 723 BGB). Sie schließen die Anwendung des § 314 BGB aus.9

§ 314 I 1 BGB besagt, dass Dauerschuldverhältnisse durch jeden Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden können.

Ein wichtiger Grund liegt nach § 314 I 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung (bei einem befristeten Dauerschuldverhältnis) oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist (bei einer ordentlichen Kündigung) nicht zugemutet werden kann.

Diese Voraussetzung entspricht derjenigen des § 626 I BGB.10 Wie dort sollte die Prüfung des wichtigen Grundes in zwei Schritten erfolgen: (1) Zunächst ist danach zu fragen, ob Umstände vorliegen, die „an sich geeignet“ sind, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Ist dies zu bejahen, erfolgt anschließend (2) eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.

Der Kündigungsgrund muss nicht zwingend etwas mit dem Leistungsaustausch zu tun haben. Besteht der wichtige Grund indes in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig (§ 314 II 1 BGB).

Eine solche Frist ist gemäß § 314 II 2 BGB wie beim Rücktritt in den Fällen des § 323 II BGB entbehrlich. Entbehrlich ist die Frist ferner dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen (§ 314 II 3 BGB).

Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 314 III BGB).

Nach Ablauf dieser Kündigungserklärungsfrist ohne Ausspruch der Kündigung ist davon auszugehen, dass dem Kündigungsberechtigten eine Fortsetzung des Rechtsverhältnisses bis zum Ablauf der bei einer ordentlichen Kündigung zu beachtenden Frist doch zumutbar ist. 11 Angesichts der Vielgestaltigkeit der Dauerschuldverhältnisse hat der Gesetzgeber – im Gegensatz zu § 626 II BGB12 – auf eine bestimmte einheitliche Zeitangabe verzichtet. Die Bestimmung erfolgt einzelfallabhängig.13

Liegen die Voraussetzungen von § 314 I – III BGB vor, führt der Ausspruch der außerordentlichen Kündigung regelmäßig zur sofortigen Beendigung des Dauerschuldverhältnisses für die Zukunft.14

Über den insoweit zu engen Wortlaut des § 314 BGB hinaus kann die außerordentliche Kündigung aber auch mit einer sozialen Auslauffrist erfolgen und in Einzelfällen sogar geboten sein.

§ 314 IV BGB stellt – ähnlich wie § 325 BGB für den Rücktritt – klar, dass die nach anderen Vorschriften (z. B. §§ 280, 281 BGB) bestehende Möglichkeit, Schadensersatz zu verlangen, durch die Kündigung nach § 314 BGB unberührt bleibt.


  1. Hier und zum Folgenden: Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 655 – 660.
  2. Bei (echten) Dauerschuldverhältnissen bestimmt erst die Zeit den Umfang der zu erbringenden Leistung Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 11). Beispiele: Miete, Pacht, Leihe, Verwahrung, Darlehensvertrag, Arbeitsvertrag.
  3. Für das Arbeitsverhältnis gilt dies nur dann, wenn der Anwendungsbereich des KSchG eröffnet ist (vgl. § 23 KSchG).
  4. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 19.
  5. Hk-BGB/Scheuch, 10. Aufl. 2019, § 649 Rn. 1.
  6. Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I, S. 3138).
  7. BGH, Urt. v. 10.07.1968 – VIII ZR 120/66, NJW 1969, 37.
  8. BT-Drucks. 14/6040, S. 177.
  9. BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VIII ZR 296/15, Rn. 14 ff., 24 (zu §§ 543, 569 BGB); Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 19.
  10. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 21.
  11. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 24.
  12. Auf § 626 II BGB kann auch nicht als Anhaltspunkt zurückgegriffen werden (BGH, Urt. v. 25.11.2010 – Xa ZR 48/09, Ls. 1).
  13. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 314 Rn. 4.
  14. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 25.