Die Beendigung von Schuldverhältnissen (Überblick)

Die Beendigung von Schuldverhältnissen (Überblick)

Der einfachste Weg zur Beendigung eines Schuldverhältnisses i.w.S. ist die Befriedigung aller in ihm enthaltenen Befugnisse: 1 Die Forderungen werden erfüllt oder durch ein Erfüllungssurrogat (z. B. durch Aufrechnung) erledigt; Rechte zur Gestaltung des Forderungsinhalts werden ausgeübt oder erlöschen durch Wegfall ihrer Voraussetzungen.

An die Stelle dieser „normalen“ Durchführung kann aber auch eine andere Art der Abwicklung des Schuldverhältnisses treten. Die Parteien können das Schuldverhältnis beispielsweise einvernehmlich durch Vertrag wieder aufheben (Aufhebungsvertrag). Oftmals kann eine solche Einigung aber nicht erzielt werden. Dann stellt sich die Frage nach einseitigen Lösungen. Grundsätzlich scheidet eine einseitige Lösung wegen der Bindung durch das Schuldverhältnis aus. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn derjenigen Partei, die sich von dem Schuldverhältnis lösen will, ein einseitiges Gestaltungsrecht zur Seite steht.

Gestaltungsrechte ermöglichen die einseitige Einwirkung auf ein Schuldverhältnis. 2 Dem Gestaltungsberechtigten wird die Macht verliehen, regelmäßig durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung den Inhalt des Schuldverhältnisses zu ändern, insbesondere dieses zu beenden. Im BGB AT ist insbesondere an die Anfechtung (§§ 119 ff., 142 I BGB) und an den Eintritt einer auflösenden Bedingung oder eines Endtermins (§§ 158 II, 163 BGB) zu denken. Im Schuldrecht AT sind das Schuldverhältnis beendende Gestaltungsrechte vor allem der Rücktritt, der Widerruf und die Kündigung sowie bzgl. einzelner Forderungen die Aufrechnung. Aus dem Schuldrecht BT ist insbesondere die Minderung (§§ 441, 638 BGB) zu nennen. Das Familienrecht enthält mit der Ehescheidung (§§ 1564 ff. BGB) und der Anfechtung der Vaterschaft (§§ 1599 ff. BGB) zwei Gestaltungsrechte, die aus Gründen der Rechtssicherheit gerichtlich geltend zu machen sind. Die Ausübung von Gestaltungsrechten ist in Anlehnung an § 388 S. 2 BGB allgemein bedingungs- und befristungsfeindlich. Wenn dem Gestaltungsberechtigten schon die Macht eingeräumt wird, einseitig auf das Schuldverhältnis einzuwirken und dieses zu beenden, dann muss er dem Erklärungsgegner insoweit zumindest Klarheit verschaffen.

Einseitige Auflösungsrechte lassen sich danach unterscheiden, ob die Auflösung des Schuldverhältnisses nur für die Zukunft oder auch für die Vergangenheit gelten soll. 3 Nur für die Zukunft wirkt die Kündigung. Auch für die Vergangenheit wirken Rücktritt und Widerruf.

Wirkt das Auflösungsrecht auch für die Vergangenheit, muss der Rückaustausch bereits erbrachter Gegenleistungen geregelt werden. Die diesen Rückaustausch bewirkenden Ansprüche und Gegenansprüche bilden ihrerseits ein Schuldverhältnis, das sog. Rückgewährschuldverhältnis. Für den Rücktritt ist dies in den §§ 346 – 348 BGB geregelt. Man kann deshalb davon sprechen, dass der Rücktritt das ursprüngliche Schuldverhältnis nicht beendet, sondern in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt. Hiervon zu unterscheiden ist die Anfechtung des Vertrags gemäß §§ 119 ff.: Diese wirkt zwar gemäß § 142 I BGB ebenfalls zurück, verwandelt das Schuldverhältnis aber nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis, sondern vernichtet es rückwirkend; der Rückaustausch der schon erbrachten Leistungen erfolgt durch ein gesetzliches Schuldverhältnis, nämlich durch einen Bereicherungsausgleich gemäß §§ 812 ff. BGB.

Ein Sonderfall der Rückabwicklung ist die Fallgruppe des aufgedrängten Vertrags. 4 Hat eine Partei im Rahmen von Vertragsverhandlungen fahrlässig unrichtige Angaben gemacht oder eine Aufklärungspflicht verletzt, ist sie der anderen Partei aus culpa in contrahendo gemäß §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schadensersatzanspruch ist gemäß § 249 I BGB auf die Herstellung des Zustandes gerichtet, der ohne das zum Ersatz verpflichtende Ereignis bestünde. Wäre der Vertrag ohne die vorvertragliche Pflichtverletzung nicht zustande gekommen, ist der Schadensersatzanspruch auf Aufhebung des Vertrages gerichtet.


  1. Hier und zum Folgenden: Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 586.
  2. Hier und zum Folgenden: Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 58.
  3. Hier und zum Folgenden: Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 588.
  4. Hier und zum Folgenden: Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 663.