Bewusstes Auseinanderfallen von Wille und Erklärung (§§ 116 - 118 BGB)

Bewusstes Auseinanderfallen von Wille und Erklärung (§§ 116 - 118 BGB)

Setzt der Erklärende bewusst den äußeren Tatbestand einer Willenserklärung, ohne das Erklärte tatsächlich zu wollen, besteht die Gefahr, dass der Empfänger auf den äußeren Anschein der Erklärung vertraut. Die §§ 116 – 118 BGB befassen sich in solchen Konstellationen mit dem Vertrauensschutz.

Geheimer Vorbehalt, § 116 BGB

Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sie der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen (§ 116 S. 1 BGB). Der Erklärende muss nach außen hin einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck bringen,1 ohne dass sein korrespondierender Geschäftswille vorliegt. Zudem muss er die Absicht haben, dass der Erklärungsgegner den Vorbehalt nicht erkennt (Täuschungs- bzw. Geheimhaltungsabsicht).

Beispiel: Warenbestellung an eine nicht vorhandene Adresse in der Hoffnung, der andere werde auf die nicht ernst gemeinte Erklärung hereinfallen. Dieser „böse Scherz“ stellt den Hauptanwendungsfall des § 116 BGB dar.

Beim geheimen Vorbehalt will der Erklärende also, dass sein Vorbehalt dem Empfänger unbekannt bleibt; je nachdem, ob dieser die fehlende Ernstlichkeit erkennt (§ 116 S. 2 BGB) oder nicht erkennt2 (§ 116 S. 1 BGB), ist die Erklärung nichtig oder gültig.3

Hat von mehreren Erklärungsempfängern nur einer den Vorbehalt erkannt, können sich die anderen ebenfalls auf die Wirksamkeit berufen.4

Mangel der Ernstlichkeit, § 118 BGB

Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig (§ 118 BGB). Vom geheimen Vorbehalt i.S.v. § 116 BGB unterscheidet sich diese sog. Scherzerklärung allein im subjektiven Tatbestand. Wie bei § 116 BGB werden auch hier Rechtsfolgen erklärt, die vom Erklärenden nicht gewollt sind. Allerdings hat der Erklärende im Fall des § 118 BGB die Erwartung, dass der Erklärungsgegner dies erkennt („guter Scherz“). Eine Täuschungs- bzw. Geheimhaltungsabsicht liegt also – im Gegensatz zu den Fällen des § 116 BGB – nicht vor. Das Gesetz wählt in dieser Sonderkonstellation, in der beide Seiten schutzwürdig erscheinen, eine Kompromisslösung: Zum Schutze des Erklärenden ist die von ihm nicht gewollte Willenserklärung nichtig.

Dem Vertrauen des Erklärungsgegners wird dadurch Rechnung getragen, dass ihm ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 122 BGB, gerichtet auf Ersatz des negativen Interesses, zugesprochen wird.5

Scheingeschäft, § 117 BGB

Wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung mit Einverständnis des Erklärungsgegners nur zum Schein abgegeben, ist sie nichtig (§ 117 I BGB). Das Scheingeschäft setzt sich also aus zwei übereinstimmenden Scheinerklärungen („mit Einverständnis des Erklärungsgegners“) zusammen.6

Es bedarf einer sog. „Simulationsabrede“.7 Diese ist mehr als bloße Kenntnis der Erklärungsgegners i.S.v. § 116 S. 2 BGB; es ist eine tatsächliche Einigung über die Nichtgeltung des Erklärten erforderlich, die allerdings nicht ausdrücklich erfolgen muss.8 Da grundsätzlich von der Ernstlichkeit rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen auszugehen ist, trägt für das Vorliegen eines Scheingeschäfts im Zivilprozess derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft.9

Rechtsfolge ist die Nichtigkeit der Scheinerklärung gegenüber jedermann (§ 117 I BGB).

Beispiel: Geben die Parteien eines Grundstückskaufvertrages beim Notar einen geringeren als den tatsächlich von beiden Seiten gewollten Kaufpreis an, um Notargebühren und Grunderwerbsteuer zu sparen, sind die Willenserklärungen beider Parteien und damit auch das nach außen hin vorgenommene (simulierte) Rechtsgeschäft nach § 117 I BGB nichtig.

Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Geschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Geschäft geltenden Vorschriften Anwendung (§ 117 II BGB).10 Es gilt also anstelle des objektiv Erklärten das tatsächlich übereinstimmend Gewollten;11 dies entspricht dem Grundsatz falsa demonstratio non nocet.

Beispiel: Wie vor. Dann liegt nach dem Grundsatz falsa demonstratio non nocet eine tatsächliche Einigung der Parteien bezüglich des höheren Kaufpreises vor. Über einen Kaufvertrag mit diesem Inhalt haben sich die Parteien aber nur privatschriftlich geeinigt. Es fehlt die gesetzlich vorgeschriebene notarielle Beurkundung (§§ 311b I 1, 128 BGB). Das Beurkundete ist nicht gewollt, das Gewollte ist nicht beurkundet.12 Deshalb ist der dissimulierte Grundstückskaufvertrag gemäß §§ 117 II, 311b I 1, 125 S. 1 BGB formnichtig.

Auf ein misslungenes Scheingeschäft, bei dem der Erklärende fälschlicherweise davon ausgeht, es liege das Einverständnis des Erklärungsgegners bezüglich der Nichtgeltung der erklärten Rechtsfolgen vor, findet die Vorschrift des § 118 BGB Anwendung.13


  1. Fehlender Erklärungswille ist kein geheimer Vorbehalt i.S.v. § 116 BGB; dieser setzt eine Willenserklärung voraus (BGH, Urt. v. 14.12.2000 – IX ZR 300/98, ZIP 2001, 410).
  2. Der Empfänger muss den geheimen Vorbehalt positiv erkennen; bloßes Kennenmüssen i.S.v. § 122 II BGB reicht nicht aus (Hk-BGB/Dörner, 11. Aufl. 2022, § 116 Rn. 4).
  3. Schack, BGB AT, 17. Aufl. 2023, Rn. 296.
  4. Hk-BGB/Dörner, 11. Aufl. 2022, § 116 Rn. 4.
  5. Schack, BGB AT, 17. Aufl. 2023, Rn. 297.
  6. Schack, BGB AT, 17. Aufl. 2023, Rn. 298.
  7. BGH, Urt. v. 26.05.2000 – V ZR 399/99, ZIP 2000, 1533: „Konsens über die Simulation“; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 65/09, Rn. 13 (dort wird irrtümlich auf „§ 116 BGB“ statt auf § 117 BGB abgestellt).
  8. Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, § 7 Rn. 44.
  9. BGH, Urt. v. 22.10.2020 – IX ZR 208/18, Rn. 24.
  10. Siehe hierzu den Fall: „Das Scheingeschäft“.
  11. Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, § 7 Rn. 48.
  12. Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, Fall Nr. 36 (S. 267).
  13. BGH, Urt. v. 12.05.2006 – V ZR 97/05, Rn. 21; BGH, Urt. v. 07.12.2000 – IX ZR 330/99, NJW 2001, 1062; BGH, Urt. v. 26.05.2000 – V ZR 399/99, ZIP 2000, 1533: „gescheitertes Scheingeschäft“.