Beihilfe

Beihilfe (§ 27 StGB)

Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat (§ 27 I StGB). Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter (§ 27 II 1 StGB). Sie ist nach § 49 I StGB zu mildern (§ 27 II 2 StGB).

Die Beihilfe weist eine starke Nähe zur Mittäterschaft (§ 25 II StGB) auf, unterscheidet sich von dieser – ebenso wie von der mittelbaren Täterschaft (§ 25 I Alt. 2 StGB) – aber dadurch, dass dem Gehilfen die Tatherrschaft bzw. der Täterwille fehlt.1 Im Gegensatz zum Anstifter ist der Gehilfe nicht für den Tatentschluss des Haupttäters verantwortlich.

Prüfungsschema2

  1. I. Tatbestandsmäßigkeit
    1. 1. Objektiver Tatbestand
      • a) Vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat eines anderen (Haupttat = Taterfolg)
      • b) Hilfeleisten (Tathandlung des Gehilfen)
    2. 2. Subjektiver Tatbestand

      Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale („Gehilfenvorsatz“). Im Unterschied zum Anstifter muss der Gehilfe lediglich den wesentlichen Unrechtsgehalt der Haupttat erfasst haben.3

  2. II. Rechtswidrigkeit4

  3. III. Schuld5

Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft (§ 29 StGB). Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe wirken nur zugunsten dessen, bei dem sie in persona vorliegen.6

IV. Strafzumessung7

Insbesondere: Strafmilderung gemäß §§ 27 II 2, 49 I StGB.

Haupttat

Der objektive Tatbestand der Beihilfe setzt eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat (Haupttat) eines anderen (des Haupttäters) voraus. Insoweit gilt das zu § 26 StGB Gesagte entsprechend.

Möglich ist auch eine Beihilfe zur Beihilfe („Kettenbeihilfe“), die als Beihilfe zur Haupttat zu bewerten ist.8

Problematisch ist die Behandlung von Fällen, in denen sich der Haupttäter über rechtfertigende Umstände irrt. Nach ganz h. M. scheidet bei einem solchen Erlaubnistatbestandsirrtumeine Bestrafung des Haupttäters aus dem Vorsatzdelikt aus. Dies folgt aus einer analogen Anwendung des § 16 I 1 StGB. Zwischen den Anhängern der eingeschränkten Schuldtheorie ist aber umstritten, ob hierdurch das Vorsatzunrecht entfällt und dementsprechend keine teilnahmefähige Haupttat vorliegt,9 oder ob lediglich die Vorsatzschuld entfällt, die Vorsätzlichkeit der Haupttat aber unberührt bleibt und dementsprechend eine teilnahmefähige Haupttat vorliegt.10 Der Gesetzgeber hat für die Teilnahme mit der Anknüpfung an vorsätzlich-rechtswidrige Haupttaten (§§ 26, 27 I StGB) eine Grundentscheidung getroffen.11 Die Nähe des Erlaubnistatbestandsirrtums zum Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) ist so groß, dass es gerechtfertigt ist, in diesen Fällen mangels geeigneter Haupttat auf eine Strafbarkeit (auch) des Teilnehmers zu verzichten (a. A. aber gut vertretbar).

Hilfeleisten

Der Gehilfe muss zur Haupttat „Hilfe leisten“. Als Hilfeleistung ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Haupttat ermöglicht, erleichtert, beschleunigt oder intensiviert hat.12 Erforderlich ist ein positives Tun in Gestalt eines durch eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrags des Gehilfen.13 Auf das Gewicht des tatfördernden Beitrags kommt es für dessen Einstufung als Hilfeleistung grundsätzlich nicht an; dieses ist allein für die Strafzumessung relevant.14

Als Mittel der Hilfeleistung kommen eine physische Beihilfe (Beihilfe durch Tat) und eine psychische Beihilfe (Beihilfe durch Rat) in Betracht.15 Als physische Beihilfe kommt jede tätige Mitwirkung am äußeren Tatgeschehen in Betracht (Beispiele: Besorgen von Hilfsmitteln, Schmierestehen, Fahrdienste).16 Eine psychische Beihilfe liegt jedenfalls dann vor, wenn eine technische Rathilfe geleistet wird (Beispiele: Beschreibung der Räumlichkeiten, Wegbeschreibung, Erklären eines Werkzeugs).17 Auch das Bestärken des Tatentschlusses ist als psychische Beihilfe anzusehen.18 Die bloße Anwesenheit am Tatort reicht aber selbst bei innerer Billigung der Tat nicht aus; der Gehilfe muss dem Haupttäter vielmehr ein „Gefühl der Sicherheit bei der Tatausführung“ verschaffen,19 und zwar durch eine gewisse aktive Beteiligung. Das „bloße Dabeisein“ genügt nicht, da andernfalls bloßes Unterlassen ohne Garantenpflicht pönalisiert würde.20

Problematisch ist die Frage, welche Beziehung zwischen der Gehilfenhandlung und der Haupttat bestehen muss. Der BGH vertritt die Auffassung, als Hilfeleistung genüge – bei Erfolgsdelikten – grundsätzlich jede Handlung, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, sei dabei nicht erforderlich.21 Demgegenüber geht die Literatur mehrheitlich davon aus, der Gehilfenbeitrag müsse die begangene Haupttat mitverursachen;22 Beihilfe setze Kausalität für die Haupttat voraus.23 Tatsächlich liegen diese Ansichten weniger weit auseinander, als man es auf den ersten Blick vermutet.24 Die Rechtsprechung meint nämlich nur, dass eine Kausalität im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel entbehrlich ist. Handlungen, die erkennbar nicht erforderlich oder nutzlos für das Gelingen der Tat sind, reichen auch nach der Rechtsprechung nicht aus, um daraus eine Beihilfe zu entnehmen.25 Dies sieht auch die herrschende Literaturauffassung nicht anders. Sie lässt es für die Kausalität genügen, dass der Gehilfenbeitrag „den Erfolg in seiner ganz konkreten Gestalt unter Einbeziehung aller ihm hinzuzuführenden Zwischenglieder beeinflusst“ hat.26 Bei genauerer Betrachtung handelt es sich deshalb „um einen Streit über dogmatische Begrifflichkeiten“, der „allenfalls bei außergewöhnlichen … Sachverhaltsgestaltungen zu abweichenden Ergebnissen führt“.27

Ein weiteres Problem betrifft die Frage, ab wann und bis zu welchem Zeitpunkt Beihilfe möglich ist. Nach Auffassung des BGH kann Beihilfe schon im Vorbereitungsstadium der Tat geleistet werden, selbst zu einem Zeitpunkt, in dem der Haupttäter zur Tatbegehung noch nicht entschlossen ist.28 Auch nach Vollendung der Tat bis zu deren Beendigung sei eine Beihilfe möglich (sukzessive Beihilfe). Die Gegenauffassung betont, dass der Gehilfe nach Vollendung der Tat zu einer Rechtsgutsverletzung nichts mehr beitragen könne, und lehnt die Figur der sukzessiven Beihilfe daher ab; § 257 StGB gewähre für solche Fälle hinreichenden Strafrechtsschutz.29


  1. 1. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 27 Rn. 1.
  2. 2. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 27 Rn. 2.
  3. 3. BGH, Urt. v. 18.04.1996 - 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 138.
  4. 4. Wie beim vollendeten Delikt.
  5. 5. Wie beim vollendeten Delikt.
  6. 6. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 29 Rn. 1.
  7. 7. Wie beim vollendeten Delikt.
  8. 8. BGH, Beschl. v. 22.12.2015 – 2 StR 419/15 Rn. 11; Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 27 Rn. 3.
  9. 9. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, Vor § 25 Rn. 29.
  10. 10. Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 30 Rn. 22; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, 47. Aufl. 2017, Rn. 755 ff.
  11. 11. Hier und zum Folgenden: Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 27 Rn. 19.
  12. 12. Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 45 Rn. 82.
  13. 13. BGH, Beschl. v. 22.12.2015 – 2 StR 419/15 Rn. 11.
  14. 14. BGH, Urt. v. 16.11.2006 – 3 StR 139/06, Rn. 42 (Fall El Motassadeq).
  15. 15. Von einer Hilfeleistung durch „Rat oder Tat“ sprach sehr anschaulich der bis 1975 geltende § 49 I StGB a.F.
  16. 16. Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 45 Rn. 85.
  17. 17. Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 45 Rn. 87.
  18. 18. BGH, Urt. v. 24.10.2001 – 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 27 Rn. 15; Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 27 Rn. 7; Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 45 Rn. 88.
  19. 19. BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – 1 StR 597/18, Rn. 7.
  20. 20. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 27 Rn. 15.
  21. 21. BGH, Beschl. v. 20.09.2016 – 3 StR 49/16, Rn. 17 (Beihilfe zum Mord durch Dienst im Konzentrationslager Auschwitz); BGH, Urt. v. 16.11.2006 – 3 StR 139/06, Rn. 40 (Fall El Motassadeq).
  22. 22. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 27 Rn. 3.
  23. 23. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 27 Rn. 9.
  24. 24. Zum Folgenden: Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 45 Rn. 92 – 100.
  25. 25. BGH, Beschl. v. 22.12.2015 – 2 StR 419/15 Rn. 11; Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 27 Rn. 3.
  26. 26. Roxin, Strafrecht AT II, 1. Aufl. 2003, § 29 Rn. 10 ff.
  27. 27. BGH, Urt. v. 16.11.2006 – 3 StR 139/06, Rn. 45 (Fall El Motassadeq).
  28. 28. Hier und zum Folgenden: BGH, Beschl. v. 20.09.2016 – 3 StR 49/16, Rn. 17.
  29. 29. Die Gegenauffassung lehnt die Figur der sukzessiven Beihilfe ab. Sie betont, dass der Gehilfe nach Vollendung der Tat zu einer Rechtsgutsverletzung nichts mehr beitragen könne. § 257 StGB gewähre für solche Fälle einen hinreichenden Strafrechtsschutz (Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 27 Rn. 12; Kühl, JA 2014, 668, 673).