Behandlung der Streitgenossenschaft im Gutachten
Aufbau der Prüfung - Streitgenossenschaft (Behandlung im Gutachten)
Dieser Exkurs behandelt die Streitgenossenschaft im Prüfungaufbau. Bei der Streitgenossenschaft geht es darum, dass entweder auf Kläger- oder Beklagtenseite mehrere Parteien stehen. Beispiel: A verklagt zwei Beklagte in einem Prozess. Dies ist auch umgekehrt möglich. Im Falle der Streitgenossenschaft lautet der Aufbau des Gutachtens wie folgt: Auslegungsstation, Zulässigkeit Klageänderung, Zulässigkeit der Klage, Zulässigkeit der Streitgenossenschaft, Begründetheit der Klage, Nebenentscheidungen und Hauptsachetenor.
I. Auslegungsstation
Im Rahmen der Auslegungsstation wird zunächst festgestellt, ob überhaupt eine Streitgenossenschaft vorliegt. Dies ist immer dann der Fall, wenn auf Kläger- und/oder Beklagtenseite mindestens zwei Hauptparteien stehen.
(II. Zulässigkeit der Klageänderung)
Sodann folgt die Prüfung der Zulässigkeit der Klageänderung. Gemeint sind hierbei die objektive und die subjektive Klageänderung. Beispielsweise kann der Kläger auch gegenüber zwei Beklagten die Klageforderung von 1.000 Euro auf 2.000 Euro erhöhen.
III. Zulässigkeit der Klage
Daraufhin wird die Zulässigkeit der Klage geprüft. Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei der einfachen Streitgenossenschaft um eine Verbindung von zwei Prozessen handelt. Im Grunde genommen könnte jeder Beklagte auch einzeln verklagt werden. Daher muss an dieser Stelle die Zulässigkeit für jeden Streitgenossen separat geprüft werden.
1. Zulässigkeit der Klage gegen Streitgenosse 1 (= Beklagter zu 1)
Als erstes erfolgt die Prüfung der Zulässigkeit der Klage gegen den ersten Streitgenossen (Beklagter zu 1) nach allgemeinen Grundsätzen. Dabei sind zwei Dinge besonders zu beachten. Im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit ist § 5 ZPO zu berücksichtigen. Für den Fall, dass die Ansprüche wirtschaftlich ungleich sind, erfolgt eine Addition der beiden Werte. Beispiele: A verklagt B1 auf Herausgabe einer Katze und B2 auf Herausgabe eines Hundes. Somit sind der Wert der Katze und der Wert des Hundes zu addieren. Werden B1 und B2 als Gesamtschuldner auf Herausgabe der Katze verklagt, so erfolgt keine Addition. Weiter zu beachten ist auch § 253 II Nr. 2 ZPO, wonach ein eindeutiger Klageantrag gestellt werden muss. Es muss insbesondere deutlich werden, ob A die Beklagten als Gesamtschuldner, Teilschuldner oder Gemeinschaftsschuldner verklagt.
2. Zulässigkeit der Klage gegen Streitgenosse 2 (= Beklagter zu 2)
Hieran schließt sich die Prüfung der Zulässigkeit der Klage gegen den zweiten Streitgenossen (Beklagter zu 2) an.
IV. Zulässigkeit der Streitgenossenschaft
Im Rahmen der darauf folgenden Prüfung der Zulässigkeit der Streitgenossenschaft sind zwei Punkte zu erörtern: die Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO sowie die Erfordernisse des § 260 ZPO in analoger Anwendung. Die Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO ergeben sich aus dem Wortlaut der Normen. Aus § 260 ZPO analog ergibt sich, dass dieselbe Prozessart geben sein muss und kein Verbindungsverbot besteht. Ist die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft nicht gegeben, werden beide Prozess voneinander getrennt. Daher hat die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage.
V. Begründetheit der Klage
Liegt die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft hingegen vor, so wird daran anschließend die Begründetheit der Klage geprüft. Auch die Begründetheit ist aufgrund der Zusammenfassung der zwei Prozesse zu einem Prozess nach Streitgenossen getrennt zu erörtern. Bei der einfachen Streitgenossenschaft sind durchaus unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich beider Streitgenossen denkbar. Auch können unterschiedliche Anspruchsgrundlagen einschlägig sein. Beachte: Die Streitgenossen können nicht Zeuge im Prozess des anderen Streitgenossen sein. Daher wird es auch gerne als taktisches Mittel verwandt, zwei Personen zu verklagen, wenn der Kläger bereits vorher weiß, dass der eine Streitgenosse möglicherweise als Zeuge für den Prozess des anderen Streitgenossen in Betracht kommt. Kehrseite dessen ist natürlich die Kostensituation, die aus der gegen zwei Personen gerichteten Klage resultiert.
VI. Nebenentscheidungen
Weiterhin müssen die Nebenentscheidungen getroffen werden (2. Examen). Diese gliedern sich in die Kostenentscheidung und in die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit. Die Kostenentscheidung muss einheitlich ergehen. Unterliegen die Streitgenossen als Gesamtschuldner, gilt § 100 IV ZPO. Sind die Streitgenossen keine Gesamtschuldner, gilt eine Haftung nach Kopfteilen gemäß § 100 I ZPO. Obsiegen alle Streitgenossen, trägt der Kläger die Kosten nach § 91 ZPO. Obsiegt der eine Streitgenosse, während der andere unterliegt, kommt es zur Anwendung der sogenannten Baumbach'schen Formel. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist für jedes Prozessrechtsverhältnis gesondert festzustellen.
VII. Tenorierung
Zuletzt geht es in der Tenorierungsstation nur noch um die Frage, wie der Hauptsachetenor zu fassen ist (2. Examen). Dieser ist für beide Verfahren zu verfassen und kann auch getrennt ausfallen. Beispiel: A verklagt B1 auf Herausgabe einer Katze und B2 auf Herausgabe eines Hundes. Der Hauptsachetenor kann wie folgt lauten: Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, die Katze an A herauszugeben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. In diesem letzten Satz steckt die Abweisung der Klage gegenüber B2. Es ist aber auch denkbar, dass die Klage nur gegenüber B1 abgewiesen oder insgesamt abgewiesen wird. Mithin ist zu beachten, wie jedes Verfahren für sich genommen ausgeht, um dann den Hauptsachetenor dementsprechend zu formulieren.