Aufbau einer Anwaltsklausur

Überblick - Aufbau einer Anwaltsklausur

Der Aufbau einer Anwaltsklausur erfolgt üblicherweise in drei Schritten: Das Gutachten, die anwaltstaktischen Überlegungen - auch Zweckmäßigkeit genannt -, und der praktische Teil.

A. Gutachten

Das Gutachten gliedert sich im Rahmen der Anwaltsklausur wiederum in zwei bis drei Teile. Gegebenenfalls müssen vorab Vorüberlegungen zum Mandantenbegehren angestellt werden. Dann erfolgt das prozessuale Gutachten, was üblicherweise die Zulässigkeit sein dürfte, und zuletzt ist das materielle Gutachten zu prüfen, das typischerweise die Begründetheit darstellt.

(I. Vorüberlegungen zum Mandantenbegehren)

Hinsichtlich der Auslegung des Mandantenbegehrens ist Folgendes anzumerken: Wenn die Akte durchgearbeitet wurde, wird es gelegentlich zweifelhaft sein, was der Mandant eigentlich möchte, weil er dies normalerweise untechnisch formuliert. Daher ist an dieser Stelle gegebenenfalls herauszuarbeiten, was der Mandant tatsächlich möchte, sollte dies im konkreten Fall unklar sein.

II. Prozessuales Gutachten (=Zulässigkeit)

Hierauf folgt im Aufbau einer Anwaltsklausur das prozessuale Gutachten. Typischerweise wird sich aus dem Mandantenbegehren ergeben, dass der Mandant einen Rechtsbehelf einlegen möchte. Daher muss im prozessualen Gutachten zunächst geklärt werden, ob ein solcher Rechtsbehelf zulässig ist. Der Begriff des prozessualen Gutachtens kann auch durch die Überschrift „Zulässigkeit“ ersetzt werden.

III. Materielles Gutachten (=Begründetheit)

Sodann erfolgt die Prüfung des materiellen Gutachtens, welche typischerweise die Prüfung der Begründetheit des in Aussicht genommenen Rechtsbehelfs bedeutet. Bisweilen kann es sinnvoll sein, beispielsweise bei staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen, die Begründetheit vor der Zulässigkeit zu prüfen, da von dem jeweiligen Anspruch abhängt, ob dieser vor dem Verwaltungsgericht oder den ordentlichen Gerichten eingeklagt werden muss. Die Prüfung der Begründetheit vor der Zulässigkeit ist somit im Einzelfall durchaus sachgerecht.

B. Anwaltstaktische Überlegungen (Zweckmäßigkeit)

Nach dem Gutachten sind die anwaltstaktischen Überlegungen zu verfassen. Diese werden auch als Zweckmäßigkeit bezeichnet. Damit ist die Zweckmäßigkeit des weiteren Vorgehens gemeint. Im Folgenden werden einige Beispiele genannt, die unter diesem Prüfungspunkt aufzuführen wären. Begehrt der Mandant den Erlass eines Verwaltungsaktes, ist es wichtig, zu erkennen, ob ein Verpflichtungs- oder Bescheidungsantrag zu stellen ist. Beispiel: Der Mandant möchte ein Stipendium einklagen. Der Erfolg des Antrags hängt unter anderem davon ab, ob die Behörde einen Ermessensfehler begangen hat oder eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Hat die Behörde zum Beispiel nur bestimmte Dinge in Ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt, wäre es verfehlt, einen Verpflichtungsantrag zu stellen, also die Beklagte zu verpflichten, einen genauer bezeichneten Stipendiumsbewilligungsbescheid zu erteilen. Vielmehr ist zu beantragen, dass die Beklagte verpflichtet wird, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag auf Erteilung des Stipendiums zu bescheiden. Würde der Anwalt einen Verpflichtungsantrag stellen, würde das Gericht jedoch nur ein Bescheidungsurteil erlassen, dann müsste der Mandant einen Teil der Kosten tragen, da kein volles Obsiegen vorliegt. Im umgekehrten Fall, wenn der Anwalt nur einen Bescheidungsantrag stellt, geht er das Risiko ein, dass eigentlich ein Verpflichtungsurteil hätte ergehen können. Jedoch darf das Gericht nach § 88 VwGO nicht über das Beantragte hinausgehen. Daher ist stets sorgfältig zu erwägen, welcher Antrag gestellt wird, und gegebenenfalls eine Beratung mit dem Mandanten vorzunehmen. Ferner ist zu beachten, ob neben dem Hauptantrag auch ein Hilfsantrag zu stellen ist. Beispiel: Nach erfolgreich absolviertem zweiten Staatsexamen kauft sich A einen Affen und eine Tuba und lässt den Affen zum Klang der Tuba auf dem Bürgersteig tanzen. Es kommt daraufhin ein Polizist vorbei, der den A anfährt: „Dafür brauchst Du eine Erlaubnis. Die bekommst Du aber nicht!“ Es sieht so aus, als wolle er Maßnahmen an diese Rechtsauffassung knüpfen. A möchte daraufhin Feststellungsklage erheben, um die Erlaubnisfreiheit des Affentanzenlassens und Tubaspielens auf dem Bürgersteig feststellen zu lassen. Ein vorsorglicher Anwalt würde zudem einen Hilfsantrag stellen für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Erlaubniseinholung nach dem Wegerecht erforderlich ist. Er wird daher schon zu diesem Zeitpunkt hilfsweise beantragen, dass die Beklagte verpflichtet wird, die Erlaubnis zu erteilen. In diesem Fall sind weitere Ausführungen zur Zulässigkeit und Begründetheit des Hilfsantrags erforderlich. Es ist jedoch Geschmackssache, ob dies bereits im Gutachten erörtert wird oder erst in den Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Fraglich kann auch sein, ob zusätzlich einstweiliger Rechtsschutz zu bemühen ist. Beispiel: A erhält eine Baugenehmigung. Sein Nachbar N klagt gegen die dem A erteilte Baugenehmigung. Diese Klage hat gemäß § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung. A könnte daher weiterbauen. Deshalb müsste N neben der Klage einstweiligen Rechtsschutz nach § 80a VwGO bemühen gerichtet darauf, dass die Vollziehung der Baugenehmigung ausgesetzt wird, der A also vorerst nicht weiterbauen darf. An dieser Stelle müssten Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags nach § 80a VwGO dargestellt werden, wobei in diesem Rahmen großzügig nach oben verwiesen werden kann, da die materiell-rechtlichen Erwägungen im Wesentlichen die gleichen sind. Darüber hinaus kann auch ein Antrag auf Prozesskostenhilfe erforderlich sein, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Mandant nicht über genügend finanzielle Mittel verfügt.

C. Praktischer Teil

Im praktischen Teil ist es insbesondere wichtig, dass vorher eine gute Zeiteinteilung erfolgt ist, damit am Ende noch genügend Zeit für die Verfassung des praktischen Teils verbleibt. Sollte dieser unvollständig sein oder gar fehlen, führt dies zu erheblichen Punktabzügen. Des weiteren gilt, dass konsequent das umgesetzt werden muss, was oben herausgearbeitet wurde. Hat der Verfasser beispielsweise im Gutachten angekündigt, einen Haupt- und einen Hilfsantrag zu stellen, dann muss dies im praktischen Teil auch erfolgen. Ist der Verfasser im Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass neben der Klage auch zusätzlich einstweiliger Rechtsschutz bemüht werden soll, dann ist neben der Klageschrift auch eine Antragsschrift zu verfassen. In aller Regel wird es im praktischen Teil darauf hinauslaufen, dass ein verfahrensbestimmender Schriftsatz zu verfassen ist. Beispiele: Klageschrift, Antrag im einstweiligen Rechtsschutz, Widerspruch. Im Bearbeitervermerk wird regelmäßig vermerkt sein, ob eine Sachverhaltsschilderung vorzunehmen ist und wenn ja, an welcher Stelle sie zu erfolgen hat. Sollte dahingehend nichts im Bearbeitervermerk stehen, sollte vorsorglich eine Sachverhaltsschilderung in den verfahrensbestimmenden Schriftsatz mit aufgenommen werden. Häufig wird an dieser Stelle bereits Zeitnot bestehen, sodass der Verfasser in Versuchung gerät, in dem Schriftsatz auf die rechtlichen Ausführungen des Gutachtens zu verweisen. Davon ist tendenziell abzuraten, außer dies ist ausdrücklich im Bearbeitervermerk erlaubt. Dies liegt auch daran, dass das Gutachten nicht der rechtlichen Begründung beispielsweise einer Klageschrift entspricht. Erfolgen im Gutachten noch Prüfungen von Punkten, die den Mandanten schlecht dastehen lassen, so würden diese im Schriftsatz an das Gericht weggelassen oder anders dargestellt werden. Die Kunst ist es daher, eine akzentuierte, parteiische Darstellung zu erarbeiten, in welcher Argumente für den Mandanten angeführt werden. Es kann zudem sein, dass im Bearbeitervermerk ausnahmsweise gefordert wird, dass ein Mandantenschreiben zu verfassen ist. Dieses handelt davon, dass die gutachterlichen Erwägungen und Zweckmäßigkeitsüberlegungen in einfachen Worten verständlich dem Mandanten nahe gebracht werden.

Beachte: Der Bearbeitervermerk ist in jedem Fall sorgfältig zu lesen. Dieser Exkurs stellt den idealtypischen Aufbau dar. Je nach Vermerk können Bausteine auch in anderer Reihenfolge abgefragt werden, fehlen oder zusätzlich Erfordernisse gestellt werden.

 

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