Aufbau des Gutachtens

Aufbau der Prüfung - Gutachten

In diesem Exkurs wird der Aufbau des Gutachtens im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung dargestellt. Das Gutachten dient zur Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung und ist nicht Teil der abzugebenden Klausuraufgabe. Es genügt daher, das Gutachten für sich als Skizze zu verfassen.  Eine Ausformulierung ist nicht erforderlich. Das Gutachten wird in sechs Schritten geprüft: gegebenenfalls Auslegung des Klageantrags, gegebenenfalls Zulässigkeit der Klageänderung, Zulässigkeit der Klage, Begründetheit der Klage, Nebenentscheidungen und Tenorierung.

(I. Auslegung des Klageantrags)

Die Auslegung des Klageantrags ist nicht in jedem Fall explizit zu prüfen. Gedanklich sollte der Verfasser sich jedoch immer die Frage stellen, ob der Klageantrag hinreichend bestimmt ist, vgl. § 253 II ZPO. Ist der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt, ist zu prüfen, ob er ausgelegt werden kann. Beispiel: Zwischen A und B besteht ein Kaufvertrag. A verlangt nun von B den Kaufpreis. B zahlt jedoch nicht. A beantragt darauf hin, den Beklagten zur Einhaltung des Vertrags über 1.000 Euro zu verurteilen. Dies ist kein typischer Antrag. Dieser kann jedoch dahingehend ausgelegt werden, dass A beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.000 Euro zu zahlen. Kann der Antrag nicht ausgelegt werden, verbliebe er als zu unbestimmt, sodass die Klage bereits an diesem Punkt abzuweisen ist.

(II. Zulässigkeit der Klageänderung)

Gegebenenfalls ist sodann die Zulässigkeit der Klageänderung zu prüfen, wenn die Klausuraufgabe hierzu Veranlassung gibt. Die Zulässigkeit der Klageänderung ist zwingend vor der Zulässigkeit zu prüfen. Man unterscheidet zwischen subjektiver und objektiver Klageänderung. Beispiel: A verklagt zunächst B1. Im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass B1 nicht der richtige Anspruchsgegner ist. Daraufhin möchte A die Klage gegen B2 richten. Dies ist ein Beispiel für eine subjektive Klageänderung, da die Partei auf Beklagtenseite, also das Subjekt, geändert wird. Die objektive Klageänderung kommt in der Regel häufiger vor als die subjektive Klageänderung. Bei der objektiven Klageänderung wird der Klagegegenstand geändert. Beispiel: A verklagt B auf Zahlung von 1.000 Euro. Sodann möchte er die Klageforderung auf 1.500 Euro erhöhen, weil eine weitere Monatsmiete in Höhe von 500 Euro dazu gekommen ist. Beide Formen der Klageänderung werden in gesonderten Exkursen detaillierter dargestellt.

III. Zulässigkeit der Klage

Hierauf folgt die Zulässigkeit der Klage. Die Zulässigkeit der Klage sollte immer geprüft werden. Auch der Richter prüft stets die Zulässigkeit der Klage, da er sie bei Fehlen der Voraussetzungen als unzulässig abweisen kann. Im Rahmend er Zulässigkeit sind zwei Dinge von besonderer Bedeutung: die allgemeinen und die besonderen Prozessvoraussetzungen. Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen sind in einem gesonderten Exkurs dargestellt. Zu ihnen gehört beispielsweise die Parteifähigkeit. Neben die allgemeinen Prozessvoraussetzungen können bei bestimmten Klagen auch besondere Prozessvoraussetzungen treten. Beispiel: das Feststellungsinteresse bei der Feststellungsklage, vgl. § 256 ZPO; die Konnexität bei der Widerklage, vgl. § 33 ZPO. Diese Probleme werden in gesonderten Exkursen erläutert.

IV. Begründetheit der Klage

Der wichtigste Prüfungspunkt des Gutachtens ist die Begründetheit. Die Prüfung der Begründetheit richtet sich nach der jeweiligen Klageart. Maßgeblich hierfür ist der zugrunde liegende Antrag. Ist Klagegegenstand ein Herausgabeantrag, liegt eine Leistungsklage vor. Die Leistungsklage ist in den Klausuren der Standardfall. Für die Leistungsklage wird der Aufbau üblicherweise so zu wählen sein, wie er aus dem ersten Examen bekannt ist: Anspruch entstanden, Anspruch nicht erloschen und Anspruch durchsetzbar.

1. Anspruch entstanden

Unter dem Punkt „Anspruch entstanden“ ist die richtige Anspruchsgrundlage/n zu suchen und diese zu prüfen.

2. Anspruch nicht erloschen

3. Anspruch durchsetzbar

Hinsichtlich der Durchsetzbarkeit des Anspruchs ist darauf hinzuweisen, dass - anders als im ersten Staatsexamen – die rechtshemmenden Einreden wie die Verjährung, die Zug-um-Zug Verurteilung sowie das Zurückbehaltungsrecht eine wesentlich größere Rolle spielen. Zudem existiert im zweiten Examen kein feststehender Sachverhalt. Daher ist gegebenenfalls eine inzidente Beweisprüfung zu erfolgen hat. Beispiel: A und B tragen unterschiedlich zu einem Merkmal unter „Anspruch entstanden“ vor. Bezüglich des für den Anspruch entscheidenden streitigen Merkmals ist mithin eine inzidente Beweisprüfung erforderlich. Der Aufbau der inzidenten Beweisprüfung wird in einem gesonderten Exkurs erläutert.

V. Nebenentscheidungen

Auf die Begründetheitsprüfung folgen die sogenannten Nebenentscheidungen. Diese unterteilen sich in die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit. Bei der Kostenentscheidung geht es um die Frage, wer die Kosten des Prozesses, also die Gerichtskosten und die Anwaltskosten, zu tragen hat. Dies richtet sich nach den §§ 91 ff. ZPO, welche in einem gesonderten Exkurs dargestellt werden. Ferner ist zu prüfen, inwieweit eine vorläufige Vollstreckbarkeit nach den §§ 708 ff. ZPO auszuweisen ist. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beschäftigt sich mit der Frage, ob das Urteil schon vollstreckt werden kann, nachdem es erlassen aber noch nicht rechtskräftig geworden ist. Auch die Darstellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgt in einem gesonderten Exkurs. Gegebenenfalls ist zudem auf die Rechtsmittelbelehrung zu achten. Die Rechtsmittelbelehrung ist neuerdings in den Fällen, in welchen sie gesetzlich vorgesehen ist, auszuweisen. Im Gutachten sollte sich der Verfasser an diese Rechtsmittelbelehrung erinnern.

VI. Tenorierung

Zuletzt erfolgt die Tenorierung. Wesentliches Element für die Benotung der gerichtlichen Entscheidung ist der Tenor. Dieser muss richtig sein. Deshalb bietet sich an, den Tenor im Gutachten sauber zu verfassen. Er gliedert sich in Hauptsachetenor, Kostenentscheidung und den Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit.

1. Hauptsachetenor

Der Hauptsachetenor drückt als Entscheidungsformel aus, worum es geht. Ist die Klage beispielsweise auf Herausgabe gerichtet, wird der Tenor wie folgt lauten: Der Beklagte wird verurteilt, den Hund Bello an den Kläger herauszugeben. Insofern kann man sich Folgendes merken: Wird der Klage stattgegeben, lautet der Hauptsachetenor in aller Regel wie der vom Kläger gestellte Antrag.

2. Kostenentscheidung

Sodann kann die Kostenentscheidung ausformuliert werden.

3. Vorläufige Vollstreckbarkeit

Gleiches gilt für den Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit. Der Verfasser kann insoweit entscheiden, ob er den kompletten Tenor in seinem Gutachten ausformulieren oder ihn gleich in das abzugebende Urteil einsetzt.

 

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