Art und Umfang des Schadensersatzes

Art und Umfang des Schadensersatzes (§§ 249 ff. BGB)

Wurde in der Fallprüfung ein kausaler und zurechenbarer Schaden festgestellt, sind nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB Art und Umfang der Schadensersatzpflicht zu klären.

Naturalrestitution, § 249 I BGB

Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 I BGB). Man nennt dies Naturalrestitution. Die Schadenswiedergutmachung in Natur bildet den Grundgedanken der §§ 249 ff. BGB.1

Diese kommt nur in Betracht, wenn die Naturalrestitution technisch und rechtlich möglich ist. Ist sie unmöglich, liegt ein Fall der Schadenskompensation gemäß §§ 251, 253 BGB vor. Der Gläubiger kann dann ausschließlich Geldersatz verlangen.

Geld für Herstellung, § 249 II BGB

Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 II 1 BGB). Dem Gläubiger wird also eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt. Er kann anstelle der Herstellung in Natur den dazu erforderlichen Geldbetrag vom Schuldner verlangen.2

Auch hier ist erforderlich, dass der eigentlich geschuldete Gegenstand noch erbracht werden kann. Geldersatz nach § 249 II BGB muss nur geleistet werden, wenn eine Naturalrestitution noch möglich ist. Deshalb fällt z.B. der merkantile Minderwert eines Unfallfahrzeugs nicht unter § 249 II BGB; insoweit kommt nur eine Kompensation gemäß § 251 BGB in Betracht.

§ 249 II 1 BGB gewährt nur den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag. Erforderliche Kosten sind die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.3 Kommen mehrere Möglichkeiten der Naturalrestitution in Betracht, hat der Geschädigte grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten wirtschaftlichen Aufwand erfordert (Wirtschaftlichkeitsgebot).4 Allerdings wird auch dem Interesse des Geschädigten am Erhalt der Sache (Integritätsinteresse) Rechnung getragen. Hier gilt nach der Rechtsprechung die 130%-Grenze: Übersteigen die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30%, kann der Geschädigte nicht mehr sein Integritätsinteresse durchsetzen, sondern ist auf den Wiederbeschaffungswert begrenzt (wirtschaftlicher Totalschaden).5 Liegen die Reparaturkosten hingegen unterhalb der 130%-Grenze, kann der Geschädigte die Reparaturkosten und auch den Ersatz des merkantilen Minderwerts verlangen. Rechtsverfolgungskosten (z. B. die Gebühren eines Rechtsanwalts) sind ersatzfähig, sofern die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands erforderlich und zweckmäßig war.6 Die Kosten für ein Sachverständigengutachten sind als Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig, sofern dieses für die Schadensermittlung notwendig ist.

Die in einer Reparatur oder Neubeschaffung enthaltene Umsatzsteuer kann der Geschädigte nur verlangen, wenn sie auch tatsächlich angefallen ist (§ 249 II 2 BGB).

Beispiel: S hat das Kfz von G beschädigt. Die Reparaturkosten für den Sachschaden7 betragen 500 € netto zzgl. 19% USt., mithin 595 € brutto. Verlangt G einen Ersatz nach § 249 II BGB und hat er nicht die Absicht, sein Auto tatsächlich reparieren zu lassen, kann er nur 500 € von S verlangen. Eine Verpflichtung zur tatsächlichen Vornahme der Reparatur besteht nicht.8 Es können auch fiktive Reparaturkosten verlangt werden; nur dürfen diese nicht mit tatsächlichen Kosten kombiniert werden.9

Schadensersatz in Geld nach Fristsetzung, § 250 BGB

Gemäß § 250 BGB kann der Gläubiger auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 249 II BGB einen Ersatz in Geld verlangen, wenn er dem Schuldner zur Herstellung (Naturalrestitution) eine angemessene Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt hat und diese Frist erfolglos verstrichen ist.

Nach Ablauf der Frist geht der Anspruch auf Herstellung endgültig in einen Anspruch auf Geldersatz über (vgl. § 250 S. 2 Hs. 2 BGB). Wie bei §§ 281 II, 286 II Nr. 3, 323 II Nr. 1 BGB ist die Fristsetzung bei ernsthafter und endgültiger Leistungsverweigerung des Schädigers entbehrlich und setzt die Bestimmung einer zu kurzen Frist eine angemessene Frist in Gang.10 Die Höhe des Anspruchs nach § 250 BGB bemisst sich nach den Herstellungskosten gemäß § 249 II 1 BGB.

Schadenskompensation, §§ 251, 253 BGB

§ 251 BGB legt für Vermögensschäden die Grenze zwischen Naturalrestitution und Wertersatz in Geld durch zwei Tatbestände mit unterschiedlicher Schutzrichtung fest:11 Abs. 1 gewährt dem Geschädigten einen Anspruch auf Wertersatz, soweit die Restitution unmöglich oder Entschädigung ungenügend ist. Abs. 2 schützt den Schädiger davor, dass der Geschädigte ihm für die Herstellung unverhältnismäßige Aufwendungen abverlangt. In beiden Fällen richtet sich der Ersatz nach dem Wertinteresse.

Soweit die Wiederherstellung in Natur, also eine Naturalrestitution nicht (mehr) möglich12 oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen (§ 251 I BGB). Beispiel: Bei Kfz-Schäden ist über § 251 I BGB der merkantile Minderwert13 in Geld zu entschädigen,14 der dadurch entsteht, dass es sich bei dem reparierten Fahrzeug nun um ein Unfallfahrzeug handelt, welches am Markt weniger wert ist als ein unfallfreies Fahrzeug.

Nach § 251 II 1 BGB kann der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Diese Ersetzungsbefugnis des Schädigers ist Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben.15 Die Unverhältnismäßigkeit ergibt sich aus einem Vergleich zwischen den Herstellungskosten und dem nach § 251 II BGB geschuldeten Wertersatz.16 Für eine Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen ist erforderlich, dass die Herstellungskosten – ggf. nach einem Abzug „neu für alt“ – die Höhe des Wertersatzes erheblich übersteigen. Der Richtwert von 30%, der für Kfz-Schäden gilt (s.o.), lässt sich nicht schematisch auf andere Sachverhalte übertragen. Maßgeblich ist unter Abwägung der Interessen die Zumutbarkeit im Einzelfall. Nicht anzuwenden ist § 251 II BGB auf Personenschäden, sodass eine Heilbehandlung grundsätzlich nicht als unverhältnismäßig anzusehen ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen (§ 251 II 2 BGB). Neben dem Alter und Gesundheitszustand des Tieres sind auch emotionale Bindungen des Geschädigten zu berücksichtigen.

Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden (§ 253 I BGB). Die Vorschrift schließt für immaterielle Schäden nicht die Herstellung nach § 249 BGB, aber die Geldentschädigung gemäß § 251 BGB aus, soweit diese nicht für den jeweiligen Fall vom Gesetz (z. B. § 651n II BGB) vorgesehen ist.17

Eine weitere Ausnahme begründet § 253 II BGB. Er gewährt dem Geschädigten in den dort genannten Fällen einen Anspruch auf „billige Entschädigung in Geld“, also auf ein Schmerzensgeld. § 253 II BGB ist keine Anspruchsgrundlage;18 die Norm erweitert den Umfang des Schadensersatzes, wenn die Voraussetzungen einer haftungsbegründenden Norm erfüllt sind.19 Die Höhe des Anspruchs hat der Richter gemäß § 287 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen.20

Entgangener Gewinn, § 252 BGB

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn (lucrum cessans, § 252 S. 1 BGB). Er stellt einen Vermögensschaden dar.21 Ein entgangener Gewinn liegt vor, wenn dem Geschädigten aufgrund des schädigenden Ereignisses Vermögensvorteile nicht zugeflossen sind, die er unter normalen Umständen hätte. Es handelt sich also um Vorteile, die im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses noch nicht zum Vermögen des Geschädigten gehörten, ihm aber nunmehr gehören würden. Dementsprechend ist sein Ersatz bereits Folge der Totalreparation und der Differenzhypothese.22 § 252 S. 1 BGB hat streng genommen nur deklaratorische Bedeutung.

§ 252 S. 2 BGB verleiht dem Geschädigten insoweit eine Beweiserleichterung und ergänzt dabei § 287 ZPO.23 Danach gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

Eine Schadensminderung kann unter anderem wegen eines Mitverschuldens des Geschädigten eintreten (§ 254 BGB).

Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten hat, ist zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechts gegen Dritte zustehen (§ 255 BGB).

§ 255 BGB ist Ausdruck des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots und soll ausschließen, dass der Gläubiger eines Ersatzanspruchs doppelten Ausgleich erhält, indem er den Schädiger und einen Dritten in Anspruch nimmt. 24 § 255 BGB bewirkt keinen Übergang des Anspruchs kraft Gesetzes (§ 412 BGB, cessio legis), sondern gibt dem Schädiger grundsätzlich nur ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB. Hat der Schädiger allerdings bereits Ersatz geleistet, bildet § 255 BGB über seinen Wortlaut hinaus eine Anspruchsgrundlage für das nachträgliche Abtretungsverlangen des Schädigers. In Abgrenzung zu Fällen der Gesamtschuld (§ 421 BGB), in denen eine Gleichstufigkeit der Verpflichtungen vorausgesetzt ist, kommt § 255 BGB nur zur Anwendung, sofern eine gestufte Verpflichtung besteht und der Schaden letztlich nicht von dem Schädiger, sondern von einem Dritten getragen werden soll. Beispiel: Der auf Schadensersatz in Anspruch genommeine Dieb kann von dem Anspruchsberechtigten nicht nach § 255 BGB die Abtretung von Ansprüchen gegen einen Versicherer verlangen.


  1. Hier und zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 899 f.
  2. Hier und zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 901 – 926. Siehe auch den Fall „Das Salatblatt“.
  3. BGH, Urt. v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 368.
  4. BGH, Urt. v. 09.06.2009 – VI ZR 110/08, Rn. 15; BGH, Urt. v. 29.04.2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 397 f.
  5. BGH, Urt. v. 09.06.2009 – VI ZR 110/08, Rn. 15; BGH, Urt. v. 29.04.2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 397 f.
  6. BGH, Urt. v. 18.07.2017 – VI ZR 465/16, Rn. 6.
  7. Bei Körperschäden sind fiktive Operationskosten nicht ersatzfähig. Aus immateriellen Schäden soll der Geschädigte kein Geschäft machen dürfen (vgl. § 253 BGB; BGH, Urt. v. 14.01.1986 – VI ZR 48/85, BGHZ 97, 14.
  8. BGH, Urt. v. 23.03.1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; BGH, Urt. v. 19.06.1973 – VI ZR 46/72, BGHZ 61, 56, 58.
  9. BGH, Urt. v. 24.01.2017 – VI ZR 146/16, Ls.
  10. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 250 Rn. 1.
  11. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 251 Rn. 1.
  12. Es gelten die Maßgaben des § 275 BGB.
  13. Der merkantile Minderwert ist die Vermögensminderung, die einer Sache allein aufgrund der Tatsache anhaftet, dass sie mal beschädigt war (R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 931).
  14. BGH, Urt. v. 09.06.2009 – VI ZR 110/08, Rn. 12.
  15. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 251 Rn. 4 f.
  16. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 917.
  17. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 253 Rn. 1.
  18. Erman/Ebert, BGB, 15. Aufl. 2017, § 253 Rn. 11; Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 253 Rn. 2; a. A. em>Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 253 Rn. 4.
  19. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 253 Rn. 13.
  20. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 253 Rn. 20. Siehe hierzu den Fall „Das Salatblatt“.
  21. Hier und zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 932.
  22. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 252 Rn. 1.
  23. Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 251 Rn. 3.
  24. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 255 Rn. 1 – 4.