Arglistige Täuschung, § 123 I 1. Fall BGB
Aufbau der Prüfung - Arglistige Täuschung, § 123 I 1. Fall BGB
Die arglistige Täuschung stellt einen Anfechtungsgrund dar und ist in § 123 I 1. Fall BGB geregelt. Die arglistige Täuschung setzt eine Täuschung über Tatsachen, Arglist, Widerrechtlichkeit und keinen Ausschluss voraus.
I. Täuschung über Tatsachen
Die arglistige Täuschung setzt zunächst eine Täuschung über Tatsachen voraus. Täuschung ist das Hervorrufen einer Fehlvorstellung, also eines Irrtums, über Tatsachen, wobei Tatsachen Umstände oder Vorgänge der Vergangenheit oder Gegenwart betreffen, die dem Beweise zugänglich sind. Beispiel: A bewirbt sich auf eine Stelle und ist schwanger. Dieses Mal fragt der Arbeitgeber die A gezielt nach einer Schwangerschaft. A lügt und sagt, sie sei nicht schwanger, und bekommt den Job. Als die Schwangerschaft offenbar wird, möchte der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Hier liegt eine Täuschung über Tatsachen vor, da die Schwangerschaft als Umstand der Gegenwart dem Beweis zugänglich ist und diesbezüglich eine Fehlvorstellung hervorgerufen wurde.
II. Arglist
Es muss sich weiterhin auch um eine arglistige Täuschung handeln. Arglist heißt Vorsatz, wobei alle Vorsatzarten erfasst werden (dolus directus 1. Grades als Absicht, aber auch dolus eventualis, also bedingter Vorsatz). Mithin können im Einzelfall auch Angaben 'ins Blaue hinein' eine arglistige Täuschung begründen.
III. Widerrechtlich
Ferner verlangt die arglistige Täuschung gemäß § 123 I 1. Fall BGB auch eine Widerrechtlichkeit. Dies ist ein ungeschriebenes Merkmal, welches entgegen der Systematik der Norm nicht nur auf die Drohung, sondern auch auf die arglistige Täuschung bezogen wird, um eine Rechtfertigungsmöglichkeit zu eröffnen. Beispiel: Recht zur Lüge. Ein solches Recht kann im Einzelfall gegeben sein. Im obigen Beispielsfall wird bei der Lüge über die Tatsache der Schwangerschaft angenommen, dass eine solche Lüge gerechtfertigt ist. Dies folgt aus dem Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG, aus der Menschenwürde gemäß Art. 1 GG sowie aus den Vorschriften, welche den Mutterschutz begründen. Dies muss allerdings anhand des Einzelfalls entschieden werden. Beispiel: A bewirbt sich auf die Stelle einer Röntgenassistentin und lügt über ihre Schwangerschaft. Dann kann dies Auswirkungen auf das ungeborene Kind haben, sodass der Schutz des ungeborenen Kindes schwerer wiegt als das Selbstbestimmungsrecht der Mutter.
IV. Kein Ausschluss
Zuletzt darf die zur Anfechtung berechtigende arglistige Täuschung nicht gemäß § 123 II BGB ausgeschlossen sein. Dies gilt dann, wenn die Täuschung durch einen Dritten erfolgt, der nicht im Lager des Erklärenden steht. Beispiel: A verkauft B ein Auto und ein wildfremder Dritter flüstert B tolle Eigenschaften des Autos ins Ohr, die nicht stimmen, dann muss A sich dieses Verhalten nicht zurechnen lassen, sodass B ihm gegenüber nicht die arglistige Täuschung als Anfechtungsgrund verwenden kann. Dies ändert sich jedoch, wenn dem B einer der Angestellten des A diese Lügen auftischt. Denn er steht in dem Lager des A, sodass A sich das Verhalten des Angestellten zurechnen lassen muss.