Anstiftung
Anstiftung (§ 26 StGB)
Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat (§ 26 StGB).
Vom mittelbaren Täter (§ 25 I Alt. 2 StGB) und vom Mittäter (§ 25 II StGB) unterscheidet sich der Anstifter durch das Fehlen eigener Tatherrschaft, vom Gehilfen (§ 27 StGB) dadurch, dass er für den vom Haupttäter gefassten Tatentschluss (mit) verantwortlich ist.1
Prüfungsschema2
- I. Tatbestandsmäßigkeit
- 1. Objektiver Tatbestand
- a) Vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat eines anderen (Haupttat = Taterfolg)
- b) Hervorrufen des Tatentschlusses (Tathandlung des Anstifters)
- 2. Subjektiver Tatbestand
Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale („doppelter Anstiftervorsatz“)
- 1. Objektiver Tatbestand
- II. Rechtswidrigkeit3
- III. Schuld4
Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft (§ 29 StGB). Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe wirken nur zugunsten dessen, bei dem sie in persona vorliegen.5
IV. Strafzumessung6
Insbesondere: Strafmilderung gemäß § 28 I StGB.
Haupttat
Taterfolg der Anstiftung ist eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat (Haupttat) eines anderen (des Haupttäters).
Unter einer rechtswidrigen Tat sind nach § 11 I Nr. 5 StGB nur solche tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen7 (aber nicht notwendig schuldhaften, § 29 StGB) Taten zu verstehen, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen. Auch ein Versuch ist eine teilnahmefähige rechtswidrige Tat (Anstiftung zum Versuch).8 Liegt noch nicht einmal eine versuchte Haupttat vor, entfällt eine Strafbarkeit wegen Teilnahme. Die versuchte Anstiftung ist – abgesehen von den ausdrücklich geregelten Fällen9 – nur bei Verbrechen (§ 12 I StGB) strafbar (§ 30 I 1 StGB).10 Ordnungswidrigkeiten sind von § 11 I Nr. 5 StGB nicht erfasst.11
Die Haupttat muss vorsätzlich begangen sein. Vorsätzlich in diesem Sinne ist die Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen lässt (§ 11 II StGB).12 Auch im Übrigen muss der Haupttäter den subjektiven Tatbestand erfüllen; hierzu können neben dem Vorsatz besondere subjektive Tatbestandsmerkmale gehören. Ausnahmen ergeben sich aus § 28 II StGB für strafmodifizierende subjektive Unrechtselemente.
„Bestimmen“ des Haupttäters
Der Anstifter muss den Haupttäter zu dessen Tat „bestimmen“. Darunter versteht man das Hervorrufen des Tatentschlusses.13
Ob die bloße Verursachung des Tatentschlusses, etwa durch das bloße Herbeiführen einer anreizenden Sachlage, ausreicht,14 oder eine kommunikative Beeinflussung des Haupttäters erforderlich ist,15 wird unterschiedlich beurteilt. Da der Anstifter nach § 26 StGB „gleich einem Täter“ bestraft wird, bedarf es eines erheblichen Tatbeitrags mit gleichwertigem Unrechtsgehalt. Ein solcher kann erst durch eine geistige Kommunikation mit dem Haupttäter erzielt werden.16
Das Anstifterverhalten muss aber in jedem Falle ursächlich für den Tatentschluss sein. War der Täter bereits ohne die Einflussnahme des (vermeintlichen) Anstifters zur Tat entschlossen (sog. omnimodo facturus17), scheidet eine vollendete Anstiftung aus und es kommt nur § 30 I StGB oder psychische Beihilfe in Betracht.18 Eine noch schwankende, lediglich Tatgeneigte Person kann demgegenüber angestiftet werden.
Ob auch das Umstimmen ein Anstiften sein kann, ist zweifelhaft. Bestimmt der Anstifter den Haupttäter dazu, sich anstelle eines qualifizierten Delikts (z. B. § 224 StGB) mit einem Grunddelikt (z. B. § 223 StGB) zu begnügen (sog. Abstiftung), liegt keine Anstiftung, sondern regelmäßig psychische Beihilfe vor.19 Beim umgekehrten Fall, in dem der Haupttäter lediglich zur Verwirklichung des Grunddelikts entschlossen war und durch den Anstifter zur qualifizierten Tat bestimmt wird (sog. Aufstiftung), liegt nach h. M. eine Anstiftung zum qualifizierten Delikt vor.20 Die Gegenauffassung vertritt ein analytisches Trennungsprinzip und hält eine Anstiftung nur hinsichtlich der Tatsteigerung und dies auch nur dann für möglich, wenn diese einen selbständigen Tatbestand erfüllt; im Übrigen liege (psychische) Beihilfe vor.21 Beispiel: Die Aufstiftung vom Diebstahl (§ 242 StGB) zum Raub (§ 249 StGB) ist danach nur Anstiftung zur Nötigung (§ 240 StGB) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Beihilfe zum Raub (§§ 249, 27 StGB).
Subjektiver Tatbestand
Der Anstifter muss vorsätzlich handeln.22 Dolus eventualis genügt. Der Vorsatz muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen, also auf das Bestimmen des Haupttäters und die Ausführung der Tat im Sinne eines konkret-individualisierbaren Geschehens („doppelter Anstiftervorsatz“).23
Überschreitet der Haupttäter das Maß, zu dem der Anstifter ihn bestimmen wollte, liegt ein Exzess des Haupttäters vor, der dem Anstifter nicht zuzurechnen ist.24 Beispiel: A stiftet T zu einem Einbruchdiebstahl an. T führt bei der Tat eine Schusswaffe bei sich (§ 244 StGB). Dem A kann nur die Anstiftung zum Diebstahl im besonders schweren Fall (§§ 242, 243 I 2 Nr. 1 StGB) zugerechnet werden. Macht der Haupttäter hingegen weniger, als der Anstifter vorgeschlagen hatte (Beispiel: T nimmt entgegen der Empfehlung des A keine Schusswaffe mit), liegt im Hinblick auf die Qualifikation eine (bei Vergehen straflose) versuchte Anstiftung und im Hinblick auf das Grunddelikt eine vollendete Anstiftung vor.
Ein error in persona des Haupttäters ist nach h. M. auch für den Anstifter unbeachtlich, wenn die Verwechslung sich im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbaren bewegt.25
Ein Lockspitzel, der einen Täter nur zwecks seiner Ergreifung zur Tat bestimmt (sog. agent provocateur; Beispiel: Diebesfalle), kann nicht als Anstifter bestraft werden, weil es an seinem Vorsatz fehlt, die Tat zur Vollendung kommen zu lassen.26
- 1. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 2.
- 2. Bock, JA 2007, 599.
- 3. Wie beim vollendeten Delikt.
- 4. Wie beim vollendeten Delikt.
- 5. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 29 Rn. 1.
- 6. Wie beim vollendeten Delikt.
- 7. Ist der Haupttäter gerechtfertigt, ist Teilnahme nicht möglich (Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 8).
- 8. Bock, JA 2007, 599.
- 9. Z.B. § 159 StGB; §§ 16, 19, 44, WStG (Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 30 Rn. 9).
- 10. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 4.
- 11. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 11.
- 12. Zu solchen Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen, zu denen auch die erfolgsqualifizierten Delikte gehören.
- 13. Bock, JA 2007, 599, 600; Kühl, JA 2014, 668, 672.
- 14. BGH, Urt. v. 20.01.2000 – 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 373 f.; Kühl, JA 2014, 668, 672.
- 15. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 26 Rn. 3; Krüger, JA 2008, 492, 497.
- 16. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 10.
- 17. Lateinisch: jemand, der es ohnehin getan hätte. Siehe hierzu ausführlich Satzger, Jura 2017, 1169 ff.
- 18. Hier und zum Folgenden: Bock, JA 2007, 599, 600 f.; Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 11.
- 19. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 14. Hinsichtlich des Grunddelikts fehlt es wegen bloßer Risikoverringerung aber i.d.R. an der objektiven Zurechnung (Bock, JA 2007, 599, 602).
- 20. BGH, Urt. v. 03.06.1964 – 2 StR 14/64, BGHSt 19, 339, 340; Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 16.
- 21. Bock, JA 2007, 599, 602; Kühl, JA 2014, 668, 672 („Anstiftung zum Mehr“); Küpper, JuS 1996, 23, 24.
- 22. Eine fahrlässige Anstiftung ist als solche nicht strafbar. In Betracht kommt jedoch eine fahrlässige Täterschaft (Bock, JA 2007, 599, 602).
- 23. BGH, Urt. v. 21.04.1986 – 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 67 f.; Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 23.
- 24. Hier und zum Folgenden: Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 29 f.
- 25. BGH, Urt. v. 25.10.1990 – 4 StR 371/90, BGHSt 37, 214 (Hoferben-Fall); Preußisches Obertribunal (1859), GA 7, 322 (Fall Rose-Rosahl); Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 26 Rn. 31; a. A. Sowada, Jura 1994, 37, 41: aberratio ictus des Hintermanns.
- 26. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 26 Rn. 21 m.w.N.