AGB – Inhaltskontrolle und Rechtsfolgen

AGB - Inhaltskontrolle und Rechtsfolgen

Liegen AGB vor (§ 305 I BGB) und sind sie wirksam in einen Vertrag einbezogen worden (§ 305 II, III BGB), stellt sich – ggf. nach Auslegung (§§ 305b, 305c II BGB) – die Frage nach ihrer inhaltlichen Wirksamkeit. Diese ist anhand der §§ 307 – 309 BGB zu beantworten. Die in diesen Vorschriften geregelte Inhaltskontrolle ist allerdings nur bei denjenigen Bestimmungen in AGB in vollem Umfang vorzunehmen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden (§ 307 III 1 BGB).1

Von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind demnach rein deklaratorische Klauseln, die eine gesetzliche Regelung (in jeder Hinsicht richtig) nur wiederholen,2 ferner Klauseln über die Bestimmung der Hauptleistung und ihres Preises3 sowie über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich gebotene Sonderleistung,4 weil diese Inhalte gar nicht gesetzlich geregelt sind, sondern ausgehandelt werden. Solche Bestimmungen, bei denen die Inhaltskontrolle gemäß § 307 III 1 BGB beschränkt ist, können nur wegen Verstoßes gegen das in § 307 I 2 BGB vorgesehene Transparenzgebot unwirksam sein (§ 307 III 2 BGB).

§ 307 BGB ist die Generalklausel der Inhaltskontrolle. Er spielt als Auffangtatbestand nur dann eine Rolle, wenn die Klausel nicht schon nach den §§ 308, 309 BGB unwirksam ist. Während die in § 308 BGB aufgezählten Klauseln immer nur dann unwirksam sind, wenn sie im konkreten Einzelfall zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners führen, sind die in § 309 BGB genannten Klauseln immer unwirksam. Aus diesem Grund sind die §§ 307 – 309 BGB in umgekehrter Reihenfolge zu prüfen.

Werden AGB gegenüber einem Unternehmer (§ 14 BGB), einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich rechtlichen Sondervermögen verwendet, ist das Schutzniveau gemäß § 310 I BGB abgesenkt.5 Die Vorschriften über die Einbeziehung von AGB (§ 305 II, III BGB) und über Klauselverbote (§ 308 Nr. 1, 2 – 8; 309 BGB) finden dann keine Anwendung. Eine Inhaltskontrolle findet lediglich nach der Generalklausel des § 307 I, II BGB statt, wobei die Wertungen der §§ 308, 309 BGB allerdings mittelbar in die Inhaltskontrolle einfließen (§ 310 I 2 BGB).

Bei Verbraucherverträgen finden die §§ 307 – 309 BGB auch dann Anwendung, wenn vorformulierte Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte (§ 310 III Nr. 2 BGB).

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB

Die in § 309 BGB aufgelisteten Klauseln sind immer unwirksam, ohne dass es auf eine Einzelfallprüfung ankommt. Besonders klausurrelevant sind die Nummern 3, 5, 7, 8 lit. b) und Nr. 9 (i.d.F. ab 01.03.2022).

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB

Die in § 308 BGB aufgelisteten Klauseln enthalten allesamt unbestimmte Rechtsbegriffe.6 Wie das Wort „insbesondere“ zu Beginn von § 308 BGB deutlich macht, lässt sich die Vorschrift als Aufzählung typischer Fälle der allgemein in § 307 I 1, II BGB umrissenen Kriterien für die Inhaltskontrolle verstehen.7 Eine Klausel, die unter § 308 BGB fällt, ist nicht per se unwirksam. Die unbestimmten Rechtsbegriffe sind anhand der Maßstäbe des § 307 I 1, II BGB im Wege einer umfassenden Interessenabwägung auszufüllen. Die Unwirksamkeit der Klauseln mit Wertungsmöglichkeit ergibt sich erst durch ihre Unangemessenheit im Einzelfall. Besonders klausurrelevant sind die Nummern 2 und 6.

Generalklausel, § 307 BGB

§ 307 BGB enthält drei Regelungskomplexe, nämlich (I.) die Generalklausel für die Inhaltskontrolle, (II.) die Grundvorschrift für die Schranken der Inhaltskontrolle und (III.) das Transparenzgebot.8 Auch solche Klauseln, die in den Anwendungsbereich der §§ 308, 309 BGB fallen und nach diesen Vorschriften nicht zu beanstanden sind, können immer noch nach § 307 BGB unwirksam sein.9

Bei der Prüfung ist zwischen der Inhalts- und Transparenzkontrolle zu unterscheiden. Während das Transparenzgebot für alle einbezogenen AGB (und die durch § 310 III 2 BGB erfassten Einmal-Klauseln) gilt, muss vor der Inhaltskontrolle nach § 307 III BGB geprüft werden, ob die Klausel kontrollfähig ist. Ist dies der Fall, liefert § 307 I 1, II BGB zwar den Grundmaßstab der Inhaltskontrolle, ist dabei allerdings im Verhältnis zu den spezielleren §§ 308, 309 BGB lediglich ein Auffangtatbestand.

Nach § 307 I 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Das ist der Fall, wenn der Verwender eigene Interessen missbräuchlich für sich durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen des Vertragspartners hinzureichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.10

Nach § 307 II BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (Nr. 1) oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (Nr. 2). Insbesondere dürfen die AGB nicht zu einer Aushöhlung von Hauptleistungspflichten der Parteien eines gegenseitigen Vertrags führen und die Haftung für die Verletzung von Kardinalpflichten ausschließen.11 Zu Grunde zu legen ist stets ein genereller, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine typisierende Betrachtungsweise.12 Auf die Umstände des Einzelfalls kommt es grundsätzlich13 nicht an. Maßgeblicher Zeitpunkt der Inhaltskontrolle nach § 307 I 1, II BGB ist der Vertragsschluss.14

Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 I 2 BGB). Dieses sog. Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, seine AGB so zu gestalten, dass ein durchschnittlicher Vertragspartner des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in der Lage ist, den Inhalt der Klauseln zu erfassen.15

Aus der Formulierung „kann sich ergeben“ folgt, dass ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Klausel führt, sondern nur dann, wenn sich im Einzelfall aufgrund einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners feststellen lässt.16 Das ist zu bejahen, wenn die Gefahr besteht, dass der Vertragspartner aufgrund der Intransparenz davon abgehalten wird, seine Rechte geltend zu machen.

Rechtsfolgen

Sind AGB ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen grundsätzlich17 wirksam (§ 306 I BGB).18 Die im Vertrag entstehende Lücke ist durch Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zu füllen (§ 306 II BGB).

Eine Lückenfüllung durch ergänzende Vertragsauslegung kommt nur in Betracht, wenn geeignete gesetzliche Vorschriften nicht zur Verfügung stehen oder eine ersatzlose Streichung der Klausel das vertraglich vereinbarte Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt.19 Eine geltungserhaltende Reduktion in dem Sinne, dass eine unzulässige Klausel mit dem gesetzlich gerade noch zulässigen Inhalt gilt, ist hingegen verboten.


  1. Zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 46 f.
  2. BGH, Urt. v. 11.07.2019 – VII ZR 266/17, Rn. 27; BGH, Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 61/11, Rn. 14.
  3. BGH, Urt. v. 11.07.2019 – VII ZR 266/17, Rn. 19.
  4. BGH, Urt. v. 25.07.2017 – XI ZR 260/15, Rn. 20, (unzulässiges Entgelt für SMS-TAN in AGB von Banken).
  5. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 310 Rn. 2.
  6. Beispiele: „unangemessen lange/hoch“ (Nrn.1, 1a, 1b, 2, 7), „nicht hinreichend bestimmt“ (Nrn. 1, 2); „sachlich gerechtfertigter Grund“ (Nr. 3), „zumutbar“ (Nr. 4), „besondere Bedeutung“ (Nr. 6).
  7. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 308 Rn. 1.
  8. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 307 Rn. 1 f.
  9. BGH, Urt. v. 20.03.2018 – XI ZR 309/16, Rn. 17; Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 50.
  10. BGH, Urt. v. 15.03.2018 – III ZR 126/17, Rn. 20; BGH, Urt. v. 14.07.2016 – III ZR 387/15, Rn. 9.
  11. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 51; Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 307 Rn. 17.
  12. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 307 Rn. 11.
  13. Anders ist dies gemäß § 310 III Nr. 3 BGB bei Verbraucherverträgen.
  14. Nachträgliche Änderungen der tatsächlichen Gegebenheiten können z. B. nach §§ 242, 313 BGB berücksichtigt werden.
  15. BGH, Urt. v. 11.07.2019 – VII ZR 266/17, Rn. 41; BGH, Urt. v. 29.04.2015 – VIII ZR 104/14, Rn. 17.
  16. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 53.
  17. Unter den Voraussetzungen des § 306 III BGB ist der Vertrag ausnahmsweise insgesamt nichtig.
  18. Darin liegt eine Ausnahme von § 139 BGB (Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 55).
  19. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 56 f.