AGB – Grundlagen

AGB - Grundlagen

Um gleichartigen Einzelverträgen nicht jedes Mal von Neuem umfangreiche und komplizierte Regelungen aushandeln zu müssen, werden im Wirtschaftsverkehr in großem Umfang Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet.1 Bei ihnen handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die einseitig von einer Vertragspartei (dem Verwender) der anderen Vertragspartei gestellt werden. Damit erwächst die Gefahr, dass die Verwender ihre Rechtsstellung zu Lasten des Vertragspartners unangemessen stärken. Die §§ 305 ff. BGB wirken dem entgegen. Sie begrenzen bei Formularverträgen die Privatautonomie, um ein Mindestmaß an Vertragsgerechtigkeit zu gewährleisten (Schutz vor Missbrauch einseitiger Vertragsgestaltung). Neben diesen Schutzzweck tritt der Verbraucherschutz. Die §§ 305 ff. BGB unterliegen dementsprechend nicht der Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien, sondern sind zwingendes Recht (vgl. § 306a BGB).2

Über den Standort der Regelungen im Gesetz wird kontrovers diskutiert.3 Der Gesetzgeber hat sich für eine Einordnung im „Recht der Schuldverhältnisse“ und nicht im Allgemeinen Teil des BGB entschieden, weil durch AGB regelmäßig von den dispositiven Bestimmungen des Schuldrechts abgewichen wird. In der Gesetzesbegründung hat er dabei aber ausdrücklich klargestellt, dass durch diesen Standort keine Einschränkung des Anwendungsbereichs allein auf Schuldverträge bezweckt ist. Die §§ 305 ff. BGB finden daher z. B. auch auf Verträge aus dem Gebiet des Sachenrechts oder auf einseitige Rechtsgeschäfte Anwendung.

Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB

Die §§ 305 ff. BGB finden gemäß § 310 IV 1 BGB keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen.4

Auf Arbeitsverträge sind die §§ 305 ff. BGB im Gegensatz zu den vorgenannten arbeitsrechtsrechtlichen Kollektivvereinbarungen anwendbar, allerdings mit der Maßgabe, dass die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen und § 305 II, III BGB nicht anzuwenden sind (§ 310 IV 2 BGB). Im Übrigen wird der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB durch § 310 I – III BGB für einige weitere Sonderfälle eingeschränkt und für Verbraucherverträge erweitert. Die Darstellung erfolgt nachstehend bei dem jeweiligen Prüfungspunkt, der sich durch die in § 310 BGB angeordnete Abweichung verändert.

Vorliegen von AGB

AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt (§ 305 I 1 BGB).

Unter Vertragsbedingungen sind Bestimmungen zu verstehen, die Inhalt des Vertrags werden sollen.5

Die Vertragsbedingungen müssen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sein.6 Vorformuliert sind Klauseln, wenn sie vor Vertragsschluss schon inhaltlich feststanden. Bei Formularen mit ausfüllungsbedürftigen Leerräumen sind auch die Einfügungen vorformuliert, wenn der Verwender sie von vornherein in einem bestimmten Sinne ausfüllen wollte oder entsprechend auf den Kunden einwirkt. Eine „Vielzahl“ setzt die Absicht einer mindestens dreimaligen Verwendung voraus.7 Der Verwender muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Absicht der Mehrfachverwendung haben, sei es auch gegenüber demselben Vertragspartner. Besteht eine solche Mehrfachverwendungsabsicht, fällt schon die erste Verwendung unter §§ 305 ff. BGB. Wer die Vorformulierung vorgenommen hat, ist unerheblich; AGB liegen auch dann vor, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen formuliert sind und die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Fall verwenden will.

Die Vertragsbedingungen müssen dem Vertragspartner vom Verwender gestellt, also einseitig auferlegt werden. Daran fehlt es, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt werden (§ 305 I 3 BGB). Ein Aushandeln liegt nur dann vor, wenn der Verwender die in seinen AGB enthaltenen Bestimmungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realistischen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen beeinflussen zu können.8 AGB liegen hingegen vor, wenn der Kunde nur die Wahl zwischen bestimmten, vom Verwender vorgegebenen Varianten hat.9 Bei Verbraucherverträgen gelten die AGB als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden (§ 310 III Nr. 1 BGB).

Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (§ 305 I 2 BGB).

Einbeziehung der AGB

AGB werden erst dann rechtlich verbindlich, wenn sie durch Einbeziehungs- oder Rahmenvereinbarung zum Inhalt des einzelnen Vertrages geworden sind.10

Eine einzelfallbezogene Einbeziehungsvereinbarung setzt gemäß § 305 II BGB voraus, dass (I.) der Verwender die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss11 ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist,12 durch einen deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf die AGB hinweist (§ 305 II Nr. 1 BGB) , (II.) die andere Vertragspartei in zumutbarer Weise von dem Inhalt der AGB Kenntnis nehmen kann (§ 305 II Nr. 2 BGB)13 und (III.) mit der Geltung der AGB einverstanden ist (§ 305 II BGB a. E.).14 Unter Beachtung dieser Erfordernisse können die Vertragsparteien für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter15 AGB auch im Voraus vereinbaren (§ 305 III BGB, Rahmenvereinbarung). In den Fällen des § 310 I 1, IV 2 Hs. 2 BGB finden die Vorschriften des § 305 II, III BGB keine Anwendung. § 305a BGB enthält eine Sonderregelung für besondere Fälle.

Überraschende Klauseln werden auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 305 II, III BGB erfüllt sind, nicht Vertragsbestandteil. Bei ihnen handelt es sich um Bestimmungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht (§ 305c I BGB).

Ungewöhnlich ist eine Klausel, mit der die andere Vertragspartei vernünftigerweise – es gilt ein objektiver Maßstab – nicht zu rechnen brauchte. Hinzutreten muss – aus der Sicht eines verständigen Durchschnittskunden – ein Überraschungseffekt.16

Auslegung der AGB

Bei der normativen Auslegung von AGB aus der Sicht des Empfängerhorizonts kommt es im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln nicht auf die Person des konkreten Vertragspartners, sondern auf den Empfängerhorizont eines Durchschnittsempfängers an.17 Das ist die Konsequenz daraus, dass die AGB für eine Vielzahl von Geschäften gedacht sind. Zweifel bei der Auslegung gehen zu Lasten des Verwenders (§ 305c II BGB).18 Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor AGB (§ 305b BGB).19


  1. Hier und zum Folgenden: Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, Vor § 305 Rn. 1.
  2. Zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 28.
  3. BGH, Urt. v. 20.03.2014 – VII ZR 248/13, Rn. 28; Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 33.
  4. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 III BGB gleich (§ 310 IV 3 BGB). Durch die Unanwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB soll sichergestellt werden, dass durch Arbeitsgerichte nicht in die Tarifautonomie eingegriffen wird (Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 310 Rn. 14).
  5. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 29.
  6. Zum Folgenden Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 310 Rn. 3 f.
  7. BGH, Urt. v. 11.07.2019 – VII ZR 266/17, Rn. 31.
  8. BGH, Urt. v. 20.01.2016 – VIII ZR 26/15. Ls. 1 und Rn. 25 f.
  9. BGH, Urt. v. 15.03.2018 – III ZR 126/17, Rn. 18; Siehe hierzu den Fall: „Der Fernüberwachungsvertrag“.
  10. Zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 34 – 43.
  11. Ein Hinweis erst nach Vertragsschluss (z. B. auf dem Lieferschein oder der Rechnung) genügt nicht. Dies ist ein Antrag auf Vertragsänderung, den der Vertragspartner nicht anzunehmen braucht.
  12. Beispiel: Beförderung durch öffentliche Verkehrsmittel.
  13. Bei einer Bestellung über das Internet genügt es, wenn die AGB des Anbieters über einen auf der Bestellseite gut sichtbaren Link aufgerufen und ausgedruckt werden können (BGH, Urt. v. 14.06.2006 – I ZR 75/03, Ls. 1 und Rn. 16).
  14. Das Einverständnis kann ausdrücklich oder konkludent vereinbart werden.
  15. Es kann nur die Geltung bestimmter AGB, nicht aber der AGB in ihrer jeweiligen Fassung vereinbart werden.
  16. Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 305c Rn. 2.
  17. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 4 Rn. 44 f.
  18. Diese „Regel von der kundenfreundlichen Auslegung“ gilt bei Verbraucherverträgen auch dann, wenn vorformulierte Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte (§ 310 III Nr. 2 BGB).
  19. Die Vorschrift des § 305b BGB enthält eine Auslegungsregel für einen widersprüchlichen Vertrag, bei dem eine Individualabrede im Widerspruch zu einbezogenen AGB steht (Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 305b Rn. 1).