Abgrenzungen zum Kaufrecht

Abgrenzung zum Kaufrecht

Die §§ 327 ff. BGB gelten nach der Grundnorm des § 327 I 1 BGB für solche Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung digitaler Produkte (digitale Inhalte oder Dienstleistungen) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben. Damit fallen zunächst einmal solche Fälle in den Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB, in denen durch den Unternehmer allein das digitale Produkt zur Verfügung zu stellen ist.

Beispiele: Der Verbraucher lädt sich eine durch den Unternehmer zum Download bereitgestellte Software oder eine Audio- bzw. Videodatei (= digitale Inhalte i.S.v. § 327 II 1 BGB) herunter.1 Auch die nur zeitweilige Nutzung des digitalen Produkts ist erfasst, etwa in Gestalt des Videostreaming (= digitale Dienstleistung i.S.v. § 327 II 2 BGB).2

Es gibt aber auch andere Wege, auf denen digitale Produkte vom Unternehmer zum Verbraucher gelangen können. Wird etwa ein körperlicher Datenträger verkauft, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient, sind nach § 475a I BGB die meisten Vorschriften des (Verbrauchsgüter-)Kaufrechts ausgeschlossen und stattdessen die §§ 327 ff. BGB anwendbar. Eine Parallelregelung findet sich – allgemein für Verbraucherverträge und nicht nur für Verbrauchsgüterkaufverträge – in § 327 V BGB.

Beispiele: Der Verbraucher kauft beim Unternehmer eine Software auf CD-ROM, eine Film-DVD oder eine Musik-CD. In solchen Fällen ist das Interesse des Verbrauchers im weitesten Sinne auf den digitalen Inhalt gerichtet und nicht auf den Datenträger als solchen.3 Eine Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB macht in diesen Fällen deshalb Sinn, weil die Art und Weise der Übermittlung von digitalen Produkten (online oder auf Datenträger) keine unterschiedliche rechtliche Bewertung rechtfertigt.4 Betroffen sind allerdings nur solche Fälle, in denen der Datenträger lediglich als bloßer „Container“ für die digitalen Inhalte dient und keine darüber hinausgehende Funktion erfüllt.5 Dies darf nicht vorschnell bejaht werden. Man denke etwa an eine Hörspiel-CD, die durch Illustrationen auf dem Cover durchaus einen Mehrwert gegenüber einem Download bieten kann. Entsprechendes gilt für eine Hörspiel-MC, die gerade für Nostalgiker interessant bzw. als Sammlerstück einzuordnen sein kann.

In den beiden vorgenannten Fällen sind die digitalen Produkte alleiniger Leistungsgegenstand. Es gibt aber auch Fälle, in denen der Unternehmer neben digitalen Produkten andere Leistungen schuldet. Dann ist wie folgt zu unterscheiden:

Nach § 327a I 1 BGB sind die §§ 327 ff. BGB auch auf Verbraucherverträge anzuwenden, die in einem Vertrag6 zwischen denselben Vertragsparteien7 neben der Bereitstellung digitaler Produkte die Bereitstellung anderer Sachen oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben (Paketvertrag), allerdings gemäß § 327a I 2 BGB nur hinsichtlich derjenigen Bestandteile des Paketvertrags, welche die digitalen Produkte betreffen, soweit sich aus den gesetzlichen Vorschriften nichts anderes ergibt.8

Beispiel: Ein Verbraucher kauft in einem Vertrag mit demselben Unternehmer sowohl eine Spielekonsole als auch verschiedene digitale Spiele.9 Dann finden die §§ 327 ff. BGB nur hinsichtlich der Spiele (= digitale Produkte) Anwendung, während für die Spielekonsole (= analoger Gegenstand) die §§ 475 ff. BGB gelten.

Der Paketvertrag i.S.v. § 327a I BGB beschreibt also Fälle, in denen ein und derselbe Verbrauchervertrag zwischen ein und denselben Vertragsparteien mehrere Leistungskomponenten umfasst, wobei eine dieser Komponenten die Bereitstellung digitaler Produkte zum Gegenstand hat. Eine inhaltliche Verbundenheit oder wirtschaftliche Abhängigkeit der Leistungspflichten ist dabei – anders als bei verbundenen Verträgen i.S.v. § 358 BGB und zusammenhängenden Verträgen i.S.v. § 360 BGB – nicht erforderlich.10 Es handelt sich also um zwei separate Verträge, die bei separatem Abschluss unterschiedlichen Vorschriften unterfallen und dies auch dann tun, wenn sie zu einem einheitlichen Vertrag (dem „Paketvertrag“) zusammengefasst worden sind. Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen es einen einheitlichen Vertragsgegenstand gibt, der sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt. Ist in einem solchen Fall einer dieser Komponenten ein digitales Produkt, stellt sich auch insoweit die Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB.

Nach § 327a II 1 BGB gelten die §§ 327 ff. BGB auch für solche Verbraucherverträge über Sachen,11 die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind. Allerdings beschränkt sich die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB in diesen Fällen gemäß § 327a II 2 BGB grundsätzlich12 auf die Vertragsbestandteile, welche die digitalen Produkte betreffen. Von diesem weiten Anwendungsbereich schließt § 327a III BGB allerdings Kaufverträge über Waren mit digitalen Elementen aus mit der Folge, dass für die Bereitstellung digitaler Produkte im Rahmen solcher Kaufverträge die Bestimmungen des Kaufrechts gelten.13 Es entsteht also ein Abgrenzungsbedarf zwischen den §§ 327 ff. BGB und den §§ 475 ff. BGB. Im Ausgangspunkt klar ist, dass jeder Vertrag, der (auch) die Bereitstellung digitaler Produkte zum Gegenstand hat, entweder von dem einen oder von dem anderen Gesetzesabschnitt erfasst wird.14

Bei Kaufverträgen über Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können (Waren mit digitalen Elementen), finden die §§ 327 ff. BGB gemäß § 327a III 1 BGB keine Anwendung. Es finden vielmehr auf den ganzen Vertrag die kaufrechtlichen Vorschriften einschließlich der darin enthaltenen Vorschriften über den Kauf einer Sache mit digitalen Elementen (z. B. §§ 475b, 475c, 477 II BGB) Anwendung.15

Damit man von „Waren mit digitalen Elementen“ sprechen kann, müssen die digitalen Produkte räumlich und/oder funktional mit der Ware verbunden sowie erforderlich sein, damit die Ware vertragsmäßig funktioniert; zudem müssen sie im Rahmen desselben Vertrags bereitgestellt werden wie die Ware selbst, was allerdings nach § 327a III 2 BGB zu vermuten ist.16 Beispiele: Ein Smartphone ohne funktionierendes Betriebssystem kann seine Grundfunktionen nicht erfüllen, ebenso ein Kfz ohne zentrale Steuerungseinheit, weil es ohne CPU-Einheit17 nicht fahren kann.18

Auf alle anderen Verbraucherverträge über Sachen, die digitale Produkte enthalten, sind die §§ 327 ff. BGB zumindest im Hinblick auf die Vertragsbestandteile, die sich auf digitale Produkte beziehen, anzuwenden.19 Dies gilt insbesondere für die in § 475a II BGB geregelten Verbrauchsgüterkaufverträge über Waren mit nicht zwingend erforderlichen digitalen Produkten; dabei geht es um Waren, die ihre Funktionen auch ohne die enthaltenen oder verbundenen digitalen Produkte erfüllen können.

Beispiel: Ein Kühlschrank, der eine Software-gestützte Bestellfunktion für bestimmte Nahrungsmittel enthält, kann auch bei Fehlerhaftigkeit dieser Software oder der damit verbundenen Cloud-Dienstleistungen seine Grundfunktion erfüllen, nämlich die in ihm aufbewahrten Nahrungsmittel kühlen.20


  1. Wendehorst, NJW 2021, 2913, 2914.
  2. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327 Rn. 8.
  3. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327 Rn. 21.
  4. Lorenz, NJW 2021, 2065, 2069.
  5. Hk-BGB/Saenger, 11. Aufl. 2022, § 475a Rn. 3.
  6. Nicht ausreichend sind bloß verbundene oder zusammenhängende Verträge i.S.v. §§ 358, 360 BGB; Grüneberg/ Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 327a Rn. 2.
  7. Die Bestimmungen über Paketverträge sollen nur für Fälle gelten, in denen die verschiedenen Bestandteile des Pakets von ein und demselben Unternehmer im Rahmen eines einzigen Vertrags ein und demselben Verbraucher angeboten werden (Erwägungsgrund 34 der DIRL).
  8. Auswirkungen auf die anderen Vertragsbestandteile sehen bei der Vertragsbeendigung durch den Verbraucher § 327c VI i.V.m. § 327m IV BGB vor (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 327a Rn. 2; Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327a Rn. 4).
  9. Wendehorst, NJW 2021, 2913, 2914.
  10. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327a Rn. 3.
  11. Zu möglichen Auswirkungen der zweifelhaften Verwendung des Begriffs „Sachen“ statt „Produkte“ siehe Wendehorst, NJW 2021, 2913, 2914.
  12. Vgl. § 327a II 2 BGB: „Soweit nachfolgend nicht anders bestimmt“.
  13. Es gelten dann insbesondere die §§ 475b ff., 477 II BGB (Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327a Rn. 5).
  14. Grüneberg/ Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 327a Rn. 3.
  15. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327a Rn. 5.
  16. Wendehorst, NJW 2021, 2913, 2914.
  17. CPU steht für „Central Processing Unit“ und bedeutet übersetzt so viel wie „zentrale Prozessoreinheit“.
  18. Lorenz, NJW 2021, 2065, 2070.
  19. Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327a Rn. 5.
  20. Hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2070.