Übungsbeispiel Vollstreckung
- Tenor zur Hauptsache
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Da der Kläger mehr beantragt hat, als du ihm zusprechen willst, musst du die Klage im Übrigen abweisen. Das wird, wie du weißt, oft vergessen. Beherzige den Tipp, am Ende der Klausurbearbeitung deinen Tenor mit dem letzten Antrag abzugleichen.
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Denk auch immer daran, den Zinsanspruch zu prüfen und zu tenorieren.
Der Kläger beantragt Prozesszinsen. Sein Anspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
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Für den Zinsbeginn kommt es zunächst auf den Eintritt der Rechtshängigkeit an. Nach § 261 Abs. 1 BGB ist das mit der Zustellung der Klage beim Beklagten der Fall, hier am 4. Januar 2021. Zinsbeginn ist in Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB aber erst der folgende Tag, also der 5. Januar 2021.
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Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 BGB und hängt davon ab, ob es sich um ein Verbrauchergeschäft handelt, dann gilt Abs. 1, oder nicht, dann findet Abs. 2 Anwendung.
Der Kläger klagt aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft. Die Parteien haben folglich aus Kaufleute und nicht als Verbraucher gehandelt. Die Zinshöhe beträgt deshalb grundsätzlich neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
Allerdings hat der Kläger nur „fünf Prozent“ über dem Basiszinssatz beantragt. Wie du weißt, bist du daran nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden und darfst dem Kläger nicht die neun Prozentpunkte zusprechen.
Gilt das auch für fünf Prozent, statt Prozentpunkte? Hier kannst du den Antrag lebensnah auslegen. Es liegt auf der Hand, dass sich der Kläger auf § 288 Abs. 1 BGB beziehen wollte. Du kannst ihm deshalb fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz zusprechen.
- Der Tenor zur Hauptsache lautet danach:
„Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2021 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
- Kostentenor
Deine Kostenentscheidung hat ihren Ausgangspunkt im Hauptsachetenor. Du hast die Klage im Übrigen abgewiesen, es unterliegen also beide Parteien zum Teil. Damit musst du § 92 ZPO anwenden.
Ob du die Kosten gegeneinander aufhebst oder eine Kostenquote bildest, hängt vom Verhältnis des Unterliegens zum Kostenstreitwert ab. Nur wenn beide Parteien je zur Hälfte verlieren und anwaltlich vertreten sind oder beide keinen Anwalt haben, ist die Kostenaufhebung angemessen.
Bilde also zunächst die Kostenquote. Dazu ermittelst du den Kostenstreitwert und setzt das Unterliegen der Parteien hierzu ins Verhältnis.
Der Kostenstreitwert ergibt sich gemäß § 39 GKG iVm § 3 ZPO aus dem Wert der Klage. Er beträgt hier also 10.000,00 Euro. Im Verhältnis dazu verliert der Kläger mit 2.000,00 Euro, also 20 Prozent bzw. einem Fünftel und der Beklagte entsprechend mit 8.000,00 Euro, also 80 Prozent bzw. vier Fünfteln.
Für eine Kostenaufhebung gibt es also keinen triftigen Grund.
Zumindest gedanklich solltest du immer noch § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abhaken. Hier ist das schnell getan: Der Kläger kann ja trotz seines teilweisen Unterliegens nur dann keine Kosten tragen müssen, wenn seine Zuvielforderung nicht mehr als zehn Prozent der Klagesumme beträgt. Das ist hier nicht der Fall.
Der Kostentenor lautet deshalb:
„Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 20 Prozent (1/5) und der Beklagte zu 80 Prozent (4/5) zu tragen.“
Ob du die Quote in Brüchen oder Prozent angibst, ist die überlassen. Achte aber darauf, dass du es einheitlich machst.
- Tenor zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
Die Tenorierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beginnt mit der Frage, wer aus dem Urteil vollstrecken kann. Die Antwort findest du im Hauptsache- und im Kostentenor.
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Der Kläger kann 8.000,00 Euro und 80 Prozent seiner Kosten vollstrecken. Einschlägig ist hierfür § 709 ZPO.
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Der Beklagte kann ebenfalls vollstrecken, nämlich 20 Prozent seiner Kosten. Ob er damit noch nach § 708 Nr. 11 ZPO vollstreckt oder ebenfalls nach § 709 ZPO, hängt von der konkreten Höhe seines Kostenerstattungsanspruchs ab.
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Denke daran, dass der Beklagte keinen Gerichtskostenvorschuss geleistet hat. Er kann also insoweit auch keine Erstattung vom Kläger verlangen.
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Da es sich angesichts des Streitwerts um einen Prozess vor dem Landgericht handeln dürfte – der Sachverhalt spricht von einem Anspruch aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft, gibt also für die streitwertunabhängige sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts in Wohnraummietsachen nichts her – muss der Beklagte seinen Anwalt bezahlen. Die dabei entstehenden Kosten kann er in Höhe von 20 Prozent vom Kläger erstattet verlangen.
Der Beklagtenvertreter erhält
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eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3000 VV RVG
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eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3004 VV RVG
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also 2,5 Gebühren aus einem Gegenstandswert von 10.000,00 Euro
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also 1.535,00 Euro
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weitere 20,00 Euro als Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)
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und vereinnahmt auf diese 1.555,00 Euro die Umsatzsteuer iHv 19 Prozent.
Insgesamt muss der Beklagte deshalb 1.850,45 Euro an seinen Anwalt zahlen. Erinnere dich: Das bedeutet aber nicht, dass er diesen Betrag auch vom Kläger erstattet verlangen kann. Sein Anspruch ist auf 20 Prozent, also 295,65 Euro beschränkt.
Damit ist die Grenze von 1.500,00 Euro in § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO noch lange nicht erreicht. Der Beklagte vollstreckt also ohne Sicherheitsleistung.
Vergiss die Abwendungsbefugnis aus § 711 ZPO für den Kläger nicht, nachdem du § 713 ZPO kurz geprüft und angesichts der Beschwer des Klägers von 2.000,00 Euro, aus der die Statthaftigkeit einer Berufung gegen die teilweise Klageabweisung folgt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), sofort verworfen hast.
Gib bei der Tenorierung besonders acht auf die unterschiedliche Höhe der Sicherheitsleistung.
Du bist auf der sicheren Seite, wenn du die vorläufige Vollstreckbarkeit für Kläger und Beklagten getrennt tenorierst:
„Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil ist auch für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.“
Souveräner wirkt es natürlich, wenn du beide Blöcke kombinierst:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.“
- Zusammenfassung
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2021 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 20 Prozent (1/5) und der Beklagte zu 80 Prozent (4/5) zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.“
Es gibt unterschiedliche Ansichten zur Frage der Nummerierung. Übersichtlicher erscheint es aber allemal.