Fall: Solarenergie

Übungsfall

„Solarenergie“

Bei Ihrer Ausbilderin Dr. Rogge erscheint Frau Dr. Barbara Bastian und berichtet Folgendes:

Ich bin Geschäftsführerin der Bastian Solaranlagen GmbH (Schnackenburgallee 100, 22525 Hamburg). Wir handeln mit Photovoltaikanlagen. Uns ist am 8. Februar 2021 eine Klage der Firma Hanseatische Ökobau AG (Überseering 33, 22297 Hamburg, Vorstand Karl Karstens) zugestellt worden. Wir sollen Schadensersatz in Höhe von 100.000,00 Euro zahlen. Der Hintergrund ist folgender: Wir stellen die Solarmodule nicht selbst her, sondern beziehen sie seit vielen Jahren bei der Sonnenenergie GmbH (Beimoorweg 12, 22926 Ahrensburg, Geschäftsführerin Daniela Dietze). Auf Wunsch unserer Kunden installieren wir die Photovoltaikanlagen auch. Das berechnen wir aber nicht extra. Einer unserer Hauptabnehmer ist die Ökobau. Die hier maßgebliche Anlage haben wir sogar direkt auf dem Dach des Parkhauses der Ökobau montiert. Das war am 30. und 31. Januar 2019. Die Anlage ist noch am 31. Januar 2019 abgenommen worden. Die Ökobau will damit vor allem Strom in das öffentliche Netz einspeisen. Die Ökobau behauptet nun, bei einer Überprüfung im Oktober 2020 sei aufgefallen, dass 780 der 1.000 gelieferten Solarmodule statt der von uns versprochenen Leistung von 100 Watt pro Modul von Beginn an lediglich eine Leistung von 70 Watt erbringen würden. Für die Zeit von Februar 2019 bis Oktober 2020 sei ihr hierdurch ein Schaden in Höhe von 100.000,00 Euro entstanden, weil sie in diesem Umfang weniger Strom habe verkaufen können. Die Klägerin hatte uns hierzu im Dezember 2020 ein Gutachten eines Herrn Dr. Westphal geschickt, wonach der Schaden zweifelsfrei auf Fehler im Herstellungsprozess zurückzuführen sei und 100.000,00 Euro betrage. Gleichzeitig hatte sie zur Lieferung neuer Module aufgefordert. Ich habe mit dem Vorstand telefoniert und ihm gesagt, dass ich prüfen lassen werde, ob wir neue Module liefern müssten; den Schaden würden wir aber nicht ersetzen, weil wir für die Mängel nicht verantwortlich seien. Ich muss dazu sagen, dass wir dieses Problem mit Modulen der Sonnenenergie GmbH schon häufiger hatten, bin aber damals davon ausgegangen, dass es gelöst sei. Deshalb habe ich auch unseren eigenen Gutachter, Herrn Walter Weise, gebeten, sich das mal anzusehen. Es ist aber wohl tatsächlich so, dass diese Module nicht richtig funktionieren. Wir haben der Ökobau deshalb neue geliefert. Sie hält trotzdem an ihrer Schadensersatzforderung fest. Herr Weise meint aber, der Schaden der Klägerin betrage nur 20.000,00 Euro.

Außerdem hat mich unsere Buchhaltung darauf hingewiesen, dass es noch unbezahlte Rechnungen gegen die Ökobau gebe.

  • Wir haben eine Forderung über 70.000,00 Euro für eine Lieferung am 13. Februar 2017 (Rechnung zugegangen am 15. Februar 2017) offensichtlich vergessen, die Klägerin will aufgrund der angeblichen Verjährung des Anspruchs nicht mehr zahlen.

  • Dann haben wir eine Forderung über 30.000,00 Euro für eine Lieferung am 18. September 2019 (Rechnung zugegangen am 22. September 2019). Damit hatten wir in einem früheren Prozess die Aufrechnung erklärt, die das Gericht aber wegen angeblicher Verspätung nicht berücksichtigt hat, meiner Meinung nach zu Unrecht.

  • Schließlich haben wir eine Forderung und über 50.000,00 Euro für eine Lieferung am 12. September 2019 (Rechnung zugegangen am 13. September 2019).

Bitte sorgen Sie dafür, dass die ganze Angelegenheit für uns bereinigt wird.

  • Frau Dr. Rogge hat sodann Akteneinsicht genommen. Danach ist die Klage am 12. Januar 2021 eingegangen. Sie trägt das Aktenzeichen 337 O 23/21. Die Vorsitzende der Zivilkammer hat mit Verfügung vom 13. Januar 2021 das schriftliche Vorverfahren angeordnet – die Klageerwiderungsfrist beträgt vier Wochen – und die Zustellung verfügt. Der erste Zustellversuch am 15. Januar 2021 schlug fehl, weil die Klägerin die falsche Anschrift der Mandantin angegeben hatte. Ein entsprechender Hinweis hat die Klägerin am 27. Januar 2021 erreicht. Am 3. Februar 2021 hat die Klägerin die richtige Anschrift mitgeteilt.

  • Frau Dr. Rogge trägt Ihnen auf, die Sache bis zum 16. Februar 2021 umfassend zu prüfen und die für zweckmäßig gehaltenen Maßnahmen in einem Schriftsatzentwurf umzusetzen.

Lösungsvorschlag zum Fall „Solarenergie“

I. Interesse der Mandantin

= Was will die Mandantin erreichen?

1. Prozesslage

  • Klage der Mandantin am 08.02.2021 zugestellt

  • schriftliches Vorverfahren angeordnet

2. Interesse der Mandantin

  • „ganze Angelegenheit bereinigen“

= Verteidigung gegen die Klage + Verwertung der offenen Forderungen + Rückgriff auf Lieferantin

II. Prozessrechtliches

= Was kann die Mandantin prozessual erreichen?

1. Zulässigkeit der Verteidigung

= Laufen die Fristen noch? (+)

  • schriftliches Vorverfahren =

  • Verteidigungsanzeige, 2 Wochen (Notfrist) seit 08.02.2020

= Fristablauf am 22.02.2021 (§ 222 Abs. 2 ZPO)

--> Bearbeitungszeitpunkt vor dem 22.02.2021

  • Klageerwiderung, 4 Wochen

= Fristablauf am 05.03.2021

2. Zulässigkeit der Klage

  • keine Anhaltspunkte für Unzulässigkeit

III. Materielles Gutachten

= Was kann die Mandantin materiell erreichen?

= Hat eine Verteidigung gegen die Klage Aussicht auf Erfolg?

1. Schlüssigkeit der Klage

a) Begehr der Klägerin

  • Schadensersatz iHv 100.000,00 Euro als Mindererlös aus dem Stromverkauf aufgrund mangelhafter Lieferung der Photovoltaikanlage

b) Schlüssigkeitsprüfung

a) Anspruchsgrundlage

  • § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB (iVm § 437 Nr. 3 BGB oder § 634 Nr. 4 BGB)?

–> (-), da § 281 BGB nur Schäden ersetzt, die sich durch Nacherfüllung beseitigen lassen

  • § 280 Abs. 1 BGB (iVm § 437 Nr. 3 BGB oder § 634 Nr. 4 BGB)

–> Betriebsausfallschaden

bb) Anspruchsvoraussetzungen

(1) Schuldverhältnis (+)

Kauf- oder Werkvertrag

  • Schwergewicht des Vertrages liegt auf Lieferung; Installation nur untergeordnet, wenig aufwändig (2 Tage) und kostenlos

(2) Pflichtverletzung = mangelhafte Leistung

(a) Ist-Beschaffenheit

  • 780 Module leisten nur 70 Watt

(b) Soll-Beschaffenheit

  • 100 Watt

(3) (Betriebsausfall-) Schaden

  • Einbußen beim Stromverkauf

  • 100.000,00 Euro (Gutachten Dr. Westphal)

(4) Verschulden

  • wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB)

2. Erhebliches Mandantenvorbringen

a) Bestreiten des Tatsachenvortrags zu den Anspruchsvoraussetzungen

aa) Dürfen sämtliche Tatsachenbehauptungen bestritten werden?

  • Vertrag (-), von Mandantin eingeräumt (§ 138 Abs. 1 ZPO)

  • Mangel

  • Ist-Beschaffenheit (-), Gutachten Weise

  • Soll-Beschaffenheit (-), von Mandantin eingeräumt

  • Schaden

  • Einbußen beim Stromverkauf (-), Gutachten Weise

  • Schadenshöhe, 100.000,00 Euro

  • 20.000,00 Euro (-),Gutachten Weise

  • 80.000,00 Euro (+), ergibt sich nicht aus Gutachten Weise

bb) Art des Bestreitens

  • Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO)

  • Parteigutachten der Klägerin ändert daran nichts, sondern würde lediglich die Anforderungen an ein qualifiziertes Bestreiten erhöhen.

  • Auch das eigene Parteigutachten ändert nichts. Bemühungen einer Partei, ihr Bestreiten mit Nichtwissen näher zu begründen, führen nicht zur Unbeachtlichkeit des Bestreitens mit Nichtwissen (BGH, Beschluss vom 29. November 2018 – I ZR 5/18 –, Rn. 10, juris).

b) Einwendungen/Einreden allg.

aa) Keine rechtzeitige Mängelrüge, § 377 HGB

  • keine Rüge bei „Abnahme“

  • Mangel erst im Betrieb der Anlage zu erkennen (Abs. 2)

  • Rüge nach Entdeckung des Mangels (Abs. 3)

  • Aufforderungsschreiben (+), keine Angaben, dass nicht rechtzeitig; Gutachten durfte abgewartet werden

bb) Mangelndes Verschulden (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB)

  • Ursache liegt bei Lieferantin, § 278 BGB (-), da Mandantin nicht die Herstellung schuldet

  • aber wohl fahrlässige Unkenntnis aufgrund früherer Mängel

cc) Einrede der Verjährung

(1) Verjährungsbeginn

  • 01.02.2019

  • Ablieferung (§ 438 Abs. 2 Halbs. 2 BGB)

(2) Verjährungsfrist?

  • 2 Jahre (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) oder

  • 5 Jahre (§§ 438 Abs. 1 Nr. 2a BGB)

(a) Erheblichkeit = rechtzeitige Hemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB)?

  • Klage zugestellt am 08.02.2021 = 2 Jahre um

  • Rückwirkung auf 12.01.2021 (§ 167 ZPO)?

  • würde reichen

  • Wurde Klage demnächst zugestellt?

  • Verzögerung unter 2 Wochen?

  • Zustellung am 08.02.2021

  • sonst am 15.01.2021

  • Verantwortung Gericht? (-)

  • Hemmung durch Verhandlungen (§ 203 BGB)

(-), keine Verhandlung über Schadensersatzanspruch, da von Mandantin sofort zurückgewiesen

= (nur) 2-Jahresfrist abgelaufen

(b) Anwendbarkeit von § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB?

–> § 438 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 2b BGB?

Handelt es sich bei der Photovoltaikanlage um Bauwerk?

–> Auslegung wie in § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB

  • Diskussion der verschiedenen Standpunkte des VIII. Zivilsenats (Kaufrecht) und des VII. Zivilsenats (Werkvertragsrecht) des BGH:

BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 – VIII ZR 318/12 –, Rn. 19 ff., NJW 2014, 845:

Bauwerk iSv § 438 Abs. 1 Nr. 2b BGB ist eine unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache. Von der Vorschrift erfasst sind nicht nur Neuerrichtungen von Bauwerken, sondern auch Erneuerungs- und Umbauarbeiten an einem errichteten Gebäude, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und wenn die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden sind.

Die auf dem Scheunendach errichtete Photovoltaikanlage, zu deren Erstellung die Module dienten, ist mangels Verbindung mit dem Erdboden selbst kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes. Bauwerk ist allein die Scheune, auf deren Dach die Solaranlage montiert wurde. Für die Scheune sind die Solarmodule jedoch nicht verwendet worden. Sie waren weder Gegenstand von Erneuerungs- oder Umbauarbeiten an der Scheune, noch sind sie für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von (wesentlicher) Bedeutung. Vielmehr dient die Solaranlage eigenen Zwecken, denn sie soll Strom erzeugen und dem Landwirt S. dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle (Einspeisevergütung) verschaffen; um diesen Zweck zu erfüllen, hätte die Anlage auch auf jedem anderen Gebäude angebracht werden können. Die Photovoltaikanlage hat mithin keine Funktion für das Gebäude (Scheune) selbst, sondern sie ist, weil es dem Bauherrn zweckdienlich erschien, lediglich ebendort angebracht worden. Allein dies führt nicht dazu, dass die für die Montage von der Klägerin gelieferten Einzelteile “für ein Bauwerk” verwendet worden wären. Aus dem Umstand, dass der Einbau der Solarmodule weder für die Konstruktion, den Bestand, die Erhaltung oder die Benutzbarkeit der Scheune von (wesentlicher) Bedeutung ist, folgt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung überdies, dass die Mangelhaftigkeit der Solarmodule nicht auch die Mangelhaftigkeit der Scheune verursacht hat.

Aus der allgemeinen Erwägung der Vorinstanzen, die Energieversorgung eines Bauwerks gehöre zu dessen gewöhnlichem Gebrauch und damit zur Benutzbarkeit, kann schon deshalb nichts für den Streitfall abgeleitet werden, weil aus den von den Vorinstanzen getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht hervorgeht, dass die Scheune vor Anbringung der Module keine Stromversorgung gehabt hätte und der Landwirt S. den mit der Photovoltaikanlage erzeugten Strom nun (auch) für die Scheune nutzen würde. Aber selbst wenn ein Teil des von der Solaranlage erzeugten Stroms der Energieversorgung der Scheune dienen sollte, würde dies im Streitfall nicht zur Anwendbarkeit der fünfjährigen Verjährung nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB führen. Denn auch dann läge der Hauptzweck der Errichtung der Anlage darin, dem Landwirt S. eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen, so dass es auch in dieser Fallgestaltung an einer Verwendung “für ein Bauwerk” fehlen würde.

BGH, Urteil vom 2. Juni 2016 – VII ZR 348/13 – Rn. 19 - 27:

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 638 Abs. 1 BGB a.F. gilt die fünfjährige Verjährung “bei Bauwerken”, wenn das Werk in der Errichtung oder der grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes oder eines anderen Bauwerks besteht, wobei unter grundlegender Erneuerung Arbeiten zu verstehen sind, die insgesamt einer ganzen oder teilweisen Neuerrichtung gleich zu achten sind. Erfasst sind auch Umbauarbeiten an einem bereits errichteten Bauwerk, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und wenn die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden werden. Für die Zuordnung einer Werkleistung zu den Arbeiten bei Bauwerken ist neben der Bestimmung zur dauernden Nutzung die für Bauwerke typische Risikolage entscheidend, welche der Grund für die längere Verjährungsfrist ist. In den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch ist als Begründung für die fünfjährige Verjährung angegeben, dass Mängel bei Bauwerken häufig erst spät erkennbar werden, jedoch regelmäßig innerhalb von fünf Jahren auftauchen (Motive II 489). Es geht dabei typischerweise um die späte Erkennbarkeit von Mängeln aus Gründen der Verdeckung durch aufeinanderfolgende Arbeiten einerseits sowie der Witterung und Nutzung andererseits.

Die Installation einer technischen Anlage zählt zu diesen Arbeiten, wenn die Anlage nicht bloß in dem Gebäude untergebracht wird, sondern der Errichtung oder der grundlegenden Erneuerung des Gebäudes dient, in das sie eingefügt wird.

Diese Rechtsprechung gilt unter Anwendung des durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I 3138) mit Wirkung zum 1. Januar 2002 eingeführten § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB fort (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 227, 263).

b) aa) Die von der Beklagten gelieferte Photovoltaikanlage wurde nicht nur aufgestellt, sondern auf und in der Tennishalle zur dauernden Nutzung fest eingebaut. Durch die Vielzahl der verbauten Komponenten ist die Photovoltaikanlage so mit der Tennishalle verbunden, dass eine Trennung von dem Gebäude nur mit einem erheblichen Aufwand möglich ist. Ob die Photovoltaikanlage damit ein wesentlicher Bestandteil des Gebäudes wurde (§ 94 Abs. 2 BGB), ist ohne Bedeutung.

bb) Der Einbau der Photovoltaikanlage stellt eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle dar, die insgesamt einer ganzen oder teilweisen Neuerrichtung gleich zu achten ist. Das folgt aus den erheblichen Eingriffen in das Dach und in die Gebäudeaußenhaut, die notwendig waren, um die Photovoltaikanlage windsicher einzubauen sowie die Witterungsbeständigkeit und Statik des Gebäudes zu sichern. Durch die Vielzahl der Eingriffe in die Gebäudesubstanz, die schwere Erkennbarkeit von Mängeln durch aufeinander abgestimmte Arbeiten und die der Witterung ausgesetzte Nutzung liegt die typische Risikolage vor, die den Gesetzgeber veranlasst hat, für Arbeiten bei einem Bauwerk eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorzusehen.

cc) Schließlich dient der Einbau der Photovoltaikanlage der Tennishalle.

Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn die technische Anlage nicht nur in dem Gebäude untergebracht ist, sondern für dieses eine Funktion erfüllt. Das hat der Senat für den Fall einer Abwasser-Kreislaufanlage verneint, die zwar im Rahmen der Errichtung eines Gebäudes fest installiert worden war, jedoch nur den Zweck hatte, Abwässer eines anderen Gebäudes.

Auf dieser Grundlage hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass eine auf einer Scheune angebrachte Photovoltaikanlage nicht dem Zweck der Scheune diene. Die Solaranlage diene vielmehr dem eigenen Zweck der Stromerzeugung. Sie sei deshalb für Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit der Scheune nicht von (wesentlicher) Bedeutung.

Diese Auffassung teilt der erkennende Senat nicht. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass bei der Errichtung eines Gebäudes eine eingebaute technische Anlage der Funktion des Gebäudes dienen muss, damit die lange Verjährungsfrist für Arbeiten bei Bauwerken Anwendung findet. Der Senat hat indes bereits entschieden, dass es zur Beantwortung der Frage, ob Arbeiten der grundlegenden Erneuerung dienen, nicht darauf ankommt, ob das Bauwerk auch ohne die Arbeiten funktionstüchtig geblieben. Entscheidend ist vielmehr der Vergleich mit der Neuerrichtung. Es kommt daher darauf an, ob der Einbau einer Photovoltaikanlage, wie sie die Beklagte schuldete, bei der Neuerrichtung eines Gebäudes als Arbeiten bei einem Bauwerk zu qualifizieren ist. Das ist zu bejahen, da das Gebäude, unabhängig von seinen sonstigen Zwecken, jedenfalls auch dazu gedient hätte, Trägerobjekt für eine Photovoltaikanlage zu sein. Nichts anderes gilt für die grundlegende Erneuerung eines Gebäudes, die auf einer (teilweisen) Veränderung oder Erweiterung der Funktion beruht. Wenn nunmehr die Tennishalle der Klägerin auch dazu dienen sollte, Trägerobjekt einer Photovoltaikanlage zu sein, lag darin eine Funktionserweiterung, die, unter Beachtung der übrigen Voraussetzungen, dazu führt, die lange Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB anzuwenden. Unerheblich ist, dass die Photovoltaikanlage der Stromversorgung der Tennishalle nicht dient.

–> Argumentation!

  • Kl. nutzt Anlage nicht vorrangig für Parkhaus, sondern zum Stromverkauf

  • Zeigen sich Mängel an der Anlage regelmäßig erst nach mehr als zwei Jahren ab Ablieferung?

  • Auffassung des VIII. Zivilsenats günstiger für Mandantin; außerdem würde das Verfahren auch dort landen (Kaufvertrag)

dd) Gegenforderungen

(1) 70.000,00 Euro aus Lieferung vom 13.02.2017

(a) Schlüssigkeit (+)

(b) Prozessuale Möglichkeiten

  • Aufrechnung, Widerklage

© Einwendungen der Klägerin?

  • Verjährung am 31.12.2020

  • Verjährungseinrede auch bereits erhoben.

(d) Konsequenz

  • Widerklage (-)

  • Aufrechnung (+), § 215 BGB

  • im Oktober 2020 noch nicht verjährt

(2) 30.000,00 Euro aus Lieferung vom 18.09.2019

(a) Schlüssigkeit (+)

(b) Prozessuale Möglichkeiten

  • Aufrechnung, Widerklage

© Einwendungen der Klägerin?

  • Forderung durch rechtskräftige Entscheidung nach § 322 Abs. 2 ZPO erloschen (+)

  • § 322 Abs. 2 ZPO erfasst auch den Fall, dass das Gericht die Gegenforderung wegen Präklusion nicht berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 – VII ZR 4/13 –, Rn. 48, NJW 2015, 955; Th/P/Reichold, § 322 Rn. 48a).

  • Mandantin halt das Urteil für falsch

–> unerheblich, da rechtskräftig

(d) Konsequenz

  • Widerklage (-)

  • Aufrechnung (-)

(3) 50.000,00 Euro aus Lieferung vom 12.09.2019

(a) Schlüssigkeit (+)

(b) Prozessuale Möglichkeiten

  • Aufrechnung, Widerklage

© Einwendungen (-)

(d) Zinsen

  • Fälligkeitszinsen (§ 353 HGB ) = 5 % (§ 352 Abs. 1 HGB)

  • Verzugszinsen = 9 %-Punkte über Basiszins (§ 288 Abs. 2 BGB)

  • seit 14.10.2019

= 30 Tage nach Zugang der Rechnung am 13.9.2019 (Mandantin), § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB

3. Beweisfragen

  • Höhe des Schadens

  • Beweislast Klägerin, da Anspruchsvoraussetzung

  • keine Ausnahme einschlägig

  • zwei sich widersprechende Gutachten --> Erfolgsaussichten aber schon deshalb gut, weil Anspruch verjährt ist

IV. Zweckmäßigkeitserwägungen

= Wie kann die Mandantin am effektivsten verteidigt werden?

1. Erfolgsaussichten der Verteidigung (+)

2. (Teil-) Anerkenntnis (-)

  • auf der Grundlage des Gutachtens Weise beträgt der Schaden zwar 20.000,00 Euro

  • Anspruch ist aber verjährt; i.Ü. Aufrechnungsmöglichkeit

  • Teil-Anerkenntnis bringt auch ansonsten keine Vorteile, da über die Schadenshöhe sowieso Beweis erhoben werden muss.

3. Geltendmachung der Gegenansprüche

= Wie werden die Gegenansprüche am effektivsten in den Prozess eingeführt?

a) Primäraufrechnung (-)

  • Verteidigung hat auch ohne Aufrechnung Aussicht auf Erfolg

b) Hilfsaufrechnung (+)

  • Aufrechnung für den Fall, dass Gericht § 438 Abs. 1 Nr. 2b BGB anwendet

  • eigentlich nur 20.000,00 Euro erforderlich

  • trotzdem 100.000,00 Euro, falls Gericht nach Beweisaufnahme einen höheren Schaden feststellt

  • Aufrechnung mit Forderung über 70.000,00 Euro, da sie wegen Verjährung nicht mehr eingeklagt werden kann, + erstrangige 30.000,00 Euro aus Forderung über 50.000,00 Euro

  • oder nur Aufrechnung über 70.000,00 Euro und Widerklage über 50.000,00 Euro?

  • dann ggf. Titel gegen Mandantin über 30.000,00 Euro

c) Widerklage

aa) Gegenforderungen

  • 70.000,00 Euro (-), verjährt

  • 50.000,00 Euro?

  • 20.000,00 Euro werden auf keinen Fall benötigt

–> unbedingte Widerklage

  • 30.000,00 Euro, wenn nicht durch Aufrechnung verbraucht

  • Verjährung (+)

  • Schaden unter 70.000,00 Euro

  • Schaden zwischen 70.000,00 und 100.000,00 Euro?

–> Widerklage erst im Prozess ändern!

–> Hilfswiderklage

bb) Zulässigkeitsvoraussetzungen

  • Zuständigkeit (+) --> folgt bereits aus § 17 Abs. 1 ZPO

4. Streitverkündung an Sonnenenergie GmbH?

a) Grund

  • Rückgriffsanspruch aus Lieferkette

  • Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) nicht erforderlich, da Verjährungsbeginn nach §§ 445b Abs. 2 BGB

  • Lieferantin an nachteilige Beweisaufnahme binden (§§ 68, 74 Abs. 3 ZPO)

b) Zweckmäßigkeit

  • Streitverkündung zulässig (§ 72 Abs. 1 ZPO)

  • kein Kostenrisiko, da Mandantin als Hauptpartei in keinem Fall die Kosten der Streitverkündung trägt (§ 101 Abs. 1 ZPO)

c) Vorgehen

  • Schriftsatz an Sonnenenergie GmbH zustellen lassen (§ 73 ZPO)

  • muss aber kein separater sein, geht auch in Klageerwiderung

  • Mitteilung Grund der Streitverkündung und Lage des Rechtsstreits

5. Verweisung an KfH, § 98 Abs. 1 GVG?

  • Klage wurde vor Zivilkammer erhoben (Akteneinsicht)

  • Handelssache (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG)

  • größerer wirtschaftlicher Sachverstand durch Handelsrichter

  • kein Ausschluss nach Abs. 2, da auch eine Widerklage unter Abs. 1 fällt