Fall: Großer Knall beim Effzeh

Fall: Großer Knall bei Efzeh

Sachverhalt:

Die 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA (im Folgenden: K), deren Kommanditaktionärin der 1. Fußball-Club Köln 01/07 e.V. (im Folgenden: 1. FC Köln) ist, betreibt seit dem 06.03.2002 den Profifußballbereich (erste Mannschaft, U21, U19, U17) des 1. FC Köln. Komplementärin der K ist die 1. FC Köln Verwaltungs-GmbH, deren Alleingesellschafterin der 1. FC Köln ist.

In der Saison 2013/2014 spielte der 1. FC Köln in der 2. Bundesliga. Für diese Saison hatte B bei K eine Dauerkarte erworben, die ihn zum Besuch der insgesamt 17 Heimspiele berechtigte. Am 09.02.2014 fand das Heimspiel des „Effzeh“ gegen den SC Paderborn 07 statt. B besuchte dieses Spiel mit seiner Dauerkarte und verfolgte die Begegnung im Rheinenergiestadion („RheinEnergieSTADION“) vom Oberrang der Nordtribüne. In der zweiten Halbzeit zündete B einen Knallkörper, der aufgrund seiner Energie dem Sprengstoffgesetz unterfällt, und warf ihn auf den Unterrang, wo er detonierte. Durch die Explosion wurden sieben Zuschauer verletzt.

Wegen dieses Vorfalls verhängte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) mit Urteil vom 19.03.2014 eine Verbandsstrafe gegen K, die u. a. aus einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 € bestand. Die Verurteilung durch das Sportgericht des DFB erfolgte auf der Grundlage von § 9a Nrn. 1 und 2 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Hiernach sind die Vereine und deren Tochtergesellschaften für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiteren Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich; der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften für Zwischenfälle jeglicher Art im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel.

K bezahlte die Geldstrafe an den DFB und verlangt nunmehr die Erstattung dieses Betrages von B. B wendet ein, er sei beim Betreten des Stadions nur oberflächlich und ungenügend durch die von K eingesetzten Ordner kontrolliert worden. Zudem habe er sich bereits in der ersten Halbzeit derart unflätig verhalten, dass er durch einen Ordner bereits zu diesem Zeitpunkt aus dem Stadion hätte verwiesen werden müssen. Ihm sei auch nicht bewusst gewesen, dass der DFB eine Geldstrafe gegenüber K verhängen konnte.

Kann K von B die Zahlung von 30.000 € verlangen?

Bearbeiterhinweis: In der Stadionordnung für das RheinEnergieStadion i.d.F. vom 10.08.20121 heißt es auszugsweise wörtlich:

§ 5 Verhalten im Stadion

(1) Innerhalb des Stadions hat sich jeder Besucher so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. […]

§ 6 Verbote

(1) Den Besuchern ist das Mitführen, Bereithalten und Überlassen folgender Gegenstände nicht gestattet: […]

c) Wurfgeschosse aller Art sowie Gegenstände, die als Waffen oder Wurfgeschosse Verwendung finden können; […]

g) Feuerwerkskörper, Leuchtkugeln, Raketen, bengalische Feuer, Rauchpulver und andere pyrotechnische Gegenstände; […]

(3) Untersagt ist den Besuchern weiterhin: […]

f) mit Gegenständen zuwerfen; […]

h) Feuer zu machen, Feuerwerkskörper oder andere pyrotechnische Gegenstände abzubrennen oder abzuschießen; […]

Die wirksame Einbeziehung dieser Stadionordnung in sämtliche Zuschauerverträge sowie deren inhaltliche Wirksamkeit sind bei der Fallbearbeitung ungeprüft zu unterstellen.

Gliederung:

I. Anspruch der K gegen B aus §§ 280 I, 241 II BGB

1. Schuldverhältnis

2. Verletzung einer Schutzpflicht i.S.v. § 241 II BGB

3. Keine Exkulpation, § 280 I 2 BGB

4. Kausaler, ersatzfähiger Schaden

a) Differenzhypothese

b) Haftungsausfüllende Kausalität

aa) Äquivalenztheorie

bb) Adäquanztheorie

cc) Schutzzweck der Norm (Zurechnungszusammenhang)

c) Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens

aa) Eigenes Mitverschulden der K, § 254 I BGB

bb) Zurechnung des Mitverschuldens von Erfüllungsgehilfen, §§ 254 II 2, 278 S. 1 BGB

5. Ergebnis zu I.

II. Anspruch der K gegen B aus § 823 I BGB

III. Anspruch der K gegen B aus § 823 II BGB i.V.m. §§ 5, 6 Stadionordnung

IV. Anspruch der K gegen B aus § 826 BGB

Lösung:

I. Anspruch der K gegen B aus §§ 280 I, 241 II BGB

K könnt gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der gegen sie durch den DFB verhängten Geldstrafe aus §§ 280 I, 241 II BGB haben.

1. Schuldverhältnis

Ein solcher Anspruch auf Schadensersatz setzt gemäß § 280 I 1 BGB zunächst ein Schuldverhältnis zwischen dem Anspruchsteller und dem Anspruchsgegner voraus.

B hat von K eine Eintrittskarte in Gestalt einer Dauerkarte für die Saison 2013/2014 erworben. Zwischen K und B ist dementsprechend ein sog. Zuschauervertrag zustande gekommen. Unabhängig davon, ob man diesen als Dienstvertrag i.S.v. § 611 BGB einordnet, weil der Sportverein keinen sportlichen Erfolg garantieren könne und nur eine Bemühenspflicht schulde,2 oder als Werkvertrag i.S.v. § 631 BGB, weil der Veranstalter den sportlichen Wettbewerb im organisatorischen Sinn herstellt und für seine Durchführung sorgt, sodass die Herbeiführung eines konkreten Erfolgs geschuldet wird,3 handelt es sich um ein (vertragliches) Schuldverhältnis i.S.v. § 280 I 1 BGB.

2. Verletzung einer Schutzpflicht i.S.v. § 241 II BGB

B müsste eine aus dem Zuschauervertrag resultierende Schutzpflicht i.S.v. § 241 II BGB verletzt haben. Dies könnte dadurch geschehen sein, dass B den Knallkörper gezündet und auf den Unterrang der Nordtribüne geworfen hat.

Nach § 241 II BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Diese Schutzpflichten sind auf das Integritätsinteresse gerichtet.4 Sie erstrecken sich nicht nur auf die in § 823 I BGB genannten Rechte und Rechtsgüter, sondern z. B. auch auf das Vermögen als solches; Bestehen, Art und Ausmaß der Verpflichtung bestimmen sich jeweils nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses.5

B hat seine ihm aus dem Zuschauervertrag gegenüber K erwachsenen Verhaltenspflichten verletzt, indem er einen Knallkörper zündete und diesen auf den Unterrang der Nordtribüne war.6 Diese Pflichten ergeben sich sowohl aus der wirksam in den Vertrag einbezogenen Stadionordnung – insbesondere aus deren §§ 5, 6 – als auch unabhängig hiervon gemäß § 241 II BGB allgemein aus dem Zuschauervertrag. Durch das Zünden des Knallkörpers hat B pflichtwidrig das Interesse der K als Veranstalter des Fußballspiels an einem ungestörten Spielablauf beeinträchtigt.

B hat somit durch das Zünden und Wegwerfen des Knallkörpers seine Verhaltenspflichten gemäß § 241 II BGB aus dem Zuschauervertrag mit K verletzt.

3. Keine Exkulpation, § 280 I 2 BGB

Das Verschulden des B wird gemäß § 280 I 2 BGB vermutet. Eine Exkulpation des B ist nicht ersichtlich.

4. Kausaler, ersatzfähiger Schaden

B ist K zum Ersatz des durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens verpflichtet. Fraglich ist, ob die durch das Sportgericht des DFB gegen K verhängte Verbandsstrafe in Gestalt einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 € als durch die Pflichtverletzung des B hervorgerufener ersatzfähiger Schaden anzusehen ist.

a) Differenzhypothese

Die vom DFB verhängte Geldstrafe könnte für K einen Vermögensschaden darstellen. Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn der Geschädigte eine in Geld bezifferbare Vermögenseinbuße an seinen Rechtsgütern erlitten hat.7 Nach der Differenzhypothese ist ein Vermögensschaden zu bejahen, wenn die tatsächliche Vermögenslage, wie sie sich nach dem schädigenden Ereignis darstellt, negativ von der hypothetischen Lage abweicht, wie sie sich ohne das schädigenden Ereignis darstellen würde. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen der tatsächlichen, durch das schädigende Ereignis geschaffenen Lage und der hypothetischen Lage, die ohne das schädigende Ereignis bestünde.

Das Sportgericht des DFB hat gegen K mit Urteil vom 19.03.2014 wegen des Vorfalls vom 09.02.2014 eine Geldstrafe i.H.v. 30.000 € verhängt. Ohne den Vorfall vom 09.02.2014 wäre diese Strafe ausgeblieben. Durch den Vorfall vom 09.02.2014 ist K mithin ein Vermögensnachteil in Höhe von 30.000 € entstanden. In dieser Höhe ist K ein Vermögensschaden entstanden.

b) Haftungsausfüllende Kausalität

Der Vermögensschaden der K muss kausal durch das schädigende Ereignis, d. h. durch die Pflichtverletzung des B verursacht worden sein (haftungsausfüllende Kausalität). Der Schaden der K muss der Pflichtverletzung des B zugerechnet werden können.8

aa) Äquivalenztheorie

Die Zurechnung erfolgt zunächst im Wege der Äquivalenztheorie. Danach ist jede Tatsache für den Schadenseintritt ursächlich, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden in seiner konkreten Gestalt entfiele (conditio sine qua non). Alle Faktoren, die zum Schadenseintritt führen, sind „äquivalent“, also gleichwertig kausal.

Ohne den durch B am 09.02.2014 verursachten Vorfall hätte der DFB die K nicht zu der Geldstrafe verurteilt. Denkt man sich die Pflichtverletzung des B weg, entfällt auch der Vermögensschaden der K. Deshalb ist die Pflichtverletzung des B äquivalent kausal für den Schaden der K.

Die alleinige Anwendung der Äquivalenztheorie würde allerdings ohne Korrektur dazu führen, dass auch sehr weit entfernte Faktoren als ursächlich für einen Schaden gewertet werden müssten. Deshalb wird die Äquivalenztheorie durch die Adäquanztheorie und die Lehre vom Schutzzweck der Norm eingeschränkt.

bb) Adäquanztheorie

Ersatzfähig sind nur solche Schäden, die in einem adäquaten Zusammenhang mit der Rechtsgutverletzung stehen. Nach der Adäquanztheorie ist eine Ursache dann kausal, wenn der Erfolg nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit lag.9 Dass dem Veranstalter eines Bundesliga-Fußballspiels durch das Sportgericht des DFB wegen eines Pyrotechnikvorfalls eine Verbandsstrafe auferlegt wird, ist nicht gänzlich unwahrscheinlich. Folglich ist die Pflichtverletzung des B auch adäquat kausal für den Schaden der K.

cc) Schutzzweck der Norm (Zurechnungszusammenhang)

Durch die Adäquanztheorie sind von der Zurechenbarkeit lediglich ganz ungewöhnliche, keinesfalls zu erwartende Kausalverläufe ausgenommen. Auch sie vermag noch nicht abschließend festzulegen, ob einem Schädiger ein bestimmter Schaden zuzurechnen ist. Es bedarf vielmehr eines weiteren Korrektivs. Dieses stellt das Kriterium des Schutzzwecks der Norm dar. Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm ist ein Schaden nur dann zurechenbar, wenn er nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzweck der verletzten Handlungsnorm fällt. Es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte (vor)vertragliche Pflicht übernommen worden ist.10 Der Schaden muss also dem Schutzzweck der verletzten Norm entsprechen. Oder umgekehrt formuliert:11 Die Schadensersatzpflicht wird durch den Schutzzweck der Norm begrenzt. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Ein äußerlicher, gleichsam zufälliger Zusammenhang genügt dagegen nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten. Im Vertragsrecht hat der Schuldner nur für die Einbußen einzustehen, die die durch den Vertrag geschützten Interessen betreffen.

Wie bereits festgestellt, dienten die allgemeinen Schutzpflichten aus § 241 II BGB vorliegend zumindest auch der Rücksichtnahme auf das Interesse der K an einem ungestörten Spielablauf. Dieses Interesse hat B pflichtwidrig beeinträchtigt.12

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass ein Zuschauervertrag zum Besuch eines Fußballspiels den Zuschauer, dessen einzige Hauptleistungspflicht in der Zahlung des Eintrittspreises besteht, daneben zur Rücksichtnahme auf das Interesse des Veranstalters an einem ungestörten Ablauf des Fußballspiels verpflichtet. Denn dies ist ein auf der Hand liegendes Hauptinteresse des Veranstalters. Es handelt sich dabei um ein gleichgerichtetes Interesse mit allen Vertragspartnern (Zuschauern), die ebenfalls einen ungestörten Spielablauf erwarten und erwarten können. Eine derartige Rücksichtnahmepflicht belastet den Zuschauer nicht. Er ist lediglich verpflichtet, alles zu unterlassen, was in einen ungestörten Spielablauf eingreifen würde. Derartige Handlungen unterlässt der verständige Zuschauer bereits aus dem eigenen Interesse eines ungestörten Spielablaufs.

Die hier in Rede stehende Verbandsstrafe ist eine für den Veranstalter nicht zu vermeidende Folge gravierender Störungen des Ablaufs eines Fußballspiels. Dem Veranstalter ist die Durchführung eines Profi-Fußballspiels im Rahmen eines Wettbewerbs (hier: 2. Bundesliga) nur mit Hilfe einer übergeordneten Organisation möglich. Eine solche Organisation gewährleistet hier der DFB. Die K konnte somit nicht ohne eine durch ihre Mitgliedschaft in dem Verband der deutschen Profifußballvereine vermittelte Unterwerfung unter die Statuten des DFB ein Fußballspiel der 2. Bundesliga durchführen und den Zuschauern den Besuch anbieten. Die Organisation oder der Verband, der die Rahmenbedingungen festlegt, hat das gleichgerichtete Interesse mit dem Veranstalter des einzelnen Spiels und den verständigen Zuschauern an einem ungestörten Spielablauf. Um dies durchzusetzen, bedient sich der Verband unter anderem des Mittels der Verbandsstrafe für schuldhafte Störungen durch Zuschauer; dieses ist geeignet, präventiv direkt auf die Vereine oder Veranstalter und indirekt auf ihre Fans einzuwirken, damit es zu solchen Störungen nicht kommt.

Die Verurteilung durch das Sportgericht des DFB erfolgte auf der Grundlage von § 9a Nrn. 1 und 2 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Hiernach sind Vereine und Tochtergesellschaften für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich; der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art. Damit beruht die ausgesprochene Strafe direkt auf der Störung durch B. Sie ist gerade nicht nur „zufällig" aus Anlass der Störung verhängt worden. Ihr materieller Grund ist die durch B verursachte Spielstörung. Ihr Zweck ist es, zukünftiges Zuschauerfehlverhalten auszuschließen oder zumindest zu minimieren; dieses Ziel würde auch gefördert, wenn potentielle Täter damit zu rechnen hätten, solche Strafzahlungen ersetzen zu müssen.

Dem Zuschauervertrag kann auch nicht durch (ergänzende) Vertragsauslegung13 entnommen werden, trotz dieser Umstände hafte der Zuschauer für den hier eingetretenen Schaden ausnahmsweise nicht. Einen solchen Ausschluss hätten die Parteien redlicherweise, hätten sie den Fall bedacht, nicht vereinbart. Der Veranstalter, der selbst ein spielstörendes Verhalten des Zuschauers nicht sicher verhindern kann, hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die Folgen, denen er sich nicht entziehen kann, von dem Störer getragen werden. Ein redlicher und verständiger Zuschauer hätte sich auf eine solche umfassende Haftung eingelassen. Denn ohne eine Handlung, die den Spielablauf zu stören geeignet ist, droht ihm eine derartige Haftungsfolge nicht. Er kann sie ohne weiteres vermeiden. Ihm ist beim Abschluss des Zuschauervertrages zudem klar, dass ein Veranstalter einen Zuschauer gar nicht erst zuließe, der nicht bereit wäre, für sich selbst eine solche Handlung auszuschließen.

Der Zurechnungszusammenhang kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, K hätte die Geldstrafe nicht zahlen müssen, weil § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB unwirksam sei.14 Hierauf kommt es nicht an, weil die Entscheidung der K zur Zahlung der Geldstrafe durch das vertragswidrige Verhalten des B herausgefordert worden ist und keine ungewöhnliche oder unsachgemäße Reaktion hierauf darstellt.15 Verurteilungen auf dieser Grundlage erfolgen regelmäßig und werden von den betroffenen Vereinen auch befolgt.16

Auch der Umstand, dass es nicht bei jedem Verstoß eines Zuschauers gegen seine Verhaltenspflichten zu einem Vermögensschaden in Form einer Verbandsstrafe auf Seiten der K kommt, spricht nicht gegen die Zurechenbarkeit eines solchen Schadens. Dass es im Einzelfall zunächst ungewiss ist und von der Entscheidung des Sportgerichts des DFB abhängt, ob und welche Strafe verhängt wird, ändert nichts daran, dass gerade das Verhalten des störenden Zuschauers diesen Schaden angelegt hat. Es entspricht generell dem Schadensrecht, dass es häufig vom Zufall abhängt, ob Pflichtverletzungen zu einem Vermögensschaden führen, der zu ersetzen ist.

Die vom Sportgericht des DFB gegen K verhängte Verbandsstrafe steht nach alledem im inneren Zusammenhang mit der von B verletzten Verhaltenspflicht. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang ist gegeben.

Damit ist auch die haftungsausfüllende Kausalität insgesamt zu bejahen. Die Verbandsstrafe stellt einen durch die Pflichtverletzung des B äquivalent und adäquat kausal hervorgerufenen und auch vom Schutzzweck der durch B verletzen Norm umfassten Vermögensschaden der K dar.

c) Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens

Der Schadensersatzanspruch der K gegen B ist jedoch gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen, wenn die K ein Mitverschulden am Eintritt des Verletzungserfolgs trifft. Dabei ist zwischen einem etwaigen eigenen Verschulden der K und einem ihr möglicherweise zuzurechnenden Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen zu differenzieren.

aa) Eigenes Mitverschulden der K, § 254 I BGB

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie dessen Umfang von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 254 I BGB).17 Mit dem Begriff „Verschulden“ ist dabei kein Verschulden im technischen Sinne gemeint, sondern ein vorwerfbarer Verstoß gegen die Gebote des eigenen Interesses, also ein „Verschulden gegen sich selbst“, mithin eine Obliegenheit.18 Dieses Verschulden gegen sich selbst muss bei der Mitverursachung der Verletzung äquivalent und adäquat kausal geworden sein. Der Umfang der Ersatzpflicht hängt im Falle eines Mitverschuldens des Geschädigten gemäß § 254 I BGB von einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ab. Dabei ist in zwei Schritten vorzugehen: (i) Zunächst ist auf den Verursachungsbeitrag abzustellen. Entscheidend ist dabei, mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit die beiderseitigen Beiträge zur Herbeiführung des Verletzungserfolgs geeignet waren. (ii) Anschließend ist das Maß des beiderseitigen Verschuldens abzuwägen. Darüber hinaus muss für eine Schadensminderung nach § 254 BGB die vom Geschädigten verletzte „Pflicht“ (also die Obliegenheit als „Pflicht gegen sich selbst“) gerade den Zweck gehabt haben, den konkret eingetretenen Schaden zu vermeiden (Schutzzweck der Norm).

Ein eigenes (Mit-)Verschulden der K an der Entstehung des Schadens könnte man darin erblicken, dass sie die durch das Sportgericht des DFB verhängte Geldstrafe beglichen hat, ohne Rechtsmittel gegen die Verurteilung einzulegen. Im Ergebnis ist dies aber deshalb abzulehnen, weil Rechtsmittel keine hinreichenden Erfolgsaussichten gehabt hätten.19 Sowohl in der deutschen als auch in der internationalen Verbandsschiedsgerichtsbarkeit ist die Zulässigkeit dieser und vergleichbarer Normen, nach denen der Verein für ein schuldhaftes Verhalten der Zuschauer einzustehen hat, anerkannt worden.20 Aus diesen Gründen kann es der K auch nicht zum Mitverschulden gereichen, dass sie die Strafe gezahlt hat, ohne Rechtsmittel gegen die Verurteilung auf der Grundlage dieser Norm einzulegen.

bb) Zurechnung des Mitverschuldens von Erfüllungsgehilfen, §§ 254 II 2, 278 S. 1 BGB

Nach § 254 II 2 BGB ist die Vorschrift des § 278 BGB entsprechend anzuwenden. Es ist allerdings anerkannt, dass der Geschädigte für das Mitverschulden seiner Erfüllungsgehilfen nicht nur im Bereich der Schadensminderung (§ 254 II 1 BGB), sondern auch bei der Schadensentstehung (§ 254 I BGB) einzustehen hat. § 254 II 2 BGB ist wie ein § 254 III BGB zu lesen.21 Die h. M.22 erblickt in § 254 II 2 BGB eine Rechtsgrundverweisung auf § 278 BGB mit der Folge, dass der Geschädigte nur dann für das Mitverschulden seines Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, wenn zwischen ihm und dem Schädiger eine Sonderverbindung in Gestalt eines Vertrags oder eines vertragsähnlichen Schuldverhältnisses bestand.

Vorliegend bestand zwischen K und B eine vertragliche Sonderverbindung über den Zuschauervertrag. Im Rahmen dieser Sonderverbindung müsste sich K ein etwaiges Mitverschulden ihrer Erfüllungsgehilfen bei der Schadensentstehung zurechnen lassen. Hierauf zielt die Einlassung des B ab. Er wendet ein, er sei beim Betreten des Stadions nur oberflächlich und ungenügend durch die von K eingesetzten Ordner kontrolliert worden. Zudem habe er sich bereits in der ersten Halbzeit derart unflätig verhalten, dass er durch einen Ordner bereits zu diesem Zeitpunkt aus dem Stadion hätte verwiesen werden müssen. Hiermit dringt B aber nicht durch.23 Denn im Verhältnis zum B bestand für die K weder eine Verpflichtung noch eine Obliegenheit, Handlungen vorzunehmen, die ihn von Störungen des Spiels abhielten. Eine solche Beaufsichtigung oder Kontrolle darf ein Zuschauer nicht erwarten; er benötigt sie nicht, um Spielstörungen ohne weiteres unterlassen zu können. Eingesetzte Ordner sind deshalb keine Personen, derer sich die K zur Erfüllung einer Obliegenheit im Sinne einer gemäß § 254 II 2 BGB entsprechenden Anwendung von § 278 S. 1 BGB gegenüber dem B bedient hat.

5. Ergebnis zu I.

Nach alledem steht K gegen B ein ungekürzter Ersatzanspruch i.H.v. 30.000 € wegen der gegen sie vom DFB verhängten Geldstrafe aus §§ 280 I, 241 II BGB zu.

II. Anspruch der K gegen B aus § 823 I BGB

Ein gleichlautender Anspruch der K gegen B aus § 823 I BGB scheidet aus, weil die Belastung der K mit einer vom Sportgericht des DFB verhängten Verbandsstrafe als reiner Vermögensschaden einzuordnen ist und diese vom Anwendungsbereich des § 823 I BGB ausgenommen sind.24

III. Anspruch der K gegen B aus § 823 II BGB i.V.m. §§ 5, 6 Stadionordnung

In Betracht kommt jedoch ein deliktischer Schadensersatzanspruch der K gegen B aus § 823 II BGB. Nach dieser Vorschrift sind auch reine Vermögensschäden zu ersetzen, sofern das Vermögen durch das Schutzgesetz geschützt wird.25 Voraussetzungen nach § 823 II BGB sind, dass der Anspruchsgegner ein Schutzgesetz verletzt und dieser Verstoß rechtswidrig und schuldhaft erfolgt.26

Als Schutzgesetz in diesem Sinne könnten vorliegend die §§ 5, 6 Stadionordnung für das RheinEnergieStadion i.d.F. vom 10.08.2012 in Betracht kommen. Dafür wäre indes erforderlich, dass es sich bei ihnen um ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 II BGB handelt. Darunter fallen jedoch gemäß Art. 2 EGBGB nur Rechtsnormen. Zwar zählen zu diesen nicht nur Gesetze im formellen Sinne, sondern auch Verordnungen, Ortssatzungen sowie Gewohnheitsrecht; nicht erfasst sind jedoch Fälle privater Rechtssetzung ohne staatliche Autonomieermächtigung.27 Um eine solche private Rechtssetzung handelt es sich bei der Stadionordnung, die rechtlich als AGB i.S.v. § 305 I 1 BGB zu qualifizieren ist. Deshalb scheidet ein Schadensersatzanspruch

IV. Anspruch der K gegen B aus § 826 BGB

Ein deliktischer Schadensersatzanspruch der K gegen den B könnte sich aber aus § 826 BGB ergeben. Ein solcher Anspruch bestünde dann, wenn B der K in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt hat. Erfasst sind dabei insbesondere auch Vermögensschäden.28

Die schädigende Handlung des B ist als sittenwidrig anzusehen, weil sein Verhalten gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstößt.29 Fraglich ist jedoch, ob B auch mit ausreichendem Schädigungsvorsatz agierte.30 Nach § 826 BGB sind nur solche (mittelbaren) Schadensfolgen ersatzpflichtig, die der Täter vorsätzlich zugefügt hat. Dabei genügt es, dass er den Schadenseintritt als möglich voraussieht und diese Folge als billigend in Kauf nimmt (dolus eventualis). Grobe Fahrlässigkeit reicht als Schuldform nicht aus. Vorsätzliches Handeln i.S.v. § 826 BGB setzt indes nicht voraus, dass der Täter eine genaue Vorstellung vom Kausalverlauf, vom Umfang des Schadens oder von der Person des Geschädigten hat.31

Vorliegend war dem B nicht bewusst, dass der DFB eine Geldstrafe gegenüber K verhängen konnte. Er hatte keine hinreichend konkrete Vorstellung von den schädigenden Folgen seines Handelns, und zwar gerade in Bezug auf die Verhängung einer Geldstrafe durch das Sportgericht des DFB. Deshalb fehlt es bei B am für eine Haftung gemäß § 826 BGB erforderlichen Schädigungsvorsatz. Ein Schadensersatzanspruch der K gegen B aus§ 826 BGB scheidet deshalb aus.


  1. Als download verfügbar unter https://fc.de/fileadmin/user_upload/stadionordnung.pdf.
  2. Koller, RdA 1982, 47, 51.
  3. LG Rostock, Urt. v. 16.06.2005 – 9 O 328/04 NJW-RR 2006, 90 (Fußballspiel); Grüneberg/Sprau, BGB, 83. Aufl. 2024, Vor § 631 Rn. 29; vgl. auch Erman/Schwenker/Rodemann, BGB, 15. Aufl. 2017, Vor § 631 Rn. 24: Werkvertrag mit mietrechtlichem Einschlag hinsichtlich des Zuschauerplatzes.
  4. Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 241 Rn. 4.
  5. Hk-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 241 Rn. 5.
  6. Hier und zum Folgenden: BGH, Urt. v. 22.09.2016 – VII ZR 14/16, Rn. 11.
  7. Hier und zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 870 f.
  8. Zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 869 – 873.
  9. BGH, Urt. v. 23.10.1951 – I ZR 31/51, BGHZ 3, 261, 266.
  10. BGH, Urt. v. 26.02.2013 – VI ZR 116/12, Rn. 12.
  11. Zum Folgenden: BGH, Urt. v. 22.09.2016 – VII ZR 14/16, Rn. 14.
  12. Zum Folgenden: BGH, Urt. v. 22.09.2016 – VII ZR 14/16, Rn. 18, 20 ff.
  13. Zu den Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung siehe BGH, Teilurt. v. 10.05.2019 – LwZR 4/18, Rn. 14, 17.
  14. Zum Diskussionsstand siehe Kober, Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien, 2015, S. 126 ff.; Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, 2015, S. 219 ff., 267; Scheuch, SpuRt 2016, 58, 61; Walker, NJW 2014, 119; 120 ff.
  15. Vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2006 – I ZR 276/03, Rn. 23.
  16. Walker, NJW 2014, 119, 124.
  17. Zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 961 – 964.
  18. BGH, Urt. v. 22.09.2016 – VII ZR 14/16, Rn. 31.
  19. Zum Folgenden: BGH, Urt. v. 22.09.2016 – VII ZR 14/16, Rn. 24.
  20. Ständiges Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen, Urteil vom 14.05.2013, SpuRt 2013, 200; TAS/CAS, Schiedsspruch vom 20.04.2007, CAS 2007/A/1217 Feyenoord Rotterdam v/ UEFA, SpuRt 2007, 164.
  21. Hier und zum Folgenden: Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 254 Rn. 4 – 6.
  22. BGH, Urt. v. 01.03.1988 – VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338, 342; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 254 Rn. 9.
  23. Zum Folgenden: BGH, Urt. v. 22.09.2016 – VII ZR 14/16, Rn. 31.
  24. Hk-BGB/Staudinger, 10. Aufl. 2019, § 823 Rn. 1, 29.
  25. Hk-BGB/Staudinger, 10. Aufl. 2019, § 823 Rn. 141.
  26. Hk-BGB/Staudinger, 10. Aufl. 2019, § 823 Rn. 142.
  27. Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 823 Rn. 34; Hk-BGB/Staudinger, 10. Aufl. 2019, § 823 Rn. 143 f.
  28. Hk-BGB/Staudinger, 10. Aufl. 2019, § 826 Rn. 3.
  29. Vgl. Hk-BGB/Staudinger, 10. Aufl. 2019, § 826 Rn. 6.
  30. Zum Folgenden: Hk-BGB/Staudinger, 10. Aufl. 2019, § 826 Rn. 9.
  31. BGH, Urt. v. 22.09.2016 – VII ZR 14/16, Rn. 32; BGH, Urt. v. 23.06.1987 – VI ZR 213/86, NJW 1987, 3205, 3206.