Das vorsätzlich begangene (vollendete) Erfolgsdelikt
Das vorsätzlich begangene (vollendete) Erfolgsdelikt
Nach dem dreistufigen Deliktsaufbau setzt die Strafbarkeit ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten voraus.1
Den Kern der Straftat bilden die Stufen der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld. Diese drei Prüfungspunkte müssen in der Fallbearbeitung stets angesprochen und festgestellt werden. Zu den weiteren Prüfungspunkten in dem nachstehenden Prüfungsschema ist immer nur dann auszuführen, wenn der konkrete Sachverhalt dazu Anlass bietet.2
- I. Tatbestandsmäßigkeit
- 1. Objektiver Tatbestand
- a) Tatsubjekt (Täter) und Tatobjekt3 (Opfer bzw. Geschädigter)
- b) Tathandlung und Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale
- c) Eintritt des Erfolges und Verbindung zwischen Handlung und Erfolg
- d) Erfolgszurechnung (Lehre von der objektiven Zurechnung)
- 2. Subjektiver Tatbestand
- a) Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale bei Begehung der Tat
- b) Kein Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB)
- c) Besondere subjektiven Tatbestandsmerkmale4
- 3. Tatbestandsannex: Objektive Bedingung der Strafbarkeit5
- 1. Objektiver Tatbestand
- II. Rechtswidrigkeit
- 1. Notwehr (§ 32 StGB)
- 2. Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB)
- 3. Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe (§§ 904, 228; 229, 230, 859, 562b BGB)
- 4. Recht auf vorläufige Festnahme (§ 127 I 1 StPO;)
- 5. (Mutmaßliche) Einwilligung
- III. Schuld
- 1. Schuldfähigkeit (§§ 19, 20, 21 StGB); Sonderfall: actio libera in causa
- 2. Vorsatzschuld (entfällt beim Erlaubnistatbestandsirrtum)
- 3. Entschuldigungsgründe (z. B. Notwehrexzess oder entschuldigender Notstand, §§ 33, 35 StGB)
- 4. Aktuelles oder potentielles Unrechtsbewusstsein (§ 17 StGB)
- IV. Strafzumessung6
- V. Persönliche Strafmilderungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe7
- VI. Prozessvoraussetzungen8
Unter einer Straftat ist also eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung zu verstehen.9 Dabei umschreiben die Stufen der Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit den Unrechtstatbestand und die Stufe der Schuld die persönliche Verantwortlichkeit.
- 1. Hier und zum Folgenden: Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 12 Rn. 1 – 6.
- 2. Das Prüfungsschema ist für Begehungsdelikte in Gestalt eines Erfolgsdelikts konzipiert. Es gilt für Tätigkeitsdelikte, die ebenfalls zu den Begehungsdelikten zählen, entsprechend, allerdings mit der Maßgabe, dass im objektiven Tatbestand die Punkte Erfolgseintritt, Kausalität und objektive Zurechnung entfallen (Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 12 Rn. 7).
- 3. Tatobjekt ist der Gegenstand, der notwendigerweise das Ziel der Aktivität des Täters ist, damit der Tatbestand erfüllt werden kann. Vom Tatobjekt zu unterscheiden ist das Tatmittel (Tatwerkzeug). Darunter versteht man das Mittel, dessen sich der Täter bedient, um den Taterfolg herbeizuführen (R. Schmidt, Strafrecht AT, 20. Aufl. 2018, Rn. 140 f.).
- 4. Zu ihnen zählen z. B. die Absichten der §§ 252, 253, 259, 265 StGB (Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 12 Rn. 12).
- 5. Dieser Prüfungspunkt spielt insbesondere bei den §§ 186, 231, 323a StGB eine Rolle.
- 6. Unter diesem Prüfungspunkt sind benannte Strafzumessungsbeispiele (insbesondere Regelbeispiele, z.B. §§ 213, 243 StGB) zu prüfen.
- 7. Zu denken ist an Spezialvorschriften (z. B. §§ 157, 218 III, 257 III, 258 V, VI StGB) oder allgemein an die tätige Reue (z. B. § 306e StGB).
- 8. Insbesondere Strafantrag (z.B. §§ 230, 248a, 303c StGB) und Verjährung.
- 9. Hier und zum Folgenden: Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 7 Rn. 1.