Allgemeine Voraussetzungen

Exkurs ZPO II 1: Überblick; Allg. Voraussetzungen der Vollstreckung

ZPO II im ersten Examen

In den Zivilrechtsklausuren des ersten Examens sind grundsätzlich zwei ZPO-Konstellationen denkbar: die prozessrechtliche Einkleidung des Falls und die prozessuale Zusatzfrage.

Während die Themen des Erkenntnisverfahrens auch in Zusatzfragen gekleidet sind, gibt es richtige Zwangsvollstreckungsklausuren, die vor allem die Erfolgsaussichten von Vollstreckungsabwehrklagen, Drittwiderspruchsklagen und Klagen auf vorzugsweise Befriedigung zum Gegenstand haben, und zwar sowohl aus Gerichts-, als auch aus Anwaltsperspektive. Für die Ersteller liegt der Charme solcher Klausuren nicht zuletzt darin, dass im Rahmen der Zulässigkeit der Klagen auch die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen abgeprüft werden können.

In der mündlichen Prüfung ist das Zwangsvollstreckungsrecht ebenfalls gefragt.

Allgemeiner Überblick

Der Gläubiger darf aus einem Titel nicht selbst vollstrecken, denn das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Er hat aber einen Anspruch darauf, dass der Staat den Titel für ihn in einem geordneten Verfahren vollstreckt. Dieses Zwangsvollstreckungsverfahren beginnt nicht automatisch mit der Vollstreckungsfähigkeit des Titels, sondern es gilt auch hier die Dispositionsmaxime. Das Verfahren wird erst durch einen Antrag des Gläubigers eingeleitet und endet (im Idealfall) mit dessen vollständiger Befriedigung.

Beteiligte des Vollstreckungsverfahrens sind der Vollstreckungsgläubiger, der Vollstreckungsschuldner und ggf. Dritte.

  • Vollstreckungsgläubiger ist derjenige, der die Zwangsvollstreckung aus einem Titel betreibt.

  • Vollstreckungsschuldner ist derjenige, gegen den sich die Vollstreckung richtet.

  • Dritter ist bspw. derjenige, der ein eigenes Recht an einem Gegenstand der Vollstreckung geltend macht und deshalb die Vollstreckung für unzulässig hält.

Als Vollstreckungsorgane können die Gerichtsvollzieher, die Vollstreckungsgerichte, das Grundbuchamt und in Ausnahmefällen die Prozessgerichte berufen sein. Die konkrete Zuständigkeit für die einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen ergibt sich aus dem Gesetz.

  • Der Gerichtsvollzieher ist ein (Landes-)Beamter, der in seinem Amtsbezirk mit Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen betraut ist (§ 154 GVG). Soweit die Vollstreckung nicht den Gerichten zugewiesen ist, wird sie vom Gerichtsvollzieher durchgeführt (§ 753 Abs. 1 ZPO). Dieser muss die Weisungen des Gläubigers beachten.

  • Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattfindet oder stattgefunden hat (§ 764 ZPO).

  • Das Grundbuchamt ist Vollstreckungsorgan, wenn der Gläubiger die Eintragung einer Sicherungshypothek für seine Forderung beantragt (§ 867 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

  • Das Prozessgericht ist zur Vollstreckung von Ansprüchen auf die Vornahme einer Handlung (§§ 887, 888 ZPO) oder einer Unterlassung bzw. Duldung (§ 890 ZPO) berufen.

Im Zwangsvollstreckungsverfahren gilt der sog. Formalisierungsgrundsatz, der vor allem besagt, dass die Vollstreckungsorgane nur die formellen Voraussetzungen der Vollstreckung prüfen, nicht jedoch die materiell-rechtliche Berechtigung des Gläubigers.

Konkurrieren mehrere Gläubiger um das Vermögen des Schuldners, gilt das Prioritätsprinzip, dh, eine frühere Vollstreckung geht einer späteren vor. Genügt das Vermögen des Schuldners nicht, um alle Gläubiger zu befriedigen, gehen einige folglich leer aus. Dies gilt allerdings nicht mehr, wenn über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, denn dann ist die Einzelzwangsvollstreckung grundsätzlich unzulässig (§ 89 Abs. 1 InsO). Das Vermögen soll nicht mehr nur einigen Gläubigern zugutekommen, sondern im Wege der Gesamtvollstreckung unter allen Gläubigern gleichmäßig aufgeteilt werden (§ 1 Satz 1 InsO).

Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen

Die Zwangsvollstreckung setzt neben einem Antrag des Gläubigers gemäß § 750 Abs. 1 ZPO voraus, dass der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel besitzt, der mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist und dem Schuldner zugestellt wurde bzw. wird.

  • Antrag

Die Vollstreckung erfolgt nur aufgrund eines Antrags des Gläubigers, der Vollstreckungsauftrag genannt wird, wenn er sich an den Gerichtsvollzieher richtet (§ 753 Abs. 1 ZPO).

  • Titel

Der Gläubiger muss einen Titel vorlegen können, aus dem sich die Leistungspflicht des Schuldners bestimmt oder bestimmbar ergibt und er und der Schuldner namentlich benannt sind (§ 750 Abs. 1 ZPO). Titel ist jede öffentliche Urkunde, aus denen durch Gesetz die Zwangsvollstreckung einer Leistungspflicht des Schuldners zugelassen ist. Überwiegend wird es sich dabei um ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil handeln (§ 704 ZPO). Weitere Vollstreckungstitel sind in § 794 Abs. 1 ZPO aufgeführt, wobei neben dem Vollstreckungsbescheid (Nr. 4) der gerichtliche Vergleich (Nr. 1) und die notarielle Urkunde (Nr. 5( examensrelevant sein können.

- Vollstreckungsklausel

  • Aus einem Urteil darf nur dann vollstreckt werden, wenn es mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist (sog. vollstreckbare Ausfertigung, § 724 Abs. 1 ZPO), die der Gläubiger bei dem Prozessgericht beantragen muss (§ 724 Abs. 2 ZPO). Die Klausel ist eine amtliche Bestätigung, dass der Titel vollstreckungsreif ist. Der Wortlaut und die formelle Ausgestaltung werden von § 725 ZPO vorgegeben.

Lehnt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§ 724 Abs. 2 ZPO) den Antrag ab, kann der Gläubiger hiergegen Erinnerung einlegen (§ 573 ZPO).

  • Ist das Urteil für oder gegen eine andere Person ergangen, hat derjenige, der daraus vollstrecken möchte, unter den Voraussetzungen der §§ 727 ff. ZPO die Möglichkeit, das Urteil umschreiben zu lassen.

  • Von einer titelergänzenden Klausel spricht man im Rahmen von § 726 Abs. 1 ZPO. Hängt die Vollstreckung eines Urteils von einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung ab, die sich unmittelbar aus dem Urteil selbst ergeben und für deren Eintritt der Gläubiger beweisbelastet sein muss, wird die Vollstreckungsklausel erst erteilt, wenn der Gläubiger diesen Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden erbracht hat.

Bsp.: Der Schuldner ist zur Räumung und Herausgabe eines Grundstücks binnen eines Monats nach Rechtskraft des Urteils verurteilt worden. Wäre stattdessen ein konkretes Datum angegeben worden, bedürfte es der titelergänzenden Klausel nicht (§ 751 Abs. 1 ZPO).

Für die Erteilung der Klausel ist nicht der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig, sondern der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 12 RPflG).

  • Ein gerichtlicher Vergleich wird vom Prozessgericht für vollstreckbar erklärt (§ 795b ZPO).

  • Ein Vollstreckungsbescheid bedarf grundsätzlich keiner Vollstreckungsklausel, es sei denn, der Antragsteller ist ein anderer als der darin bezeichnete Gläubiger oder die Vollstreckung soll sich gegen einen anderen Schuldner richten (§ 796 Abs. 1 ZPO).

  • Notarielle Urkunden können mit Zustimmung der Parteien grundsätzlich vom Notar selbst für vollstreckbar erklärt werden (§ 796c Abs. 1 ZPO).

- Zustellung

Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn dem Schuldner der Titel zugestellt wurde oder gleichzeitig zugestellt wird. Es genügt also, wenn der Gerichtsvollzieher den Titel zustellt.

Vollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil

Die Zwangsvollstreckung findet auch aus für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen statt (§ 704 ZPO). Maßgeblich sind hierfür §§ 708, 709 ZPO. Es wird danach unterschieden, ob der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten muss (§ 709 ZPO) oder nicht (§ 708 ZPO). Hängt die Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung ab, darf die Zwangsvollstreckung erst beginnen, wenn der Gläubiger durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachweisen kann, dass der die Sicherheit geleistet hat (§ 751 Abs. 2 ZPO). Hat er die Sicherheit bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts hinterlegt, erhält er hierüber eine Bescheinigung. Dient eine Bankbürgschaft als Sicherheit (§ 108 Abs. 1 ZPO), muss der Gläubiger entsprechend nachweisen, dass ihm die Bürgschaftsurkunde vom Bürgen übergeben wurde.

Vollstreckung bei Zug-um-Zug-Verurteilung

Darf der Gläubiger nur Zug um Zug gegen die Erbringung einer Gegenleistung vollstrecken, wie es beispielsweise häufig bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages der Fall ist, muss der Gerichtsvollzieher dem Schuldner grundsätzlich die Gegenleistung anbieten (§ 756 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO). Ist der Titel auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung der Kaufsache gerichtet, müsste der Gerichtsvollzieher also die Kaufsache mitnehmen und dem Schuldner anbieten. Dies ist nur dann nicht erforderlich, wenn sich der Schuldner bereits im Annahmeverzug befindet (Halbs. 2 Alt. 2 ZPO). Es kommt also darauf an, ob die Voraussetzungen der §§ 293 ff. BGB vorliegen. Dies allein genügt jedoch nicht, vielmehr muss der Gläubiger das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde beweisen. In der Praxis führt dies dazu, dass der Gläubiger bereits mit der Klage nicht nur die Zug-um-Zug-Verurteilung beantragen, sondern zugleich den Antrag stellen würde, festzustellen, dass sich der Schuldner (Beklagte) mit der Annahme der Gegenleistung im Verzug befindet. Ist dies der Fall, wird das Gericht auch diese Feststellung im Urteil treffen. Mit diesem Urteil verfügt der Gläubiger sodann über eine öffentliche Urkunde, mit der er den Nachweis des Annahmeverzuges führen kann.


  1. Hierzu auch Exkurs ZPO I 1.

  2. Hierzu Exkurs ZPO II 5.

  3. Hierzu Exkurs ZPO II 6.

  4. Hierzu Exkurs ZPO I 1.

  5. Hierzu Exkurs ZPO I 2.

  6. Hierzu Exkurs ZPO I 15

  7. Hierzu Exkurs ZPO I 14

  8. Hierzu Exkurs ZPO II 2.

  9. Hierzu auch Exkurs ZPO I 9.