BGH zum Kauf von unwirksamen Forderungen

BGH zum Kauf von unwirksamen Forderungen

Gilt die kaufrechtliche Verjährungsfrist?

Zahnärzte verkaufen ihre Forderungen gegen Patienten häufig weiter, um sich selbst den Aufwand der Abrechnung und Durchsetzung zu ersparen. Das wird als Factoring bezeichnet. Aber was ist, wenn die Forderungen nie existiert haben und der Käufer das erst nach Jahren des Rechtsstreits gegen die Patienten herausfindet? Der BGH entschied dazu, welche Verjährungsregeln in dieser Konstellation gelten.

A. Leicht abgewandelter Sachverhalt

B ist Zahnarzt und betreibt seine eigene Praxis.

Am 3. August 2010 vereinbart B mit dem medizinischen Abrechnungszentrum K, dass dieses Forderungen von B gegen seine Patienten ankauft, die nicht über die Kassenzahnärztliche Vereinigungen abgerechnet werden müssen.

Im Detail wird vereinbart, dass der B der K seine Forderungen jeweils zum Kauf anbietet, indem er die Rechnungsunterlagen an K übermittelt. Gleichzeitig soll B die Forderungen für den Fall der Annahme des Kaufangebots abtreten. K wiederum kann das Kaufangebot konkludent durch Auszahlung des Kaufpreises an B annehmen. Der Kaufpreis beträgt 100 % des Rechnungsbetrags abzüglich einer Vergütung für K. Dieser Kaufpreis soll nach den von K selbst einseitig gestellten und wirksam einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zunächst unabhängig davon von K an B gezahlt werden, ob die Patienten die Forderungen begleichen. K soll so unter bestimmten Umständen das Ausfallrisiko übernehmen, wenn ein Patient nachgewiesen zahlungsunfähig ist. Weiter soll K nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen die Honorarforderungen gegebenenfalls auch gerichtlich gegen die Patienten durchsetzen.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln unter Punkt 6. unter anderem:

Forderungen, die nach Ankauf und Abtretung in ihrem rechtlichen Bestand verändert werden (z.B. notwendige Rechnungsänderungen und/oder Stornierungen), bzw. Forderungen, die von Anfang an rechtlich nicht bestanden haben oder nicht in der angegebenen Höhe bestehen oder nicht rechtswirksam abgetreten worden sind (…), oder Forderungen, die (…) 6 Monate nach Fälligkeit bzw. anwaltlicher Mahnung nicht beigetrieben worden sind, verrechnet K in der jeweiligen Höhe mit der nächsten nach dieser Vereinbarung fällig werdenden Kaufpreiszahlung. In diesem Fall kauft der B die Forderung mit dem jeweiligen Wert (ohne den Kaufpreisabschlag) wieder zurück (…). Soweit eine Verrechnung nicht möglich ist, wird K ihr zustehende Beträge im Wege des (…) vereinbarten Lastschriftverfahrens einziehen. Schlägt dieser Einzug fehl, so ist der B verpflichtet den von K angeforderten Überzahlungssaldo innerhalb 14 Werktagen nach Anforderung auszugleichen (…).”

Beide Parteien sind sich darüber einig, dass B so hinsichtlich der Abrechnungen einschließlich des Mahnwesens und der Durchsetzung in einem streitigen Verfahren gegen die Patienten durch K entlastet werden soll.

Auf dieser Grundlage übermittelt der B der K im Jahr 2011 Rechnungen mit vermeintlichen Forderungen aus Behandlungen gegen seine Patienten. Die K zahlt den jeweiligen Rechnungsbetrag an den B. K macht die Forderungen gegenüber den Patienten zunächst im Jahr 2012 außergerichtlich und dann von 2013 bis 2017 gerichtlich geltend, bleibt dabei jedoch erfolglos, da die Forderungen gegen die Patienten nicht wirksam entstanden sind.

Mit Schreiben vom 21. September 2018 erklärt K unter Verweis auf die erfolglosen Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich aller Forderungskäufe den Rücktritt vom jeweiligen Kaufvertrag. K begehrt nunmehr von B die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 150.000 Euro. B beruft sich auf Verjährung.

Kann K von B die Zahlung von 150.000 Euro verlangen?

Bearbeitungshinweis: Das Gutachten ist gemäß der aktuellen Rechtslage anzufertigen.

B. Entscheidung

I. Anspruch aus Kaufrecht

K könnte gegen B ein Anspruch auf Zahlung von 150.000 Euro aus § 346 I BGB in Verbindung mit §§ 437 Nr. 2, 323 BGB zustehen.

1. Anwendung Kaufrecht

Auf die zwischen K und B geschlossenen Vereinbarung müsste Kaufrecht Anwendung finden. Ein Kaufvertrag nach § 433 I 1 BGB verpflichtet den Verkäufer einer Sache, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Sachen im Sinne des BGB sind nach § 90 BGB nur körperliche Gegenstände. Bei den Forderungen handelt es sich nicht um körperliche Gegenstände und daher nicht um Sachen. Es liegt kein Kaufvertrag iSd § 433 I 1 BGB vor.

Gemäß § 453 I 1 BGB finden die Vorschriften über den Kauf von Sachen auf den Kauf von Rechten jedoch entsprechende Anwendung.

Bei den Verträgen der Parteien über den Erwerb von zahnärztlichen Honorarforderungen des B gegen seine Patienten handelt es sich

aufgrund ihrer Ausgestaltung als echtes Factoring (…) um Rechtskäufe (…) und damit

finden

gemäß § 453 Abs. 1 BGB die gesetzlichen Bestimmungen über den Kauf von Sachen (..) entsprechende Anwendung (…).

2. Vorliegen eines Mangels

Weiter müsste gemäß § 437 BGB in entsprechender Anwendung die Forderung mangelhaft sein.

Existiert die als bestehend verkaufte Forderung nicht oder nicht mehr, kann der Verkäufer sie dem Käufer nicht durch Abtretung gemäß § 398 BGB übertragen. Vermag er die Forderung nicht noch zu schaffen oder sich – falls sie bei einem Dritten entsteht – zu verschaffen, liegt (…) nicht etwa ein vom kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht geregelter Mangel der verkauften Forderung vor. Vielmehr kann der Verkäufer seine Pflicht zur Verschaffung der verkauften Forderung nach § 453 Abs. 1 BGB aF (= § 453 I 1 BGB), § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erfüllen (…).

Es liegt daher kein Mangel vor.

3. Ergebnis

K hat keinen Anspruch gegen B auf Zahlung von 150.000 Euro aus § 346 I BGB in Verbindung mit §§ 437 Nr. 2, 323 BGB.

II. Allgemeines Leistungsstörungsrecht

K könnte gegen B ein Anspruch auf Zahlung von 150.000 Euro aus § 346 I BGB in Verbindung mit § 326 IV, I 1 Hs. 1, V BGB und § 323 BGB zustehen. Kaufrechtliches Gewährleistungsrecht ist für diese Konstellation nicht spezieller da – wie geprüft – kein Mangel vorliegt.

1. Rücktrittserklärung

K hat mit Schreiben vom 21. September 2018 gegenüber B seinen Rücktritt erklärt.

2. Rücktrittsgrund

Nach § 326 V BGB kann der Gläubiger zurücktreten, wenn der Schuldner nach § 275 I-III BGB nicht zu leisten braucht. B müsste also aufgrund von § 275 BGB nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sein. Nach § 275 I BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. B war aufgrund der Vereinbarung mit K eigentlich zur Übertragung der streitgegenständlichen Forderungen verpflichtet. Diese Forderungen waren jedoch nicht wirksam entstanden. Nicht bestehende Forderungen können nicht übertragen werden. B war es daher unmöglich, seine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen. Es lag somit eine Konstellation des § 275 I BGB vor.

Dem Rücktritt steht auch nicht § 326 V Hs. 2 iVm § 323 V oder VI BGB entgegen, da B keine Teilleistung bewirkt hat und K für die Nichtleistung des B weder verantwortlich ist noch sich in Annahmeverzug befand.

K stand damit ein Rücktrittsgrund nach § 326 V BGB zu.

3. Verfristung

Der Rücktritt dürfte nicht nach § 218 BGB unwirksam gewesen sein. Der Rücktritt wegen nicht erbrachter Leistung ist nach § 218 I 1 BGB unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Das gilt nach § 218 I 2 BGB auch wenn der Schuldner nach § 275 I-III BGB nicht zu leisten braucht und der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre.

Der Anspruch des K gegen B auf Übertragung der Forderungen dürfte also nicht bereits verjährt sein.

Nach welchen Bestimmungen sich beim Verkauf einer nicht bestehenden Forderung die Verjährung von Ansprüchen des Forderungskäufers gegen den Forderungsverkäufer richtet, ist umstritten.

Nach einer Ansicht gelten die allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 195, 199 BGB (…).

Die Gegenansicht befürwortet eine analoge Anwendung des § 438 Abs. 1 BGB, wobei teilweise die zweijährige Verjährungsfrist der Nr. 3 (…), überwiegend aber (…) die 30-jährige Verjährungsfrist der Nr. 1 Buchst. a herangezogen wird (…).

a) Direkte Anwendung von § 438 I BGB

Eine direkte Heranziehung sowohl der 30-jährigen Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BGB als auch der zweijährigen Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf die Ansprüche des Käufers einer nicht bestehenden Forderung scheidet aus. Denn in diesem Fall gibt es den von § 453 Abs. 1 BGB aF (= § 453 I 1 BGB), §§ 438, 437 BGB vorausgesetzten Bezugspunkt für eine Mängelgewährleistung – einen auf den Käufer übertragenen Kaufgegenstand – nicht. Es war eine grundlegende konzeptionelle Entscheidung des Gesetzgebers, die besondere Verjährungsregelung in § 438 BGB tatbestandlich allein an die in § 437 BGB aufgeführten Rechte (§ 438 Abs. 4, 5, § 437 Nr. 2 BGB) und Ansprüche (§ 438 Abs. 1, 3, § 437 Nr. 1, 3 BGB) des Käufers anzuknüpfen, die ihrerseits durch das Vorliegen eines Sach- oder Rechtsmangels des Kaufgegenstands im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nach §§ 434 f. BGB ausgelöst werden (…). Nur diese Rechte und Ansprüche des Käufers sollten den besonderen zeitlichen Grenzen des § 438 BGB – und damit einem einheitlichen Verjährungsregime (…) – unterstellt werden, während für andere, nicht aus der Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstands herrührende Rechte und Ansprüche des Käufers, insbesondere solche nach dem – wie hier im Fall der Nichterfüllung vertraglicher Leistungspflichten geltenden – allgemeinen Leistungsstörungsrecht, die allgemeinen zeitlichen Grenzen der §§ 194 ff. BGB gelten sollten (…).

Hieran ändert die von § 453 Abs. 1 BGB aF (= § 453 I 1 BGB) angeordnete entsprechende Anwendung der Vorschriften zum Sachkauf auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen nichts. Diese Maßgabe soll nach dem Willen des Gesetzgebers (lediglich) gewährleisten, dass die Vorschriften über den Kauf von Sachen “so angewendet werden […], dass sie den Besonderheiten insbesondere von Forderungen und Rechten gerecht” werden (…). Sie ist Folge des gesetzgeberischen Verzichts auf eigenständige gesetzliche Bestimmungen für den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen, was auch für die Regelungen zur Verjährung gilt (…). Hingegen fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die grundlegende Regelungssystematik des Gewährleistungsrechts zum Kauf von Sachen nicht auch für den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen gelten sollte.

Die Verjährungsvorschrift des § 438 BGB ist auf die vorliegenden Konstellation daher jedenfalls nicht direkt anzuwenden.

b) Analoge Anwendung von § 438 I BGB

Die Bestimmung des § 438 I Nr. 1 Buchst. a bzw. Nr. 3 BGB könnte jedoch auf den Verkauf einer nicht bestehenden Forderung analog anzuwenden sein.

Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (…). Die Analogie setzt daher voraus, dass die Übertragung der gesetzlichen Regelung auf den ungeregelten Fall nicht durch eine gesetzgeberische Entscheidung ausgeschlossen ist. Erst die Planwidrigkeit der Regelungslücke eröffnet die Möglichkeit einer Ausdehnung der Gesetzesvorschrift über ihren Wortlaut hinaus im Wege eines Analogieschlusses. Die Lücke muss sich aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem – dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrunde liegenden – Regelungsplan ergeben, wie er sich aus dem Gesetz selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung ergibt. Das Vorliegen einer vom Gesetzgeber unbeabsichtigten Lücke und ihre Planwidrigkeit müssen dabei aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden können (…). Weiter ist für eine Analogie erforderlich, dass die Interessenlage des gesetzlich geregelten Falls mit der des zu entscheidenden Falls übereinstimmt. Zusätzlich müssen auch die Wertungsgrundlage und die gesetzgeberische Interessenbewertung der Gesetzesnorm auf den zu entscheidenden Fall zutreffen (…).

aa) Planwidrige Regelungslücke

Nach dieser Maßgabe lässt sich (…) schon nicht feststellen, dass das Fehlen einer gesonderten gesetzlichen Regelung über die Anordnung einer nur zweijährigen oder einer sogar 30-jährigen Verjährungsfrist für die Rechte und Ansprüche des Käufers einer nicht bestehenden Forderung gegen den Verkäufer auf einer planwidrigen Regelungslücke beruht. Der Gesetzgeber hat vielmehr Ansprüche wegen Nichterfüllung bewusst den allgemeinen Regelungen zur Verjährung unterstellt.

Im Gesetzgebungsverfahren zur Schuldrechtsmodernisierung wurde gerade die Ausgestaltung der allgemeinen und besonderen gesetzlichen Bestimmungen zur Verjährung besonders intensiv erörtert (…). Auf der Grundlage einer Bewertung der Mängel des bisherigen Rechts und einer Befassung mit den Vorarbeiten der Schuldrechtskommission, mit der hieran aus dem Schrifttum geäußerten Kritik sowie mit dem Verjährungsmodell der von der Kommission für Europäisches Vertragsrecht verabschiedeten Principles of European Contract Law hat sich der Gesetzgeber 40

zu einer Neuordnung des Systems der Verjährungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuchs entschlossen (…).

Der Regierungsentwurf hat sich hierbei für ein ausdifferenziertes Regelungskonzept entschieden, das zum Zwecke der möglichst weitgehenden einheitlichen Regelung der Verjährungsfristen eine regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit grundsätzlicher Anknüpfung an ein Kenntnis- oder Erkennbarkeitskriterium einführt (§§195, 199 BGB; …), die kauf- und werkvertraglichen Mängelansprüche aber in den Vorschriften der §§ 438, 634a BGB besonderen zeitlichen Grenzen unterstellt (…). Wie die Begründung zum Entwurf an den vorgenannten Stellen ausführt, hatte sich für Mängelansprüche die bisherige Sechsmonatsfrist nach § 477 BGB aF als zu kurz erwiesen und erschien die neue regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit ihrer subjektiven Anknüpfung als nicht geeignet. Zugleich sollte es infolge der Annäherung der regelmäßigen Verjährungsfrist und der neuen besonderen Verjährungsfristen für Mängelansprüche keinen Bedarf mehr für die Entwicklung von rechtlichen Konstruktionen zum Ausgleich von Nachteilen unterschiedlicher Verjährungsfristen geben (…).

In der Regelung für die Verjährung kaufrechtlicher Mängelansprüche sah der Regierungsentwurf die Geltung einer 30-jährigen Verjährungsfrist allein für den als besonderen Rechtsmangel angesehenen Fall vor, dass sich der Käufer einer Sache dem Herausgabeanspruch eines Dritten aus einem dinglichen Recht ausgesetzt sieht (sogenannte Eviktionsfälle; § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BGB). Da dieser Herausgabeanspruch nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB einer 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegen sollte (…), hielt der Regierungsentwurf zum Schutz des Käufers einen Gleichlauf der Verjährungsfristen für geboten. Anderenfalls trüge der Käufer das Risiko, dass seine Ansprüche gegen den Verkäufer vor dem Herausgabeanspruch des Dritten verjährten (…). Weitere Ausnahmeregelungen für Rechtsmängel hielt der Regierungsentwurf ausdrücklich nicht für geboten (…).

Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde zwar erörtert, die Haftung des Verkäufers im Falle des Nichtbestehens des verkauften Rechts (…) der besonderen Verjährungsregelung in § 438 BGB zu unterstellen (…). Von einer dahingehenden Regelung hat der Gesetzgeber indes abgesehen.

bb) Vergleichbare Interessenlage

Es fehlt zudem (…) an der vergleichbaren Interessenlage zu dem in § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BGB ausdrücklich genannten Fall der Mangelhaftigkeit einer Kaufsache wegen des Bestehens eines dinglichen Rechts eines Dritten, auf Grund dessen die Herausgabe verlangt werden kann.

Der Vorschrift des § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BGB liegt, wie aufgezeigt, der vom Gesetzgeber angestrebte Gleichlauf der gewährleistungsrechtlichen Verjährungsfrist für Ansprüche des Käufers einer Sache mit der für den Herausgabeanspruch des Dritten aus dem dinglichen Recht geltenden Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB) zugrunde. Hierdurch soll der Käufer davor geschützt werden, dass er nach Ablauf der an die Übergabe der Sache anknüpfenden zweijährigen Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB für seine Ansprüche gegen den Verkäufer noch weitere 28 Jahre dem Herausgabeanspruch des Dritten ausgesetzt wäre, ohne seinerseits noch Rechte gegen den Verkäufer geltend machen zu können.

Hiermit stimmt die Interessenlage im Falle des Verkaufs einer nicht bestehenden Forderung nicht überein. Weder hat der Käufer aufgrund einer gleichwohl vorgenommenen Abtretung irgendeine Rechtsposition erlangt, vor deren drohender Entziehung er – wie von § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BGB vorausgesetzt – (langfristig) geschützt werden müsste, noch gibt es einen Dritten, der an dem Kaufgegenstand berechtigt sein könnte (…). Hierdurch unterscheidet sich die in Rede stehende Fallkonstellation auch von derjenigen, die dem von der Mehrheit im Rechtsausschuss abgelehnten Antrag zur Erstreckung der 30-jährigen Verjährungsfrist auf verkaufte Rechte zugrunde lag, an denen ein Recht eines Dritten besteht (…).

cc) Zwischenergebnis

Weder § 438 I Nr. 1 a) BGB noch § 438 I Nr. 3 BGB ist auf den Verkauf einer nicht bestehenden Forderung analog anzuwenden.

c) Zwischenergebnis

Der Verkauf einer nicht bestehenden Forderung wird als Fall der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit und damit der Nichterfüllung von der besonderen gewährleistungsrechtlichen Verjährungsregelung in § 453 Abs. 1 BGB aF (= § 453 I 1 BGB), § 438 BGB weder unmittelbar noch analog erfasst. Maßgeblich sind vielmehr die allgemeinen verjährungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 195, 199 BGB.

Für die Verjährung der – von der K im Streitfall geltend gemachten – Ansprüche eines Forderungskäufers auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 326 Abs. 4, Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB; § 326 Abs. 5, § 323 BGB) (…) gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), deren Beginn gemäß § 199 Abs. 1 BGB vom Eintritt der dort bestimmten objektiven und subjektiven Voraussetzungen abhängt.

Achtung: Anders wäre es, wenn die verkaufte Forderungen bestünde, aber mängelbehaftet wäre. Dann läge

kein Fall der Nichterfüllung der kaufrechtlichen Verschaffungspflicht nach § 453 Abs. 1 BGB aF, § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB vor.

Vielmehr wäre

ein Fall der Schlechtleistung – nämlich eine Verletzung der aus § 453 Abs. 1 BGB aF, § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB folgenden Pflicht des Verkäufers, dem Käufer das Recht “frei von Rechtsmängeln” zu verschaffen (…) – gegeben.

In einem solchen Fall bestimmt sich die Verjährung der – von der K geltend gemachten – Ansprüche eines Forderungskäufers auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 453 Abs. 1 BGB aF, § 437 Nr. 2, §§ 440, 323, 326 Abs. 5 BGB) (…) nach der besonderen Verjährungsvorschrift des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts (§ 453 Abs. 1 BGB aF, § 438 BGB; …). Maßgeblich ist die in § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB geregelte Verjährungsfrist von zwei Jahren (…), die einheitlich für alle mangelbedingten Ansprüche des Forderungskäufers entsprechend § 453 Abs. 1 BGB aF, § 438 Abs. 2 BGB zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem die verkaufte Forderung auf den Käufer übergehen soll, mithin mit deren Abtretung (…).

aa) Verjährungsbeginn

Gemäß § 199 I BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt.

Der Anspruch auf Übertragung der Forderungen ist vorliegend mit Abschluss des jeweiligen Vertrags entstanden. Die Verträge kamen jeweils durch Auszahlung des Kaufpreises von K an B zustande, da K hiermit konkludent das Angebot des B auf Vertragsschluss annahm. Die Ansprüche des K entstanden somit im Jahr 2011 und K hatte auch zum gleichen Zeitpunkt jeweils schon Kenntnis der die Ansprüche begründenden Umstände und der Person des Schuldners. Dass die Forderungen gar nicht bestanden und somit durch B auch nicht auf K übertragen werden konnten, steht der Wirksamkeit der Vereinbarungen gemäß § 311a I BGB nicht entgegen.

Die Verjährung der Ansprüche begann damit gemäß § 199 I BGB für jeden der Ansprüche mit dem Schluss des Jahres 2011.

bb) Verjährungsende

Damit wären die Ansprüche gemäß § 195 BGB mit dem Schluss des Jahres 2014 verjährt gewesen. Die Ansprüche könnten jedoch auf Grund der zwischen K und B geschlossenen Vereinbarung gehemmt gewesen sein.

Die Regelungen der getroffenen Abrechnungsvereinbarung sind, da es sich bei ihnen (…) um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrs- kreise verstanden werden (…).

Ein verständiger und redlicher Vertragspartner wird die Abrechnungsvereinbarung der Parteien vom 3. August 2010 – insbesondere im Hinblick auf die Regelungen zu einem Ausgleich von Zahlungspflichten “durch Verrechnung” oder mittels der in Nr. 6 (…) in eine Rangfolge gestellten Ausgleichsmodalitäten (Verrechnung, Einzug über Lastschriftverfahren und Verpflichtung zum Ausgleich eines angeforderten Überzahlungssaldos) (…) – dahin verstehen, dass die beiderseitigen Ansprüche aus der laufenden Geschäftsverbindung grundsätzlich in ein vertraglich vereinbartes Verrechnungssystem (…) eingestellt und deren gesonderte individuelle, insbesondere gerichtliche Verfolgung im Verhältnis der Parteien zueinander zunächst zurückgestellt werden sollte.

Der vertraglichen Vereinbarung war weiter zu entnehmen

dass die Klägerin die verkauften Honorarforderungen gegebenenfalls auch gerichtlich gegen die Patienten durchsetzen sollte. Dies und der mit der Eingehung der laufenden Geschäftsverbindung von den Parteien verfolgte Zweck, den Beklagten hinsichtlich des Zahlungsmanagements einschließlich des Mahnwesens und der Durchsetzung in einem streitigen Verfahren gegen die Patienten zu entlasten (…), legt das Verständnis nahe, dass etwaige im Falle einer Erfolglosigkeit dieses Vorgehens in Betracht kommende (Rückgriffs-)Ansprüche der K gegen den B erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens gegen den Patienten einem internen Ausgleich zugeführt werden sollen. Anderenfalls wäre die K zur Wahrung ihrer eigenen Ansprüche gegenüber dem B in jedem Fall bereits bei ersten Anhaltspunkten für Hindernisse bei der Forderungsdurchsetzung gegen den jeweiligen Patienten gezwungen, zugleich auch – gegebenenfalls gerichtlich – gegen den B vorzugehen.

Die Verjährung war daher gemäß der Vereinbarung entsprechend § 205 BGB so lange gehemmt, wie ein Ausgleich zunächst durch Verrechnung erfolgen sollte und wie die K für die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gegenüber den Patienten benötigte. Die Verjährung der Ansprüche war damit ab ihrer Entstehung bis 2017 gehemmt. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird nach § 209 BGB in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann daher erst mit Abschluss der gerichtlichen Verfahren gegen die Patienten im Jahr 2017 und war zum Zeitpunkt des Rücktritts im Jahr 2018 noch nicht abgelaufen.

Der Anspruch war daher nicht verjährt.

4. Ergebnis

Der Rücktritt war daher nicht nach § 218 I BGB verfristet und K ist wirksam von dem Vertrag mit B zurückgetreten. K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 150.000 Euro aus § 346 I BGB in Verbindung mit § 326 IV, I 1 Hs. 1, V BGB und § 323 BGB.

C. Prüfungsrelevanz

Factoring ist weit verbreitet und man sollte die Interessenlage der Parteien in solchen Beziehungen nachvollziehen können. Wer die wirtschaftliche Interessenlage versteht, hat die Möglichkeit, in Problemfällen interessengerecht zu argumentieren. Aus gleichem Grund lohnt es sich auch die Argumentation des BGH in dieser Entscheidung dazu, warum § 438 BGB nicht analog angewandt wird, nachzuvollziehen. Zwar wird in einer Klausur niemand erwarten, dass mit dem Inhalt des Regierungsentwurfs zu einem Gesetz argumentiert wird, aber ohne Hintergrundinteresse und -verständnis lässt sich die breite Fülle des Examensstoffs schwer bewältigen.

(BGH, Urteil vom 18. Oktober 2023 - VIII ZR 307/209)