Fehlerhafte Gesellschaft

Aufbau der Prüfung - Fehlerhafte Gesellschaft

Beispiel für eine fehlerhafte Gesellschaft: Eine GbR besteht aus den Gesellschafters V, S und X. S ist minderjährig und lässt sich beim Vertragsschluss durch seinen Vater V vertreten. S zahlt vereinbarungsgemäß eine Einlage von 1000 Euro in die GbR-Kasse. S ist der Meinung, die Gesellschaft sei unwirksam und möchte nunmehr die 1.000 Euro zurück.

Vertragliche, quasivertragliche, sachenrechtliche sowie deliktische Ansprüche scheiden aus. S könnte gegen die GbR einen Anspruch auf Zahlung der 1.000 Euro aus § 812 I 1 1. Fall BGB haben.

I. Etwas erlangt

Hierfür müsste die GbR zunächst etwas erlangt haben. Dies ist jeder vermögenswerte Vorteil. Im vorliegenden Fall hat die GbR zumindest den Besitz an den Geldscheinen erlangt.

II. Durch Leistung

Dies müsste auch durch Leistung des S geschehen sein. Leistung ist die bewusste und bezweckte Mehrung fremden Vermögens. Hier hat S zur Erfüllung einer vermeintlichen Verbindlichkeit aus dem GbR-Vertrag das Geld als Einlage eingezahlt und damit geleistet.

III. Ohne Rechtsgrund

Für diese Leistung dürfte weiterhin kein Rechtsgrund bestanden haben.

1. GbR

Rechtsgrund für die Zahlung könnte zunächst die GbR sein.

a) Einigung

Zwar liegt eine Einigung mit dem Inhalt einer GbR nach den §§ 705 ff. BGB vor. Diese müsste aber auch wirksam sein. Da S minderjährig ist und die Eingehung einer GbR nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, müsste er wirksam vertreten worden sein, §§ 164 ff. BGB. Selbst wenn der V den S vertreten haben sollte, hätte das Vormundschaftsgericht beteiligt werden müssen, vgl. §§ 1643, 1852 Nr. 1b BGB. V hat S somit nicht wirksam vertreten. Folglich besteht kein wirksamer GbR-Vertrag.

2. Fehlerhafte GbR

Allerdings könnte eine fehlerhafte GbR vorliegen. Diese fehlerhafte GbR könnte einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gezahlten Einlage darstellen.

a) Herleitung

Zunächst muss die fehlerhafte Gesellschaft hergeleitet werden. Die fehlerhafte Gesellschaft wird aus dem Gedanken hergeleitet, dass die Rückabwicklung einer bereits in Vollzug gesetzten Gesellschaft nicht praktikabel ist, sofern die GbR schon losgelegt hat. Denn die GbR ist ein komplexes Dauerschuldverhältnis, bei dem ansonsten über die §§ 812 ff. BGB alle Rechtsgeschäfte rückabgewickelt werden müssten.

b) Voraussetzungen

Die fehlerhafte Gesellschaft hat vier Voraussetzungen: Natürliche Willenseinigung, Fehlerhaftigkeit, In Vollzug Setzen der Gesellschaft und keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen.

aa) Natürliche Willenseinigung

Zunächst setzt die fehlerhafte Gesellschaft eine natürliche Willenseinigung voraus. Das bedeutet, dass man sich der der Sache nach einig gewesen sein muss, wenn auch im Übrigen die Einigung nicht wirksam ist. Dies ist hier der Fall.

bb) Fehlerhaftigkeit

Weiterhin verlangt die fehlerhafte Gesellschaft die Fehlerhaftigkeit der Willenseinigung. Beispiele: Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder Minderjährigkeit.

cc) In Vollzug Setzen der Gesellschaft

Ferner fordert die fehlerhafte Gesellschaft ein in Vollzug Setzen der Gesellschaft. Dies liegt immer dann vor, wenn Rechtsbeziehungen zu Dritten aufgenommen werden. Beispiel: Einrichtung eines Kontos, Verträge schließen. Im vorliegenden Fall wurde bereits ein Konto angelegt, sodass die Gesellschaft in Vollzug gesetzt wurde.

dd) Keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen

Zuletzt dürfen der fehlerhaften Gesellschaft keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen entgegenstehen. Dies können private, aber auch öffentliche Interessen sein. Beispiel: Minderjährigenschutz. Die §§ 107 ff. BGB wollen gerade den Minderjährigen vor Verpflichtungen schützen. Daher dürfen diese Wertungen auch durch die fehlerhafte Gesellschaft nicht unterlaufen werden. Liegt ein Gesetzesverstoß vor, muss anhand des Einzelfalls bewertet werden, wie stark die öffentlichen Interessen an der Durchsetzung des Gesetzes sind und wie stark die Interessen im Innenverhältnis der Gesellschafter daran sind, dass ein Ausgleich erfolgt.

c) Rechtsfolge

Rechtsfolge ist, dass die fehlerhafte Gesellschaft wie eine wirksame Gesellschaft behandelt wird.

IV. Ergebnis

Im Beispielsfall greift die fehlerhafte Gesellschaft wegen der Minderjährigkeit des S nicht. Es besteht somit kein Rechtsgrund, sodass S gegen die GbR einen Anspruch auf Herausgabe der 1000 Euro gemäß § 812 I 1 1. Fall BGB hat.

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