Waffenschein und Rechtsrockfestival

Waffenschein und Rechtsrockfestival

VG Schleswig zum Waffenrecht

Auch wenn die NPD seit der Umbenennung in „Die Heimat“ jedenfalls ihrem Namen nach seit 2023 Geschichte ist, so bleibt ihre ursprüngliche Bezeichnung wegen der juristischen Aufarbeitung ihrer politischen Aktionen weiter präsent. So auch in dem Rechtsstreit, in dem sich das VG Schleswig mit dem Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis auseinandergesetzt hat.

Sachverhalt

Der spätere Kläger ist bereits seit mehreren Jahren Inhaber einer Waffenerlaubnis, als er sich im Jahre 2018 sowie anschließend 2019 zur Teilnahme an einem Festival namens „Schild & Schwert“ entschließt. Dieses wurde offiziell von der NPD veranstaltet, kostete mindestens 40 Euro Eintritt und setzte sich aus einer Kombination von unterschiedlichen Komponenten aus Politik, Musik, Kampfsport und rechtem Lifestyle zusammen. Der Zweck der Veranstaltung ließ sich aus dem Internetauftritt des Festivals entnehmen: Die Gesinnung bzw. das rechtsextremistische Lebensgefühl sollte bei Rechtsrockklängen und Podiumsdiskussionen zelebriert werden, wovon sich die Veranstalter vermutlich erhofften, durch Rekrutierung neuer Mitglieder die Führungsrolle der NPD im „nationalen Widerstand“ wiederherzustellen. Am Eingang des Veranstaltungsgeländes waren dauerhaft bauzaungroße Banner der NPD ausgestellt. Die etwa 1.300 teilnehmenden Personen im Jahr 2018 sowie die maximal 650 Festivalteilnehmer des Folgejahres kleideten sich beinahe ausschließlich mit dunklen Kleidungsstücken ein, die mit verschiedenen Slogans der rechten Szene und entsprechenden Symbolen bedruckt waren. Vergleichbare Kleidung und passende Tätowierungen konnten Besucher auf dem Veranstaltungsgelände erwerben.

Auf amtlichem Wege erlangte die zuständige Behörde Kenntnis von der Teilnahme des späteren Klägers, der nach eigenen Angaben selbst kein Mitglied der NPD sei. Die anschließende waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung gipfelte im Mai 2023 für den Kläger schließlich in einem formell-rechtmäßigen Bescheid, mit dem die Behörde unter anderem seine Waffenerlaubnis widerrief. Nach erfolglosem Widerspruch erhob er Anfechtungsklage. Der Kläger behauptete, er sei nur wegen der Musik zum Festival gekommen und ihm sei gar nicht bekannt gewesen, dass es sich um eine rechtsextremistische Veranstaltung gehandelt habe, die eine rechtsextremistische Vereinigung angemeldet habe. Wenn er davon gewusst hätte, so wäre er dieser Veranstaltung ferngeblieben. Er verfolge schließlich keine Bestrebungen, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik zu beseitigen und sei auch nicht als „subkulturell geprägter Rechtsextremist“ einzustufen, wie die Behörde meint.

Entscheidung des VG Schleswig

Der wegen § 6 I 1 VwGO mit dieser Sache betraute Einzelrichter wies die Klage ab, da er den Bescheid der beklagten Behörde in Gestalt des Widerspruchsbescheids als rechtmäßig einstufte, § 113 I 1 VwGO.

Bei der Suche nach der geeigneten Ermächtigungsgrundlage wird man direkt im Waffenrecht, nämlich bei § 45 II 1 WaffG fündig, der gegenüber dem § 49 VwVfG spezieller ist. Da hiernach eine Waffenerlaubnis zu widerrufen ist, wenn nachträglich, also nach Erteilung der Erlaubnis, Tatsachen eintreten, die zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen, kann man sich hier systematisch durch den Katalog des § 4 WaffG arbeiten. Wie so häufig im Waffenrecht spielte sich auch dieser Fall im Wesentlichen im § 5 WaffG bei der Prüfung der nach § 4 I Nr. 2 WaffG erforderlichen Zuverlässigkeit ab.

Die zweimalige Festivalteilnahme des Klägers stelle eben diese nach § 45 II 1 WaffG erforderlichen Tatsachen dar, die zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen, wenn sie bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis vorgelegen hätten. Eine Regelunzuverlässigkeit nach § 5 II Nr. 3 a. aa. WaffG scheide aus, da diese nicht schon bei einer Einstufung einer Person als „subkulturell geprägter Rechtsextremist“ gegeben sei, sondern nachweisbare konkret individuelle, aktive Betätigung des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu fordern wären. Die Festivalteilnahmen selbst, bei dem der Kläger lediglich als Zuschauer fungierte, genügten hierzu nicht. Daher konzentrierte sich das Gericht auf die mangelnde Zuverlässigkeit nach § 5 II 3 c. WaffG. Nach dieser Norm fehle die erforderliche Zuverlässigkeit regelmäßig bei Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie eine Vereinigung in den letzten fünf Jahren unterstützt haben, die Bestrebungen i.S.d. § 5 II Nr. 3 a. verfolgt oder verfolgt hat. Vorliegend geht es um gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen, vgl. § 5 II Nr. 3 a. aa. WaffG.

Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten“, bezog sich das Gericht auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Art. 9 II GG und stellte die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit als elementare Verfassungsgrundsätze heraus. Eine bloß kritische oder ablehnende Haltung der Vereinigung gegenüber diesen Grundsätzen genüge nicht, sie müsse vielmehr nach außen eine kämpferisch aggressive Haltung aufweisen, die sich dadurch auszeichne, dass die Vereinigung die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend, nicht notwendigerweise durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen untergraben will. Im Gegensatz zu Art. 21 II GG liege der Maßstab hier niedriger: Weder ein hinreichendes Potential der Vereinigung, dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen, noch eine konkrete Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung seien in Hinblick auf § 5 II 3. WaffG Voraussetzung. Die NPD unterfällt als Partei (§ 2 I PartG) dem Vereinigungsbegriff des § 5 II Nr. 3 WaffG und wurde bereits 2017 durch das BVerfG als verfassungsfeindlich eingestuft.

Zudem legte das Gericht den wesentlichen Schwerpunkt bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „Unterstützens“. Dabei handele es sich um jede individuelle und qualitativ hinreichende Förderungshandlung zugunsten einer verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgende Vereinigung, die sich für den Betroffenen ersichtlich positiv auf die Vereinigung auswirken könne. Anknüpfend an den Wortlaut des § 5 II Nr. 3 WaffG und seiner Systematik leitete das Gericht ab, dass das Unterstützen gegenüber der bloßen passiven Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung nach § 5 II Nr. 3 b. WaffG ein Mehr darstelle. Der § 5 II Nr. 3 b. WaffG schließe eine Regelungslücke, die daraus resultiere, dass eine Mitgliedschaft in der Vereinigung für eine Unterstützungshandlung nicht zwingend erforderlich sei. Wenn auch das „Unterstützen“ „wegen der aus dem Umgang mit Waffen resultierenden Gefahren für die überragend wichtigen Rechtsgüter aus Art. 2 II 1 GG grundsätzlich weit ausgelegt werden“ könne, so betonte es gleichwohl, dass auch tatbestandlich bestimmte Mindestvoraussetzungen zugrunde zu legen seien. Diese wurden im Rahmen einer wertenden Gesamtschau ermittelt: Bereits durch den Erwerb der Festivaltickets mit jeweils einem Eintrittspreis von mindestens 40 Euro und weiteren Umsätzen habe die NPD einen sechsstelligen Betrag erwirtschaften können. Der Kauf habe sich für den Kläger erkennbar positiv auf die wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten der Partei und deren Fortbestand ausgewirkt. Insofern habe der Kläger bereits hierdurch Unterstützung geleistet. Mit der Behauptung, er habe nicht gewusst, dass es sich um ein Festival der NPD handelte, drang der Kläger nicht durch, da er sogar in der Verhandlung zugegeben hatte, die Banner am Eingang in 2018 gesehen zu haben, und sich darüber hinaus in 2019 gleichwohl erneut ein Ticket kaufte. Dass die Erlöse der Partei zufließen und ihr die Veranstaltung als Werbeevent zu Rekrutierungszwecken diene, habe sich dem Kläger jedenfalls auf Grundlage aller ihm erkennbaren Umstände aufdrängen müssen. Mithin läge der Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit vor. Diese Vermutung habe der Kläger auch nicht durch seinen Vortrag entkräften können, sodass die Behörde seine waffenrechtliche Erlaubnis zu recht widerrufen habe.

Zwar wäre es nicht mehr darauf angekommen, ob die Besuche des Festivals selbst auch als Unterstützungshandlungen zu werten sind, jedoch machte sich das Gericht die Mühe, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Die „klare“ Antwort lautete hier wiederum: Es kommt darauf an. Nämlich auf die Umstände des Einzelfalles. Im Ergebnis bedeutet dies für den Kläger, dass das Gericht auch die zweimalige Teilnahme selbst als Unterstützungshandlungen i.S.d. § 5 II Nr. 3 c. WaffG eingeordnet hat, weil der Kläger hierdurch zum Ausdruck gebracht habe, dass er auch ohne Parteimitgliedschaft in einem Verhältnis von innerer Nähe und Verbundenheit zur NPD und ihren Inhalten stehe. Mit dem Festivalbesuch habe er schließlich die öffentliche Wahrnehmung der NPD durch seine Anwesenheit gestärkt. Das Gericht hob hierzu hervor, dass die klägerische Festivalteilnahme in 2019 besonders ins Gewicht fiele, da er einer von lediglich 650 Besuchern war. Hieraus könne man ableiten, dass er auch ohne Parteimitgliedschaft zum engsten Teilnehmerkreis von NPD-Veranstaltungen gehöre. Zudem wertete der Richter die Wiederholung der Teilnahme in 2019 nicht als „bloßen Zufall“, sondern als Zeichen dafür, dass der Kläger die Veranstaltungsinhalte begrüßt habe, weil er sich ansonsten kein zweites Mal auf das Festival und damit in den Austausch mit ideologisch gleichgesinnten Personen begeben hätte.

Fazit

Auch wenn das Waffenrecht in der Vorbereitung auf das erste Examen maximal die Rolle eines Underdogs einnimmt, steigt seine Relevanz im Referendariat beträchtlich. Aber gerade weil das Waffenrecht in der universitären Ausbildung nicht zum zentralen Kernprüfungsstoff gehört, bietet es eine hervorragende Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten im Umgang mit unbekannten Normen zu schulen. Wie aufgezeigt, enthält der schnell zu erfassende Sachverhalt viel Raum zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unzuverlässigkeit. Unter Anwendung der Auslegungsmethoden mit dem erforderlichen Systemverständnis und unter umfänglicher Auswertung des Einzelfalles lassen sich solche Klausuren bzw. Aktenvorträge inhaltlich in den Griff kriegen. Insofern: Kein Grund zur Panik!