BGH zur Vollendung der Wegnahme beim Raub

BGH zur Vollendung der Wegnahme beim Raub

Die Abgrenzung einer im Versuchsstadium “steckengebliebenen” von einer vollendeten Wegnahme

Der BGH hatte in diesem aktuellen Fall über die Abgrenzung einer lediglich im Versuchsstadium „steckengebliebenen“ Wegnahme von einer vollendeten zu entscheiden. Die Abgrenzung ist nicht nur im Rahmen des § 249 Abs. 1 StGB von Bedeutung, sondern auch beim Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB.

A. Sachverhalt

Informant O berichtet A und B, die beide miteinander befreundet sind, dass der H Betäubungsmittel verkaufe und diese sowie Bargeld fertig verpackt in einem Rucksack in seiner Wohnung vorrätig halte. A und B kommen mit dem O überein, in dessen Auftrag den Rucksack zu erbeuten und ihm auszuhändigen. Sie wissen, dass H den Rucksack nicht widerstandslos herausgeben wird. Deshalb verabreden sie mit dem O, den H durch Schläge gefügig zu machen. A und B ist es gleichgültig, wieviel Betäubungsmittel und Bargeld sie erbeuten werden. Ihre Vorstellung richtet sich allerdings auf eine erhebliche Menge an Betäubungsmitteln. Für die Durchführung der Tat erwarten sie von dem O eine Entlohnung.

O fährt A und B zu dem Mehrfamilienhaus, in dem H wohnt, und beschreibt ihnen die Lage der Wohnung im zweiten Obergeschoss. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend soll O im Auto warten und die Beute nach der Tat entgegennehmen. A und B betreten das Haus und gehen zu der Wohnung des H. Dabei trägt A schwarze Handschuhe, die auf der Oberseite mit Quarzsandeinlagen verstärkt sind, um die Wucht der Schläge zu verstärken. B weiß dies und billigt deren Einsatz. B selbst trägt Lederhandschuhe und hat u.a. ein Klappmesser eingesteckt, wovon A jedoch nichts weiß. Einer der beiden hat auch ein Bündel Kabelbinder dabei, um den H ggfs. zu fesseln. H öffnet arglos seine Wohnungstür.

A drängt ihn in die Wohnung und schlägt ihm zweimal mit der Faust ins Gesicht, wodurch er ins Taumeln gerät, aber nicht zu Boden geht. Währenddessen schließt B die Tür mit dem innen im Schloss steckenden Schlüssel ab. Als H um Hilfe ruft, hält ihm B den Mund zu. Es kommt zu einer Rangelei, in deren Verlauf H zu Boden geht. B versucht, ihn dort zu fixieren. Währenddessen durchsucht A die Wohnung. In der Küche findet er zwei Rucksäcke, in denen sich Bargeld (ca. 2.200,00 €), MDMA-Tabletten und Marihuana befindet. A nimmt die beiden Rucksäcke an sich. Währenddessen werden Nachbarn in der Wohnung darunter auf die Hilferufe des H aufmerksam. Sie eilen zu dessen Wohnung und versuchen, die Tür mit einem Zweitschlüssel zu öffnen, was aber wegen des innen im Schloss steckenden Schlüssels nicht gelingt. Sie begeben sich auf den Balkon der Wohnung des H, von wo aus sie einen Teil des Geschehens in der Wohnung beobachten können. Als A und B bemerken, dass einer der Nachbarn auf den Balkon geklettert ist, um H zu Hilfe zu kommen, gelingt es H, sich von B loszureißen und die Balkontür zu öffnen. Daraufhin wollen A und B fliehen. A läuft aus der Wohnung nach unten. Er kann das Gebäude aber nicht verlassen, weil die Hauseingangstür abgeschlossen ist. Es kommt zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen A und einem der Nachbarn, der A bis zum Eintreffen der Polizei festhält. B wird noch in der Wohnung ergriffen und sodann zur Hauseingangstür gebracht.

Wie haben sich A und B nach dem StGB strafbar gemacht?

B. Entscheidung

I. Besonders schwerer Raub, §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB

A und B könnten sich jeweils wegen besonders schweren Raubes nach den §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem sie H mit Gewalt die Rücksäcke samt Inhalt entwendeten.

1. Objektiver Tatbestand
a) Grundtatbestand, § 249 Abs. 1 StGB

Dazu müssten A und B zunächst mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen weggenommen haben. A und B könnten dem H mit Gewalt die beiden Rucksäcke weggenommen haben.

aa) Wegnahmehandlung

Eine „Wegnahme“ ist bei einem Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams gegeben, also wenn der Gewahrsam gegen oder ohne den Willen des Inhabers aufgehoben wird. Gewahrsam ist die tatsächliche Herrschaft über eine Sache einer natürlichen Person, die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen wird, was nach den Umständen des Einzelfalls und nach der Verkehrsauffassung – Anschauung des täglichen Lebens – zu beurteilen ist (faktischer Gewahrsamsbegriff). Vorliegend befanden sich die beiden Rucksäcke, die A an sich genommen hat und in denen H Bargeld und Betäubungsmittel aufbewahrte, in der Wohnung bzw. in deren Küche, also im Herrschaftsbereich von H.

Dass nicht auch B die Rucksäcke bzw. einen von ihnen an sich genommen hat, hindert eine Strafbarkeit nach § 249 Abs. 1 StGB nicht. A und B haben hier als Mittäter i.S. v. § 25 Abs. 2 StGB gehandelt, also aufgrund eines gemeinsamen Tatplans und mit jeweiliger Tatherrschaft im Ausführungsstadium. Die Tathandlung des A wird dem B daher im Rahmen des objektiven Tatbestandes als eigene zugerechnet.

Fraglich ist aber, ob A und B den Gewahrsam des H an den Rücksäcken samt Inhalt gebrochen und neuen Gewahrsam begründet haben, weil sie mit der Tatbeute das Haus, in dem H wohnt, nicht verlassen haben, sondern noch im Innenbereich festgesetzt wurden. Das könnte gegen den Vollzug der Wegnahme sprechen (und dazu führen, eine Strafbarkeit von A und B wegen versuchten gemeinschaftlichen Raubes nach den §§ 249 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB zu prüfen). Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen, wie etwa bei Geldscheinen sowie Geld- und Schmuckstücken, lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen. Bei leicht beweglichen Sachen geringen Umfangs wird neuer Gewahrsam durch das Einstecken in die eigene Kleidung begründet. Es macht also einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Tatobjekt um umfangreiche, namentlich schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. Dazu hier der BGH:

„II.1a) Die zur Vollendung eines Raubes führende Wegnahme ist vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Das ist der Fall, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Maßgeblich sind insoweit die Anschauungen des täglichen Lebens. Danach genügt bei leicht beweglichen Sachen regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen als Wegnahmehandlung. Hat der Täter einen solchen Gegenstand an sich gebracht, erlangt er jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft darüber, wenn er den umschlossenen Herrschaftsbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers verlassen hat. Die Beobachtung des Tathergangs bzw. alsbaldige Entdeckung des Täters und seine Festnahme stehen der Tatvollendung nicht entgegen. Dadurch wird lediglich die Rückgabe der Sache an den bisherigen Gewahrsamsinhaber ermöglicht; bereits gesicherter Gewahrsam des Täters ist für die Vollendung der Wegnahme nicht erforderlich (st. Rspr.; …).

Danach hatten die als Mittäter handelnden [A und B] den Gewahrsam des Geschädigten H an den beiden Rucksäcken sowie den darin befindlichen Betäubungsmitteln und dem Bargeld spätestens zu dem Zeitpunkt gebrochen und neuen Gewahrsam begründet, als der [A] die Wohnung [des H] verlassen hatte und zur Hauseingangstür hinuntergelaufen war. Dass [A und B] auf frischer Tat betroffen wurden und [A] das Haus wegen der verschlossenen Haustür nicht verlassen konnte, hinderte nicht die Vollendung der Tat, sondern lediglich deren Beendigung durch die Sicherung der Beute.“

A und B haben damit hier dem H fremde beweglichen Sache i.S.v. § 249 Abs. 1 StGB weggenommen.

bb) Qualifiziertes Nötigungsmittel

Ferner müssten A und B auch „mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ weggenommen haben. In Betracht kommt hier „mit Gewalt gegen eine Person“ – die gegeben ist, wenn die Kraft, die der Täter entfaltet, wesentlicher Bestandteil der Wegnahme ist; sie darf nicht ganz unbedeutend sein, sondern muss so erheblich sein, dass sie geeignet ist, erwarteten Widerstand zu brechen, und vom Opfer als körperlicher Zwang empfunden werden (vgl. dazu etwa BGH, Beschl. v. 26.1.2022 – 3 StR 445/21).

A schlägt H – vom gemeinsamen Tatplan mit B umfasst –zunächst zweimal mit der Faust ins Gesicht, wodurch er ins Taumeln gerät (aber noch nicht zu Boden geht). Als H dann um Hilfe ruft, hält ihm B – mit Wissen und Wollen des A – den Mund zu und es kommt zu einer Rangelei, in deren Verlauf H zu Boden geht. A und B haben also eine nicht unerhebliche und als körperlichen Zwang empfundene Kraft gegen H zum Brechen seines Widerstandes aufgewendet, mithin „Gewalt gegen eine Person“ verübt.

cc) Finalzusammenhang

Fraglich weiter, ob auch der im Rahmen v. § 249 Abs. 1 StGB erforderliche sog. subjektiv-finale Konnex gegeben ist. Zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub muss eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. Deshalb fehlt es an einer solchen Verknüpfung, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zweck der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst. Der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht. Nachdem H infolge der Gewaltanwendungen von A und B zu Boden gegangen ist, versucht B, den H dort zu fixieren, während A die Wohnung wie geplant durchsucht und in der Küche die beiden Rucksäcke (gefüllt mit Bargeld und Drogen) findet und an sich nimmt. Der Finalzusammenhang zwischen Wegnahme und Nötigungsmittel ist gegeben.

Hinweis: S. dazu https://jura-online.de/blog/2021/11/25/bgh-zur-finalen-verknupfung-beim-raub/

b) Qualifikation, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB

A und B müssten ferner „bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet“ haben (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB). „Waffen“ in diesem Sinne sind alle Waffe im technischen Sinn, also solche Geräte, die nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Zustand zur Zeit der Tat bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet sind bzw. dazu dienen können, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Ein Werkzeug ist dann „gefährlich“, wenn es auf Grund seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Verwendung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.

A trug bei der Tatausführung – mit Wissen und Billigung des B – schwarze Handschuhe, die auf der Oberseite mit Quarzsandeinlagen verstärkt waren, um die Wucht der Schläge zu verstärken. B trug seinerseits – allerdings ohne Wissen des A – ein Klappmesser bei sich. Bei den Handschuhen und dem Klappmesser (das nicht für sich genommen als Angriffs- und/oder Verteidigungsmittel konzipiert war) könnte es sich jeweils um „gefährliche Werkzeuge“ im o.g. Sinne gehandelt haben. Dazu der BGH:

„II.1.b) (…) erlangten [A und B] durch die Tat zugleich die Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel in nicht geringer Menge, wobei sie mit den Quarzhandschuhen, der [B] darüber hinaus mit dem Klappmesser, bewusst Gegenstände mit sich führten, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt waren.“

Fraglich ist, ob A und B die Werkzeuge auch „verwendet“ haben. Ein „Verwenden“ i.S.v. § 250 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels; es liegt also vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht, um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache zu ermöglichen. Das war in Bezug auf die – im beiderseitigen Einverständnis von A benutzten – Quarzhandschuhe der Fall. Das Klappmesser setzte B hingegen nicht ein, sondern führte es lediglich (ohne Wissen des A ) mit sich.

A und B haben damit jeweils die objektiven Voraussetzungen von § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB erfüllt.

Hinweis: Dass B ohne Wissen des A das Klappmesser bei sich führte, führt materiell-rechtlich dazu, dass dem A dieses „Werkzeug“ nicht über § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Der von B zugleich verwirklichte Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB tritt ferner gegenüber Absatz 2 zurück.

c) Zwischenergebnis

A und B haben den objektiven und subjektiven Tatbestand von §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt.

2. Subjektiver Tatbestand

A und B handelten hinsichtlich der Merkmale des gesamten objektiven Tatbestandes vorsätzlich sowie in der Absicht, die Sachen – Bargeld und Betäubungsmittel – dem H dauerhaft zu entziehen (Enteignungsvorsatz) und anschließend für sich selbst oder für Dritte nutzen zu können (Aneignungsabsicht).

3. Zwischenergebnis

A und B, die rechtswidrig und schuldhaft handelten, haben sich jeweils wegen besonderes schweren Raubes (in Mittäterschaft) nach den §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.

II. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 und 4 StGB

Darüber hinaus haben sich A und B wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß den §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 und 4 StGB strafbar gemacht. A und B haben eine Körperverletzung i.S.v. § 223 Abs. 1 StGB begangen, also eine andere Person körperlich misshandelt (jede üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt), indem der A – mit Wissen und Billigung des B – dem H zweimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat, wodurch dieser ins Taumeln geriet. Dabei haben A und B ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend ein „gefährliches Werkzeug“ bei sich geführt (Quarzhandschuhe), B darüber hinaus ein Klappmesser. Im Übrigen haben A und B hier als Mittäter gehandelt, also die Körperverletzung „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ begangen (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Die Voraussetzungen eines „hinterlistigen Überfalls“ i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind nicht erfüllt. Dies setzt die Ausnutzung eines Überraschungsmoments durch planmäßiges Verbergen der Verletzungsabsicht voraus, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen; die bloße Ausnutzung eines Überraschungsmoments genügt nicht. A und B führen ihren Angriff gegen H hier von Beginn an offen, nachdem dieser – wenn auch arglos – die Tür geöffnet hat. Sie verbergen ihre Absicht, den H anzugreifen, nicht, sondern nutzen nur unvermittelt seine Arglosigkeit aus.

A und B haben vorliegend vorsätzlich hinsichtlich der objektiven Merkmale des Grundtatbestandes als auch der objektiven Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes (§ 224 Abs. 1 StGB) gehandelt.

A und B, die jeweils rechtswidrig und schuldhaft handelten, haben sich nach den §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB wegen gefährlicher Körperverletzung (in Mittäterschaft) strafbar gemacht.

III. Konkurrenzen und Ergebnis

Der besonders schwere Raub (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) und die gefährliche Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) – von A und B in Mittäterschaft begangen – stehen im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander, da die Verletzungen des H von der Verwirklichung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfasst werden. A und B haben sich hier wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht.

Hinweis: Das Landgericht, dessen Urteil von der Staatsanwaltschaft mit einer zuungunsten von A und B eingelegten Revision angegriffen wurde, hatte A und B lediglich wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (und mit Beihilfe zum versuchten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) schuldig gesprochen. Der 6. Strafsenat hat die Schuldsprüche entsprechend geändert und die Sache an eine andere Große Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, damit dort die Strafzumessungsentscheidung erneut getroffen werden kann.

C. Prüfungsrelevanz

Die Abgrenzung einer lediglich im Versuchsstadium „steckengebliebenen“ Wegnahme von einer vollendeten ist nicht nur im Rahmen des § 249 Abs. 1 StGB von Bedeutung, sondern auch beim Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB (oder der Pfandkehr nach § 289 Abs. 1 StGB). Der „Vollzug ihrer Vollendung“ hängt – wie auch im hiesigen Fall – der sog. Apprehensionstheorie folgend davon ab, ob der Täter derart Herrschaft über die jeweilige Sache erlangt hat, dass er ungehindert über die Sache verfügen kann und der ehemalige Gewahrsamsinhaber ohne die Beseitigung der Verfügungsgewalt des Täters nicht mehr über die Sache verfügen kann; das Wegbringen der Sache führt „nur“ zur Beutesicherung.

Diese Sachherrschaft kann etwa auch dadurch begründet werden, dass der Täter die Sache in eine sog. Gewahrsamsenklave verbringt, bei der ein Zugriff von außen als Eingriff in die Intimsphäre des Täters erscheinen würden (bspw. Jackentasche oder Rucksack). Daran fehlt es andererseits, wenn der Zugriff „offen“ erfolgen könnte, etwa wenn der Täter das Stehlgut auf einem offenen Handwagen verstaut.

Die Abgrenzung einer vollzogenen Wegnahme von der bloßen Beutesicherung ist darüber hinaus auch deswegen von Relevanz, weil sie der Abgrenzung von Raub (§ 249 StGB) und räuberischem Diebstahl (§ 252 StGB) dient. Geht es dem Täter bei dem eingesetzten qualifizierten Nötigungsmittel nicht darum, die Wegnahme zu ermöglichen, sondern dient dieses lediglich der Sicherung der Tatbeute, verwirklicht der Täter nicht den Tatbestand des § 249 StGB, sondern den des räuberischen Diebstahls.

Eine genaue Prüfung der Voraussetzungen des § 249 Abs. 1 StGB ist auch bei folgendem Sachverhalt erforderlich: Der Täter will dem späteren Geschädigten „eine Abreibung verpassen“ und „ihn zur Rede stellen“. Dazu nimmt er den Geschädigten in den Schwitzkasten, schlägt ihn ins Gesicht und bespuckt ihn. Sodann entschließt er sich, ihm die mitgeführte Umhängetasche zu entreißen, um etwa in der Tasche befindliches Bargeld an sich zu bringen. Dagegen wehrt sich der Geschädigte, dessen Umhängetasche lediglich 4 Euro enthält, aufgrund der vorherigen Gewaltanwendungen nicht. Anschließend schlägt der Täter den Geschädigten mit einem Schlagstock unvermittelt gegen die linke Körperhälfte.

Der 3. Strafsenat führt dazu in seinem Beschluss vom 26.01.2022 (3 StR 445/21) aus, dass es für das Vorliegen der Gewaltalternative bei § 249 Abs. 1 StGB erforderlich sei aufzuklären, wie sich das Entreißen der Tasche gestaltet habe, d.h., ob eine erhebliche Kraftentfaltung nötig gewesen sei, etwa weil das Opfer die Tasche noch festgehalten habe, oder ob es hingegen völlig von der Handlung des Täters überrascht worden sei. Es komme hier auch darauf an, ob sich der Geschädigte zum Zeitpunkt des Entreißens der Tasche noch im Schwitzkasten befunden oder auf sonstige Weise vom Täter festgehalten worden sei. Ferner fehle es an einer Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben im Zeitpunkt der Wegnahme. Die vorangegangene Gewaltanwendung mit der daraus resultierenden Einschüchterung genüge hierfür nicht. Die finale Verknüpfung sei nicht gegeben, wenn der Täter die Wirkung (hier hatte sich das Opfer wegen der vorausgegangenen Gewaltanwendung nicht gewehrt) einer ohne Wegnahmevorsatz erfolgten (aber nicht mehr fortgesetzten) Nötigungshandlung nur ausnutze und aufgrund eines neuen Entschlusses Sachen wegnehme. Auch der Fall eines Fortwirkens von Gewalt als (konkludente) Drohung sei nicht gegeben. Insoweit reiche das bloße Ausnutzen der Wirkung der vorhergehenden Gewaltanwendung in Form von Angst des Opfers nicht aus. Vielmehr bedürfe es der Aktualisierung der Nötigungslage: Erforderlich sei, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stelle, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar mache. Es reiche aber nicht aus, wenn das Opfer nur erwarte, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen.

Die Entscheidung und die darin behandelten Themenkreise sind also erkennbar prüfungsrelevant!

BGH, Urteil vom 04.05.2022 – 6 StR 628/21