Problem - Nachlieferung bei der Stückschuld

Problem - Nachlieferung bei der Stückschuld

Im Rahmen der Nacherfüllung im Kaufrecht kann sich das Problem der Nachlieferung bei der Stückschuld stellen. Fraglich ist insbesondere, ob eine dieser Anspruch überhaupt möglich ist. Oder ob der Anspruch auf Nachlieferung bei der Stückschuld erloschen ist.

Beispiel: V verkauft K sein gebrauchtes Fahrzeug mit 16.000 KM-Laufleistung, welches sich in einem besonders gepflegten Zustand befindet. Wenn nun das Fahrzeug an einem Mangel leidet, stellt sich die Frage, ob K einen Anspruch auf Nacherfüllung durch Nachlieferung hat. Gemäß § 439 I BGB hat der Käufer das Wahlrecht zwischen der Nachbesserung (Alt. 1) oder der Nachlieferung (Alt. 2). Diese Möglichkeit müsste mithin auch bei der Stückschuld möglich sein.

Hier könnte das Problem der Individualisierung der Kaufsache (Stückschuld) entgegenstehen. Das führt zu der Frage, ob in einem solchen Fall eine Nachlieferung überhaupt möglich ist, da zwangsweise ein Gegenstand geliefert wird, der nicht mit dem Kaufgegenstand identisch ist.

I. Eine Ansicht

Eine Ansicht verneint grundsätzlich die Möglichkeit der Nachlieferung bei der Stückschuld, weil die Leistungspflicht des Verkäufers von vornherein auf die verkaufte Sache beschränkt sei. Damit sei jede andere Sache ungeeignet den vertraglich geschuldeten Zustand herbeizuführen. Genau das sei aber das Wesen der Nacherfüllung, da es sich bei diesem um einen modifizierten Erfüllungsanspruch handele. Das gälte nicht im Hinblick auf die Aliud-Lieferung, § 434 V BGB, da wenn die Erfüllung mit einer anderen Sache gescheitert sei, mithin auch die Nacherfüllung mit einer anderen Sache somit nicht möglich wäre.

II. Andere Ansicht

Die andere Ansicht geht grundsätzlich von der Möglichkeit der Nachlieferung bei der Stückschuld aus, soweit die Kaufsache durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Das Gesetz kenne eine Differenzierung zwischen Stück- und Gattungsschuld gar nicht. Es sei durch sachgerechte Auslegung des Kaufvertrages zu ermitteln, was die Parteien wollten. Mit der Nacherfüllung einer weitgehend gleichen Sache würde damit in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle eine Erfüllung der Leistungspflicht herbeigeführt.
Ein Problem könnten gebrauchte Sachen darstellen. Hier würde es naturgemäß schwieriger eine nahezu identische Sache nachzuliefern. Dabei muss innerhalb dieser Ansicht weiter differenziert werden, ob eine Nachlieferung bei gebrauchten Sachen möglich ist.
Eine hierbei vertretene Unteransicht vertritt, dass wenn es sich bei gebrauchten Sachen um vertretbare Sachen handelt, eine Nachlieferung möglich sei. Vertretbare Sachen sind in § 91 BGB legaldefiniert. Danach handelt es sich um bewegliche Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt werden. Eine andere Unteransicht vertritt, dass sich die Ersetzbarkeit der Sache nach sachgerechter Auslegung des konkreten Kaufvertrages ergäbe. Handelt es sich z. B. um ein Gemälde, bei dem jede Abweichung dazu führe, dass das Gemälde verfälscht und mithin unerwünscht würde, sei die Abweichung bedeutsam. Handele es sich hingegen um einen Gebrauchsgegenstand, bei der eine kleine Abweichung nicht von Belang sei, sei die Abweichung nicht bedeutsam. Auf unser Beispiel mit dem KFZ bezogen, lässt sich somit feststellen, dass es sich bei einem gängigen Fahrzeug, von welchem es aus der gleichen Baureihe unterschiedlichste Fahrzeuge auf dem Markt gibt, eine sachgerechte Auslegung des Kaufvertrages dazu führen wird, dass die Parteien eine Ersetzbarkeit vorausgesehen haben und es daher keinen Grund gibt, die Möglichkeit des Nacherfüllens, auch durch Nachlieferung, einzuschränken. Es ist Ausdruck der Privatautonomie, dem Parteiwillen möglichst gerecht zu werden und daher eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermöglichen.

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