Problem - Mehraktiger Versuch

Problem – Mehraktiger Versuch

Der mehraktige Versuch spielt insbesondere bei der Frage des strafbefreienden Rücktritts eine Rolle. Beispiel: Der A würgt mit Tötungsvorsatz seine Frau B. Diese wehrt sich allerdings und A erkennt, dass er mit dem Würgen nicht zum Erfolg kommt. Er nimmt daher seine Ehefrau und stürzt sie aus dem Fenster ihrer sich im 4. Stock befindlichen Wohnung in den Hinterhof. Auch das ist nicht erfolgreich. Schließlich läuft A durch das Treppenhaus in den Hof und schlägt den Kopf der B auf die Steinplatten. Dies führt nicht zum Erfolg. Obwohl A den Tod seiner Frau durch weiteres Schlagen ihres Kopfes auf den Boden noch hätte herbeiführen können, hört er freiwillig damit auf. Es stellt sich nun die Frage, ob der Handelnde insgesamt strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten ist.

I. Einzelakttheorie

Der mehraktige Versuch wird von der sogenannten Einzelakttheorie wie folgt gelöst: Diese Ansicht stellt auf den Zeitpunkt des jeweiligen Aktes ab, in diesem Fall das Würgen, das aus dem Fenster Werfen und das Schlagen des Kopfes auf den Steinboden. Beim Würgen erkennt der Betroffene, dass diese Handlung grundsätzlich zum Erfolg führen könnte, erkennt allerdings, dass tatsächlich dieses Würgen nicht zum Erfolg führen wird. Dieser Versuch ist damit einmal fehlgeschlagen. Der mehraktige Versuch würde hier somit zu einer Bestrafung wegen versuchter Tötung führen. Als Argument für eine solche Lösung dient die Überlegung, dass andernfalls der intelligente Täter, welcher sich immer weitere Möglichkeiten zur Tötung überlege, bevorzugt werde. Hingegen würde der mehraktige Versuch, behandle man ihn anders, zur Folge haben, dass der einfältige Delinquent benachteiligt und das Opfer länger malträtiert werde und dabei leide.

II. Gesamtbetrachtungslehre (h.M.)

Nach herrschender Meinung wird der mehraktige Versuch im Sinne der Gesamtbetrachtungslehre gelöst. Diese fasst die einzelnen Akte zusammen, sofern sie räumlich und zeitlich zusammenhängen, also eine natürliche Handlungseinheit bilden. Dabei wird auf den Zeitpunkt des letzten Ausführungsaktes abgestellt, hier das Schlagen auf den Boden. In diesem Fall ist der Versuch nicht fehlgeschlagen, da der Täter mit weiteren Schlägen den Erfolg hätte herbeiführen können. Diese Theorie wird als täter- und opferfreundlich bezeichnet: Dem Täter wird die Möglichkeit geboten, noch möglichst spät im Geschehen zurückzutreten. Dies habe zur Folge, dass dem Täter ein Anreiz geboten werde, von dem Opfer abzulassen. Werde ihm hingegen die Rücktrittsmöglichkeit genommen, könne der Täter dem Opfer genauso gut den „Rest geben“, es also töten. Der mehraktige Versuch würde somit den strafbefreienden Rücktritt zur Folge haben.

 

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