Eingriff

Aufbau der Prüfung - Eingriff

Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde ist nach der Eröffnung des Schutzbereichs zu prüfen, ob auch ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt. Beim Eingriff ist zwischen dem klassischen Eingriff und dem modernen Eingriff zu differenzieren.

I. "Klassischer" Eingriff

Der klassische Eingriff setzt zunächst die Finalität der Maßnahme voraus. Diese muss somit zielgerichtet sein. Weiterhin verlangt der klassische Eingriff, dass die Maßnahme unmittelbar ist. Dies bedeutet, dass kein weiterer Vollzugsakt erforderlich sein darf. Ferner muss die Maßnahme nach dem klassischen Eingriff auch auf Setzung einer Rechtsfolge gerichtet sein. Dies ist die Begründung oder Aufhebung eines Rechts, die Begründung oder Aufhebung einer Pflicht. Zuletzt müssen die staatlichen Maßnahmen auch mit Zwang durchsetzbar sein.
Beispiel 1: A wird Adressat einer Abrissverfügung. Diese ist final gegen A gerichtet. Sie muss auch nicht weiter konkretisiert werden, ist daher unmittelbar. Sie begründet zudem die Pflicht, das Haus abzureißen und ist somit auch auf Setzung einer Rechtsfolge gerichtet. Zuletzt kann die Abrissverfügung mit Zwang durchgesetzt werden, beispielsweise durch eine Ersatzvornahme. Ein klassischer Eingriff ist folglich gegeben.
Beispiel 2: A ist Winzer. In seiner Region haben einige Weinbauern den Wein mit Glykol gepanscht. Nun warnt der Bundesgesundheitsminister vor dem Verzehr von Glykolwein aus der Region des A. A baut seinen Wein nach den Regeln der Kunst an. Die Verbraucher sind jedoch derart verunsichert durch die Warnung, dass sie den Wein des A nicht mehr kaufen. A kann somit seinen Laden dicht machen. Hier mangelt es an der Finalität, denn die Warnung war nicht an A, sondern an die Verbraucher gerichtet. Auch war die Maßnahme nicht unmittelbar, wie beim klassischen Eingriff erforderlich, da es eines weiteren Umsetzungsaktes bedurfte, nämlich des Verbraucherverhaltens. Zudem liegt ein klassischer Eingriff auch deshalb nicht vor, weil eine Rechtsfolge nicht begründet werden sollte. Insbesondere waren die Verbraucher nicht dazu verpflichtet, den Wein nicht zu trinken. Schließlich ist die Maßnahme nicht mit Zwang durchsetzbar. Folglich liegt kein einziges der beim klassischen Eingriff kumulativ geforderten Merkmale vor. Dennoch muss A sein Geschäft zumachen.

II. "Moderner" Eingriff

Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen den Eingriffsbegriff ausgedehnt und den modernen Eingriff entwickelt. Beim modernen Eingriff genügt, dass Finalität oder Intensität gegeben ist. Folglich ist für einen Eingriff ausreichend, wenn die Maßnahme entweder final oder intensiv ist. Vorliegend ist die Warnung des Bundesministers nicht final, aber intensiv. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ist somit gegeben. Im Rahmen der Berufsfreiheit heißt der finale moderne Eingriff subjektiv-berufsregelnde Tendenz und der intensive moderne Eingriff auch objektiv-berufsregelnde Tendenz.

 

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