Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 ff. AEUV

Aufbau der Prüfung - Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 ff. AEUV

Die Dienstleistungsfreiheit ist in den Art. 56 ff. AEUV geregelt. Auch die Dienstleistungsfreiheit wird wie üblich in drei Schritten geprüft: Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung.

I. Schutzbereich

Die Dienstleistungsfreiheit setzt zunächst voraus, dass der Schutzbereich der Art. 56 ff. AEUV betroffen ist.

1. Kein spezielles Sekundärrecht

Hier darf zunächst kein spezielles Sekundärrecht greifen. Regelt beispielsweise eine Verordnung diesen speziellen Fall, wäre diese vorrangig anzuwenden. Man würde somit nicht auf die Dienstleistungsfreiheit zurückgreifen.

2. Unmittelbare Anwendbarkeit

Zudem müsste die Dienstleistungsfreiheit auch unmittelbar anwendbar sein. Das Primärrecht ist nur unmittelbar anwendbar, wenn es hinreichend bestimmt ist, es also keines weiteren Umsetzungsaktes bedarf („self-executing“). Für die Grundfreiheiten - und damit auch für die Dienstleistungsfreiheit - ist dies allgemein anerkannt.

3. Grenzüberschreitender Sachverhalt

Auch bei der Dienstleistungsfreiheit ist es erforderlich, dass ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. An dieser Stelle erfolgt gegebenenfalls die Abgrenzung zur reinen Inländerdiskriminierung.

4. Persönlicher Schutzbereich

In persönlicher Hinsicht schützt die Dienstleistungsfreiheit zunächst Unionsbürger. Dies ergibt sich aus Art. 56 I AEUV. Darüber hinaus erfasst die Dienstleistungsfreiheit auch Gesellschaften. Art. 62 AEUV verweist hier auf Art. 54 AEUV. Dort ist genauer geregelt, welche Gesellschaften mit erfasst sind.

5. Sachlicher Schutzbereich

In sachlicher Hinsicht schützt die Dienstleistungsfreiheit zunächst Dienstleistungen. Einzelheiten sind in Art. 57 AEUV normiert.

a) Dienstleistung, Art. 57 AEUV

Dienstleistungen sind alle Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Aus Art. 57 AEUV ergibt sich, dass dies gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten sein können.

aa) Positiv

Zum einen schützen die Art. 56 ff. AEUV die positive Dienstleistungsfreiheit. Beispiel 1: Ein deutscher Rechtsanwalt berät einen dänischen Mandanten in Dänemark. Dieser Fall ist von der Dienstleistungsfreiheit erfasst. Beispiel 2: Ein deutscher Rechtsanwalt berät einen dänischen Mandanten in Frankreich. Auch hier gilt die Dienstleistungsfreiheit. Beispiel 3: Ein deutscher Rechtsanwalt berät einen dänischen Mandanten telefonisch von Deutschland aus. Dies wird ebenfalls von der Dienstleistungsfreiheit erfasst.

bb) Negativ

Zum anderen schützen die Art. 56 ff. AEUV auch die negative Dienstleistungsfreiheit. Konstellation 1: Ein deutscher Anwalt berät einen Dänen in Deutschland. Auch die Abnahme dieser Dienstleistung ist von der Dienstleistungsfreiheit umfasst. Konstellation 2: Ein französischer Reiseführer betreut Franzosen auf ihrer Reise in Deutschland. Zwar ist diese Konstellation strittig. Aber die Dienstleistungsfreiheit erfasst wohl auch solche Fälle.

b) Keine Subsidiarität, Art. 57 AEUV

Im sachlichen Schutzbereich ist zudem zu beachten, dass keine Subsidiarität gegeben sein darf. Die Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit ist ausdrücklich in Art. 57 AEUV angeordnet. Mithin ist die Dienstleistungsfreiheit gegenüber allen anderen Grundfreiheiten subsidiär.

aa) Warenverkehrsfreiheit

Die Warenverkehrsfreiheit schützt körperliche Gegenstände, während die Dienstleistung nicht sichtbar ist und nicht zum Verbrauch bestimmt ist.

bb) Freizügigkeit der Arbeitnehmer

Der Unterschied im Hinblick auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer liegt in der Selbständigkeit der Tätigkeit im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit, während bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nur unselbständige Tätigkeiten erfasst werden.

cc) Niederlassungsfreiheit

Hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit ist das Unterscheidungskriterium die Dauer.

c) Keine Bereichsausnahme: Art. 62, 51 AEUV

Zudem darf auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit keine Bereichsausnahme vorliegen. Hierbei verweist Art. 62 AEUV auf Art. 51 AEUV. Wenn es um die Ausübung öffentlicher Gewalt geht, greift somit auch die Dienstleistungsfreiheit nicht.

II. Eingriff

Sodann ist zu prüfen, ob ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit vorliegt. Auch hier kommen als Eingriffe offene und verdeckte Diskriminierungen in Betracht, wobei bei Beschränkungen die Dassonville-Formel, präzisiert durch die Keck-Formel, berücksichtigt werden müssen.

III. Rechtfertigung

1. Schranken

Liegt ein Eingriff vor, sind im Bereich der Rechtfertigung zunächst die Schranken zu ermitteln.

a) Ausdrücklich, Art. 62, 52 AEUV

Ausdrückliche Schranken finden sich in Art. 52 AEUV, auf den Art. 62 AEUV verweist. Danach kann ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit aufgrund der Belange der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit oder der Gesundheit gerechtfertigt sein.

b) Ungeschriebene

Zudem gelten auch bei der Dienstleistungsfreiheit ungeschriebene Schranken, wenn verdeckte Diskrimierungen oder Beschränkungen vorliegen.

2. Schranken-Schranke

Zuletzt erfordert die Dienstleistungsfreiheit die Prüfung der Schranken-Schranken.

a) Verhältnismäßigkeit

Dies beinhaltet zum einen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, in welcher die konfligierenden Interessen einander gegenüberzustellen sind, und zum anderen die Beachtung sonstigen Primärrechts. Beispiel: Art. 6 EUV in Verbindung mit der Grundrechtscharta.

b) Sonstiges Primärrecht

 

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