§ 812 I 1 1. Fall BGB

Aufbau der Prüfung - § 812 I 1 1. Fall BGB

§ 812 I 1 1. Fall BGB regelt den Grundtatbestand der Leistungskondiktion (condictio indebiti). Beispiel. A verkauft und übereignet B ein Auto. B hat den Kaufpreis bezahlt. Es stellt sich heraus, dass der A bei Abschluss des Kaufvertrags unerkannt geisteskrank war. Der Kaufvertrag ist somit nach den §§ 104, 105 BGB nichtig. A verlangt von B das Auto zurück. Ein solcher Anspruch könnte sich aus § 812 I 1 1. Fall BGB ergeben.

I. Etwas erlangt

Zunächst setzt § 812 I 1 1. Fall BGB voraus, dass etwas erlangt wurde. Dies wird auch Bereicherungsgegenstand genannt und ist jeder vermögenswerte Vorteil. Dieser Vorteil ist genau zu benennen. Vorliegend hat beispielsweise B Besitz und Eigentum an dem Fahrzeug erlangt, da die Übereignung wirksam war.

II. Durch Leistung

Weiterhin verlangt § 812 I 1 1. Fall BGB, dass das Etwas durch Leistung erlangt wurde. Es muss somit der jetzige Bereicherungsgläubiger an den jetzigen Bereicherungsschuldner geleistet haben. Leistung i.S.d. § 812 I 1 1. Fall BGB ist jede bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Der Zweck liegt in der Regel in der Erfüllung einer Verbindlichkeit (solvendi causa). Hier übereignete A dem B das Fahrzeug zum Zwecke der Erfüllung der vermeintlichen Verbindlichkeit aus dem Kaufvertrag Hier kann sich im Rahmen des § 812 I 1 1. Fall BGB das Problem stellen, aus welcher Sicht die Person des Leistenden zu bestimmten ist, aus der Sicht des Leistenden oder der des Empfängers. Dies spielt insbesondere in Dreiecksbeziehungen eine Rolle.

III. Ohne Rechtsgrund

Zuletzt fordert § 812 I 1 1. Fall BGB, dass auch ohne Rechtsgrund geleistet wurde (sine causa). Normalerweise wird hier ein Rechtsgrund in Betracht gezogen und geprüft, ob dieser wirksam vorliegt. Dies wird meistens die Frage nach einem wirksamen Vertrag sein, den man in der Regel im Rahmen der Prüfungsreihenfolge der Anspruchsgrundlagen bereits geprüft hat. Ansonsten muss dies an dieser Stelle inzidenter geprüft werden. Im Beispielsfall war A unerkannt geisteskrank, sodass die Einigung nicht wirksam war. § 812 I 1 1. Fall BGB erfasst auch den Fall, dass die bezweckte Erfüllungswirkung nicht vorliegt. Das bedeutet, dass zwar ein wirksamer Vertrag gegeben ist, aber die Leistung nicht dazu führt, dass die Erfüllungswirkung eintritt. Ein solcher Fall ist beispielsweise die Leistung an einen Minderjährigen ohne die Beteiligung der Eltern. Hier tritt die Erfüllungswirkung mangels Empfangszuständigkeit nicht ein, sodass der Leistende das Geleistete zurück haben möchte.

IV. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten

Wichtigste Rechtsfolge des § 812 I 1 1. Fall BGB ist die Herausgabe des Erlangten. Vorliegend ist B zur Herausgabe des Besitzes und des Eigentums an den A verpflichtet. Zu beachten ist weiterhin § 818 I, II BGB, der die Nutzungsherausgabe, die Surrogatherausgabe und den Wertersatz regelt.

V. Kein Ausschluss

Ferner darf der Herausgabeanspruch gemäß § 812 I 1 1. Fall BGB nicht ausgeschlossen sein. Ein solcher Ausschluss ist nach § 818 III BGB gegeben, wenn Entreicherung vorliegt. Wenn der Bereicherungsschuldner nicht mehr bereichert ist, schuldet er somit nicht mehr die Herausgabe. Beispiel: Wenn B das Fahrzeug gegen einen Baum fährt, einen Totalschaden verursacht und das Auto nicht versichert war, ist das Auto ersatzlos untergegangen. Daher schuldet B dem A nicht die Herausgabe. Gleiches gilt, wenn B das Fahrzeug verschenkt hat.

 

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