Schwarzfahren: Bundesjustizministerium kündigt Überprüfung des § 265a StGB an

Schwarzfahren: Bundesjustizministerium kündigt Überprüfung des § 265a StGB an

Wann ist das Tatbestandsmerkmal des Erschleichens im Sinne des § 265a I StGB erfüllt?

Dass das Schwarzfahren den Straftatbestand des § 265a I StGB verwirklicht, ist umstritten. Die Handhabung der Rechtsprechung kann gravierende Folgen für die Betroffenen haben, die zumeist sozial schwach gestellt sind: Erst kommt die Geld-, dann die Ersatzfreiheitsstrafe. Auch für den Staat hat das finanzielle Konsequenzen.

Worum geht es?

Wer unter anderem die Beförderung durch ein Verkehrsmittel in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Das „Erschleichen von Leistungen“ ist in § 265a I StGB normiert und steht schon seit vielen Jahren in der Kritik. Denn die Norm sanktioniert in erster Linie die sozial Schwachen, die sich den Fahrschein für Bus oder Bahn möglicherweise nicht leisten konnten. Die Folgen sind ein Teufelskreis: Nicht nur kann die betroffene Person meist ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ nicht entrichten, es folgt auch – nach § 265a I StGB – eine Geldstrafe als weitere, finanzielle Sanktion. Wer diese nicht bezahlen kann, muss eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten.

Belastung für Betroffene, Belastung für den Staat

Bei dem Straftatbestand des § 265a I StGB dürfte nicht von einer „Win-Win“ Situation gesprochen werden können, vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Nicht nur für die sozial schwachen Betroffenen hat die Begehung der Tat gravierende Folgen, sondern auch für den Staat und seine Steuerzahler:innen. Gut veranschaulicht wurde das in der Sendung ZDF Magazin Royale von Jan Böhmermann und seinem Team.

In der Sendung aus dem letzten Dezember ging es um das „Erschleichen von Leistungen“, einem Straftatbestand, der noch aus dem Dritten Reich stammt und von Böhmermann als „unnötigste Straftat seit 1935“ bezeichnet wurde. 28 Redaktionsmitarbeiter:innen verzichteten für das aktuelle Jahr auf ihre Jobtickets und begleichen mit der dadurch entstandenen Summe von 10.080 Euro die offenen Geldstrafen von 7 Personen. Diese hätten ansonsten noch vor Weihnachten mit einer Ersatzfreiheitsstrafe rechnen müssen.

Doch die Spendenaktion ging weiter: In einer Kooperation mit der Internetplattform „Frag den Staat“ wurde weiter gesammelt, um Personen, die wegen Schwarzfahren Ersatzfreiheitsstrafen absolvieren müssten, freizukaufen. Nach eigenen Angaben seien unter „freiheitsfonds.de“ bis heute über 125.000 Euro gesammelt, über 100 Personen konnten dadurch die Haftstrafe umgehen.

Bei diesen 100 Personen wären es ansonsten insgesamt 9.000 Hafttage gewesen – für die der Staat und damit auch die Gesellschaft hätte aufkommen müssen. Und das ist richtig teuer: Ein Hafttag kostet je nach Bundesland zwischen 98 und 188 Euro am Tag. Insgesamt sollen den Steuerzahler:innen rund 1,4 Millionen Euro Kosten erspart worden seien.

Kommt eine Gesetzesänderung?

Ob das Schwarzfahren daher richtig sanktioniert wird oder nicht, darüber wird schon längere Zeit gestritten. 2019 etwa versuchten die Länder Berlin und Thüringen mit einer Initiative im Bundesrat, das Delikt nur noch als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Abgesehen davon, dass auch in diesem Fall eine Erzwingungshaft möglich wäre, scheiterte das Vorgehen. Aus Hessen etwa hieß es von der Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), dass ansonsten eine „Kapitulation des Rechtsstaats im Bereich der Massendelikte“ drohe.

Jüngst aber kündigte das Bundesjustizministerium unter der Führung von Marco Buschmann (FDP) an, den § 265a StGB zu überprüfen. Die Ampel-Koalition könnte daher eine Gesetzesänderung ansteuern, denn insbesondere „historisch überholte Straftatbestände“ sollen in der laufenden Legislaturperiode auf ihre Berechtigung überprüft werden. Betroffen ist also auch das Fahren ohne Fahrschein. Wann die Prüfung abgeschlossen sein soll, ist nicht bekannt.

265a StGB: h.L. (-), Rspr. (+)

Würde man an dieser Stelle der herrschenden Lehre folgen, dann wäre eine Gesetzesänderung aber gar nicht nötig. Diese lehnt nämlich die Verwirklichung des § 265a I StGB beim bloßen Rumsitzen ab und meint, dass für das „Erschleichen“ eine Umgehung oder ein Ausschalten von Sicherungsvorkehrungen erforderlich sei. Ihr Argument: Der Wortlaut. Andernfalls hätte das Wort „Erschleichen“ keine Bedeutung, die über das Nichtkaufen einer Fahrkarte hinausgeht.

Die Rechtsprechung sieht dies allerdings anders. Für die Verwirklichung des § 265a I StGB genüge danach der „Anschein des ordnungsgemäßen Verhaltens“ für eine Strafbarkeit. So argumentiert entsprechend auch der BGH in unserem Klassiker „Schwarzfahrer-Fall“ aus dem Jahr 2009:

Eine Beförderungsleistung wird bereits dann im Sinne des § 265a I StGB erschlichen, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfüllte die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen.